zum Hauptinhalt
Der Film "Black Hawk Down" erzählt die Geschehnisse als amerikanische Heldengeschichte.

© Imago Stpck

Black-Hawk-Abschuss: Am Boden zerstört

Die "Schlacht von Mogadischu" prägt die US-Außenpolitik bis heute. Wie ein Hinterhalt vor 25 Jahren zum militärischen Trauma wurde.

CLINTON WACHT AUF

Der Präsident saß am Montagmorgen in seiner Suite im Fairmont Hotel in San Francisco, jemand hatte den Fernseher angestellt, und was Bill Clinton dort sah, ließ ihn erstarren. Hatte man ihm nicht am Abend noch von einer erfolgreichen Militäraktion in Mogadischu berichtet? Jetzt wurde der zerschundene Körper eines US-Soldaten von jubelnden Somalis getreten und an den Füßen durch die Stadt geschleift. Es hieß, dass ein weiterer Soldat gefangen gehalten werde. „Wie konnte das passieren?“, fragte Clinton.

Das fragten sich die Menschen im ganzen Land an diesem Morgen, während die grausamen CNN-Bilder aus einer Stadt berichteten, von der viele Amerikaner noch nie gehört hatten. Tote Soldaten, über die sich ein Mob hermachte? Waren sie nicht als die Guten gekommen? Wieso hasste man sie jetzt so sehr, dass sie verstümmelt und wie Vieh durch den Staub gezerrt wurden? Es war ein Schock. Und Präsident Clinton hatte Mühe, ihn zu erklären.

Für dieses Schlamassel hatte er keinen Kopf. Seine ganze Energie wurde von der Erhöhung der Staatsausgaben beansprucht. Er konnte nicht noch ein Thema gebrauchen, das bei den Abgeordneten unbeliebt war. Nach seiner Rückkehr aus Kalifornien verkündete er den Abzug aus Somalia – binnen sechs Monaten. Das machte aus einem Feuergefecht mit 18 toten und 75 verwundeten US-Soldaten das größte außenpolitische Desaster der USA seit dem Rückzug aus Vietnam.

DIESES ANDERE LAND

Dabei war die Mission am 3. Oktober 1993 zunächst glatt gelaufen. „Wir hatten den Überraschungseffekt auf unserer Seite“, sagte Danny McKnight hinterher, Kommandeur einer Army-Eliteeinheit. „Wir waren in der Spur, und alles sah gut aus.“ Seine Army Ranger waren nach Plan von allen Seiten in das Gebäude eingedrungen, in dem sich zu dem Zeitpunkt zwei Dutzend verdächtige Personen aufhielten; sie hatten sie in die bereitstehende Wagenkolonne verfrachtet und befanden sich auf dem Heimweg. Den Rangers war ein Coup gelungen – wenn nur der Hubschrauber nicht getroffen worden und abgestürzt wäre.

„Black Hawk Down“, lautete der Funkspruch, der alles änderte. Zehn Jahre später sollte Ridley Scott den Kampf in Mogadischu unter diesem Titel verfilmen und ihn als „Sieg“ der Amerikaner verkaufen: Niemand, ob tot oder lebendig, sei zurückgelassen worden. Zunächst empfanden es alle Beteiligten jedoch bloß als Niederlage. Die USA waren in eine Falle getappt, die ihnen ein Warlord mit einer Streitmacht aus schießwütigen Kalaschnikow-Kriegern gestellt hatte. Und es war die Winzigkeit des Anlasses, die dieses militärische "Trauma" von anderen Niederlagen der US-Streitkräfte unterschied. In Vietnam, Afghanistan oder Irak mussten sie sich eingestehen, an der Größe der Aufgabe gescheitert zu sein. Hier ging das nicht, obwohl es später Versuche in dieser Richtung geben sollte. So lautete der erste Satz des militärischen Untersuchungsberichts: "Amerikaner betrachten sich selbst als ein mitfühlendes Volk." Als wenn es Leidenschaftlichkeit gewesen wäre, die sie ins Schlamassel führte. Die Ursachen waren lange vor diesem 3. Oktober zu suchen.

Bill Clinton hatte die Militärmission geerbt. Sein Amtsvorgänger George Bush hatte 1992 US-Marines am Strand von Mogadischu landen lassen. Schon immer war Somalia ein extrem armes Land gewesen, dessen Bevölkerung als Nomaden über karges Weideland zog.

