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Wirtschaft: 100 Jahre Konkurrenz

1912 wurde in Berlin die Wettbewerbszentrale gegründet. Ein kleines Porträt.

Die Gruppe von Berliner Klavierfabrikanten, die im Januar 1912 zusammenkam, war verärgert: In den Zeitungen fanden sich vermehrt Kleinanzeigen, in denen Musikinstrumente günstig angeboten wurden. Doch statt privater Gelegenheitsverkäufer, wie die Anzeigen glauben machten, steckten hinter den Inseraten professionelle Händler. Die Berliner Kaufleute sahen darin eine Täuschung durch die Konkurrenz und gingen gemeinsam gegen die Kleinanzeigen vor: Vor fast 100 Jahren – am 17. Juni 1912 – gründeten sie hierfür die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.

Die Institution mit Hauptsitz in Bad Homburg, die sich als ein Selbstkontrollorgan der Wirtschaft versteht, hat heute 2000 Mitglieder – große Konzerne, kleine Firmen, Industrie- und Handelskammern oder Branchenverbände. Seit ihrer Gründung hat die Zentrale rund 700 000 Wettbewerbsfälle geprüft. Meist blieb es bei Abmahnungen oder kam zu gütlichen Einigungen, in 25 000 Fällen aber zogen die Juristen der Wettbewerbszentrale vor Gericht.

So auch im Fall der Benetton-Kampagne von Oliviero Toscani, der auf Werbeanzeigen für die Modefirma etwa einen nackten Hintern mit der Aufschrift „HIV-positiv“ gezeigt hatte. Die Wettbewerbszentrale mahnte den Konzern ab. Der Rechtsstreit, ob die Werbung sittenwidrig sei, ging bis vor das Bundesverfassungsgericht. Schließlich wurden die Motive zugelassen. Die Wettbewerbszentrale klagte auch gegen Praktiker wegen irreführender Werbung. Die Baumarktkette musste daraufhin ihre Kampagne „20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung“ einstellen. Bei Testkäufen hatte die Wettbewerbszentrale festgestellt, dass die Preise für einige Artikel zum Start der Rabattaktion erhöht wurden.

„Der Wettbewerber ist der beste Kontrolleur“, sagte Reiner Münker, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale, am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des Jahresberichts. Wer einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vermutet, kann sich bei der Wettbewerbszentrale melden, sie geht diesen Fällen nach – auch wenn Verbandsmitglieder betroffen sind, wie Münker betonte.

Im vergangenen Jahr prüfte die Zentrale 14 000 Fälle, 600 Beschwerden landeten vor Gericht. In erster Linie ging es hierbei um irreführende Werbung und Verletzung von Informationspflichten. So wurde etwa ein Getränkehersteller vom Gericht verpflichtet, seinem „Mango-Orangeblütenwasser“ neben Mineralwasser und Mangosaft auch tatsächlich Orangenblüten-Essenz beizumischen. Die meisten Beschwerden betrafen 2011 die Gesundheitsbranche – Apotheker, Krankenkassen oder Pharmakonzerne –, auf Platz zwei folgten Versteigerungsplattformen wie Ebay oder My- Hammer, an dritter Stelle stand das Handwerk. Die Zahl der Fälle aus dem Internet sei nach einem Höhepunkt Mitte der Nullerjahre aber rückläufig, sagte Münker, denn inzwischen hätten sich die Regeln für Werbung im Netz besser eingespielt.

Dass es in Zukunft friedlicher zugeht, glaubt Münker aber nicht. Besonders die neuen Werbemöglichkeiten in Sozialen Netzwerken wie Facebook und der Trend zur Vermarktung von Nachhaltigkeit könnten die Wettbewerbszentrale in Zukunft beschäftigen.

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