Nun hatte eine schreckliche Hungersnot den Staat ergriffen, nachdem zwei rivalisierende Flügel derselben Rebellenorganisation Vereinigter Somalischer Kongress (USC) sich um das Erbe des verjagten Diktators Mohamed Said Barre stritten. Mehr als eine halbe Million Menschen kam in der Dürre von 1992 ums Leben.

Die langjährige sozialistische Herrschaft Barres hatte das bisherige Klansystem ausgehebelt um den Preis, dass der Diktator seine Familienmitglieder überall an privilegierte Positionen gesetzt hatte. Nun drängten die unterdrückten Stämme an die Macht. Somalia hatte als Land aufgehört zu existieren, es war „ein Krieg aller gegen alle“, wie UN- Generalsekretär Boutros-Ghali meinte.

Bill Clinton hatte seinen Wahlkampf im Vorjahr auch mit der Idee einer neuen Weltordnung bestritten. Nachdem der Kalte Krieg zu Ende gegangen war, brachen an den Rändern der alten Einflusssphären blutige Konflikte auf, Staaten zerfielen. Das Weiße Haus unter Bush Sr. hatte darauf keine überzeugende Antwort, fand Clinton. Als im August 1992 auf dem Balkan KZs entdeckt wurden und der Präsident es vermied, die „ethnischen Säuberungen“ der Serben als „Genozid“ anzuerkennen, empörte sich sein Herausforderer: „Wieder einmal ignoriert die Regierung die Verletzung grundlegender Menschenrechte und unserer eigenen demokratischen Werte.“

Völkermord – das hätte eine militärische Intervention unausweichlich gemacht, die Bush für zu riskant hielt. Sein Generalstabschef Colin Powell meinte in einem Artikel der „New York Times“: „Ich werde ein bisschen nervös, wenn so genannte Experten nahelegen, dass lediglich ein kleiner chirurgischer Bombenangriff nötig sei. Wenn das erhoffte Ergebnis nicht erreicht wird, tritt eine neue Expertenriege nach vorne, die für eine begrenzte Eskalation plädiert. Die Geschichte war solchen Ansätzen niemals freundlich gesonnen.“

Bush schickte deshalb seine Truppen nicht auf den Balkan, wo ihm Milizenführer Radovan Karadwic ein „neues Vietnam“ prophezeit hatte. Aber da gab es noch ein anderes Land, das Hilfe dringend benötigte.

Eine Friedensmission wird zur Menschenjagd

Eine Menschenmenge in Mogadischu jubelt über den Tod der US-Soldaten. Mehr als 1000 Somalis kamen bei dem Gefecht um.
Eine Menschenmenge in Mogadischu jubelt über den Tod der US-Soldaten. Mehr als 1000 Somalis kamen bei dem Gefecht um.

© AFP

GOTTES WERK

Der UN-Sicherheitsrat beschäftigte sich schon eine Weile mit Somalia. Eine Resolution war folgenlos geblieben. Nun schritten die Amerikaner ein und führten ein internationales Heer von annähernd 40 000 Mann ans Horn von Afrika, auch die Bundeswehr beteiligte sich mit einem Unterstützungsverband. Bush erklärte, dass die Amerikaner „Gottes Werk“ vollbringen würden. „Doch die Bush-Regierung schätzte die Wirkung falsch ein, die von der US-Army ausgehen würde“, schreibt der Publizist William Shawcross. „In einem Land, das keinerlei Institutionen mehr besaß, ersetzte die massive Militärpräsenz den Staat. Bevor die Army sich wieder zurückziehen konnte, musste sie staatliche Strukturen aufbauen, die ihre Anwesenheit überdauern würden. Das war unmöglich.“

Zwar verhinderte die Militärintervention den Hungertod vieler Hunderttausender, doch übertraf Clintons Glaube an das Gute den seines Vorgängers sogar noch, als er im Mai 1993 sagte, die Mission sei „beendet“. Er und die UN hatten die Rechnung ohne Klanführer Mohamed Farrah Aidid gemacht.

Der „General“, wie er sich nannte, betrachtete den Krieg als Überlebenskampf seines Stammes. Deshalb torpedierte er die von den UN angestrebte All-Parteien-Koalition, während ihm gleichzeitig die Hilfslieferungen als Einnahmequelle dienten. Kaum dass die US-Marines abgezogen waren und an ihre Stelle die Armeen von Entwicklungsländern traten, ließ er Versorgungskonvois angreifen, Sprengfallen legen. Mit jeder Kugel, die einen Somali daraufhin tötete, kippte die Stimmung ein bisschen mehr. Die Helikopter flogen beängstigend dicht über die Köpfe der Menschen hinweg, wirbelten Sand über Marktplätzen auf. Aidid dagegen wandte sich an das Volk mit einem eigenen Radiosender.

Anfang Juni rückte ein pakistanischer Blauhelm-Trupp zu einer überraschenden Inspektion von Radio Aidid aus, was einen Aufstand provozierte. 26 Soldaten wurden getötet. Da man Aidid für die Tat verantwortlich machte, gab es von nun an nur ein Ziel: den Warlord zu fangen.

Eine Friedensmission als Menschenjagd – das war eine verwegene Auslegung der Resolution 837. Mit diesem Schritt schlugen sich die USA in diesem Bandenkrieg auf eine Seite. Und Aidid war ein Meister darin, sie an ihrer empfindlichen Stelle zu treffen, ihrer moralischen Überlegenheit. Als der US-Befehlshaber in Somalia Steckbriefe des Rebellen in der Stadt aufhängen ließ und eine Belohnung von 25 000 Dollar auf dessen Kopf aussetzte, antwortete Aidid am nächsten Tag mit Plakaten, auf denen der amerikanische General abgebildet war.

DIE JAGD

Weil die Lage immer brenzliger wurde, entsandte Clinton Eliteeinheiten der Army, die wie die Delta Force für Geheimdienst-Operationen trainiert waren. Aber zum Zeitpunkt des Eintreffens von Army Rangern und Delta Force war Aidid schon seit einer Woche nirgendwo mehr gesehen worden. Er war abgetaucht und blieb es auch. So wurde die Suche auf Aidids Stellvertreter ausgedehnt.

Scott Peterson wurde Zeuge einer solchen Operation. Der Korrespondent des "Daily Telegraph" ließ sich von seinem Fahrer noch im Lärm der Attacke zu dem Haus kutschieren, das die Amerikaner in nur 17 Minuten mit 16 TOW-Raketen und über 2000 Schuss eingedeckt hatten. Er kam an, als der Spuk gerade wieder vorbei war. Wie er in seinem Buch "Me against my Brother" schildert, sah er sich von einer aufgebrachten Menge umringt, die aus den umliegenden Häusern strömte, nach seiner Kamera griff, an ihm zerrte, ihn niederwerfen wollte. Er wollte sich losreißen, "als ein Junge mit einer 18-Zoll-Klinge vor meinem Gesicht herumfuchtelte, und während ich sie abwehrte, krachte eine Machete in meinen Kopf, mein Arm wurde wieder und wieder getroffen. Die Menge bedrängte mich mehr und mehr. Ich kämpfte, dies war nie mein Krieg gewesen, aber diesmal war ich zu weit gegangen. Ich hatte die Linie überschritten, die einen Beobachter von Killern und Opfern trennt."

Am Mittag des 3. Oktober berichteten Quellen, dass sich Mitglieder von Aidids Kriegskabinett in einem Haus in jenem Teil der Stadt aufhielten, der allgemein als „schwarzes Loch“ bekannt war und von Aidids Milizen kontrolliert wurde. Operation Irene sollte 30 Minuten dauern, man wollte mit Hubschraubern einschweben, in das Gebäude eindringen, die Verdächtigen festsetzen und in einer Humwee-Kolonne wegschaffen.

Aidids Milizen hatten das Angriffsschema der US-Operationen studiert. Sie wussten, dass Zugriffe aus der Luft erfolgten und dass mehrere Hubschrauber zur Sicherung über dem Einsatzort kreisen würden. Man musste nur einen davon vom Himmel holen. Als ein Granatwerfer um 4.20 Uhr den Heckrotor einer der vier Helikopter traf, die in Lauerstellung ausharrten, und er zu Boden krachte, zeigte sich die Schwäche des amerikanischen Konzepts. Es gab keinen Plan B.

Der Black Hawk war auf einer Straßenkreuzung niedergegangen, zwei Verwundete konnten sofort geborgen werden. Doch die beiden toten Piloten und zwei weitere Schwerverletzte waren in den Trümmern eingeschlossen. Sie zu bergen, erforderte Spezialwerkzeug – und Zeit. Die hatte man nicht. Aus allen Ecken des Viertels drängte eine bewaffnete Menge heran. Um sie auf Abstand zu halten, reichte die Feuerkraft der kleinen, mobilen US-Truppe nicht aus. Eine Belagerung widersprach außerdem allem, worauf sie vorbereitet war. Hätten sich die Ranger zurückziehen sollen?

IM SCHWARZEN LOCH

„Das ist wahrhaftig Indianerland“, hatte ein US-General gewarnt. Denn Mogadischu hatte sich in den größten Waffenmarkt Afrikas verwandelt, und die Klanchefs bezahlten ihre Milizen mit Kat. Die Droge, die gut gegen Hunger und Müdigkeit ist, gab Leuten eine Aufgabe, die sonst in irgendeinem Flüchtlingslager versauert wären. Kämpfer waren sie ohnehin, das hatte der Bürgerkrieg besorgt. Kat verringerte ihre Furcht. So bekamen es die Ranger mit einer enthemmten Soldateska zu tun, die nur auf diesen Moment gewartet hatte.

Mit einbrechender Dunkelheit bildeten 100 Ranger einen Ring um die Absturzstelle, um auf Hilfe zu warten. Aber wer hätte sie ihnen geben können? Aidid hatte den Südteil der Stadt durch Straßensperren und Barrikaden abgeriegelt. Und der schwarze Rauch brennender Autoreifen nahm den Helikoptern die Sicht.

Es war nur ein Kontingent pakistanischer und malaysischer Einheiten in der Nähe, aber die wussten nichts von dem US-Vorstoß, als der längst begonnen hatte. Die Amerikaner hatten einen eigenen, geheimen Befehlskanal aufgebaut, von dem die anderen Akteure der Friedensmission ausgeschlossen blieben.

Und dann stürzte der nächste Black Hawk ab. Zwei Meilen südlich vom ersten. Zwei Scharfschützen seilten sich zu dem Wrack ab, fanden den Piloten schwer verletzt und lieferten sich ein Feuergefecht mit den Somalis, bis ihnen nach 45 Minuten die Munition ausging. Beide wurden getötet. Ihre verstümmelten Körper sollten schließlich durch die Straßen geschleift und triumphierend zur Schau gestellt werden.

„Man konnte die Aufregung der Menge spüren, die dich umbringen wollte“, sagte ein Beteiligter hinterher. „Ich wollte irgendwann nur einfach nicht mehr, dass die Leute in meine Richtung schrien.“ Dass Ranger und Delta Force nicht überrannt wurden, verdankten sie der Luftunterstützung. Die ganze Nacht über flogen Hubschrauber Angriffe auf umliegende Dächer, attackierten Gruppen, die sich auf einen Sturm vorbereiteten. Die Patronenhülsen rasselten auf die Metalldächer wie ein Regenschauer.

In der Zwischenzeit versuchten die US-Kommandeure, eine Rettungsmission auf die Beine zu stellen. Als sich noch am frühen Abend 140 Ranger zu den Eingeschlossenen auf den Weg zu machen versuchten, stießen sie auf so heftiges Feuer, dass sie den Vorstoß abbrachen. Sie brauchten gepanzerte Fahrzeuge.

Tatsächlich hatten die US-Kommandeure erst Wochen zuvor dringend um Panzer-Unterstützung im Pentagon gebeten. Doch ihr Wunsch war von Verteidigungsminister Les Aspin als zu teuer abgelehnt worden. So waren, als es nun darauf ankam, lediglich vier alte Panzer verfügbar, die den Pakistanis gehörten. Sie standen am Flughafen, während der Rest des Kontingents im Norden wartete. Erst um 23.20 Uhr war der Rettungskonvoi aus M-48-Panzern und malaysischen Mannschaftswagen zusammengestellt. Es ging langsam voran, weil die Panzerbesatzungen an der Spitze in der Nacht nichts sehen konnten. Nach drei Stunden waren sie da. Dann zerrann die Zeit in dem Bemühen, die zerschmetterten Körper aus dem Wrack des Black Hawk zu schneiden. Schließlich war nicht genug Platz in den Transportfahrzeugen, einige Delta-Force- Leute und Ranger mussten bis zum Fußballstadion rennen, das allen als Zuflucht dienen sollte, was als die „Mogadischu- Meile“ berüchtigt wurde.

Bin Laden bezeichnete Mogadischu damals als "größten Sieg"

RÜCKZUG VON ALLEN LINIEN

Das erste politische Opfer war Les Aspin. Der Präsident drängte seinen Pentagon-Chef zum Rücktritt, es sah in der Öffentlichkeit einfach zu dumm aus, dass der keine Panzerfahrzeuge nach Somalia beordert hatte. Er selbst meinte in einer Fernsehansprache, dass man niemandem den Frieden bringen könne, der das nicht wolle.

Black-Hawk-Pilot Michael Durant war zehn Tage in Aidids Obhut. Er hörte, wie seine Kameraden das Haus überflogen, in dem er festgehalten wurde, und über Lautsprecher zu ihm sprachen: „Wir lassen dich nicht zurück.“ Schließlich wurde ein Lösegeld gezahlt, und er kam frei.

„Mogadischu-Linie“ – das entwickelte sich in Washington zur Chiffre für eine humanitäre Mission, die zu einem Kampfeinsatz mutiert. Der Begriff steht für die Erkenntnis, dass man schlimme Zustände schnell noch viel schlimmer machen kann. Künftig war es unbedingt zu vermeiden, diese Linie abermals zu überschreiten, „koste es, was es wolle“, wie ein Mitarbeiter Clintons im Weißen Haus damals sagte. „In dem Bemühen, sich von der Mogadischu-Linie zurückzuziehen“, schreibt Shawcross, „zog sich Clinton von allen Linien zurück.“ US-Truppen würden für UN-Einsätze nicht mehr zur Verfügung stehen.

Osama bin Laden sollte Mogadischu als „größten Sieg“ bezeichnen, obwohl seine damals noch schwache Al Qaida kaum Anteil an dem Geschehen in Somalia hatte. Dennoch wurde dem Terrorführer vor Augen geführt, wie verletzlich die USA waren. „Die Bilder der toten Soldaten waren Bomben“, sagt Bestsellerautor Mark Bowden, „die in den USA explodierten.“

Die fatalen Konsequenzen zeigten sich schon bald – in Haiti. Dort war der gewählte Präsident Jean-Bertrand Aristide bei einem Militärputsch abgesetzt worden. Die UN hatten ein Öl- und Waffen-Embargo verhängt, worauf eine Vereinbarung mit dem Militärregime über die Stationierung eines kleinen UN-Aufgebots zustande kam. Am 11. Oktober 1994 erreichte eine erste Abordnung von 200 US-Soldaten und 25 Kanadiern den Hafen von Port-Au-Prince. Ihr Schiff wurde empfangen von einer aufgebrachten Menschenmenge, angeführt von den berüchtigten haitianischen Terrorschergen Tonton Macoute. Sie stießen Drohungen aus und entrollten ein Banner, auf dem zu lesen war: „Wir verwandeln das hier in ein zweites Somalia“.

Die Clinton-Regierung beorderte das Schiff umgehend zurück, worauf sich die Gewalt an Land ungehindert ausbreitete und viele Tausend Menschenleben kostete.

Ohne die Mogadischu-Erfahrung, die die USA bis heute sehr zurückhaltend mit innerstaatlichen Konflikten umgehen lässt, hätte Afrika in den folgenden Jahrzehnten vielleicht nicht so viel Terror erlebt. In Somalia setzte eine Warlordisierung und Zersplitterung des Landes ein, die eine staatliche Autorität bis heute unmöglich macht. Noch blutiger waren die Folgen für Ruanda. Der Genozid an den Tutsi, der sich im April 1994 innerhalb weniger Tage anbahnte, hätte ein schnelles Eingreifen internationaler Truppen erfordert. Doch lediglich ein paar Blauhelm-Soldaten sahen hilflos zu, wie die Hutu-Bevölkerung eine Million ihrer Nachbarn mit nichts anderem als Macheten, Stangen, Messern und bloßen Händen massakrierte.

Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 verblasste der Schrecken des Mogadischu-Traumas. Der Fokus der US-Außenpolitik liegt seither auf dem Anti-Terror-Kampf, und der orientiert sich nicht an humanitären Zielen. Trotzdem wirken die Lehren aus dem Mogadischu-Debakel nach. Etwa in dem Zögern Präsident Obamas, der zwar eine „Rote Linie“ für Giftgasangriffe in Syrien zog, aber der Ankündigung keine Konsequenzen folgen ließ. Syrien entsprach zu sehr Somalia.

Um Krieg auch unter den unübersichtlichen Bedingungen eines failed state führen zu können, setzen die USA heute auf die Dienste privater Sicherheitsfirmen. Diese unterhalten Basen auch in Somalia, wo Teile des Landes unter den Einfluss der islamistischen Terrormiliz Al Shabab geraten sind. Wieder findet eine Jagd statt. Diesmal mit Drohnen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false