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 Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät davon ab, zur Gewichtskontrolle auf zuckerfreie Süßstoffe zu setzen.

© dpa/Jens Kalaene

Warnung vor Süßstoff: WHO-Agentur will Aspartam als möglicherweise krebserregend einstufen

Laut Insider-Informationen will die WHO-Krebsforschungsagentur IARC Mitte Juli einne neue Einschätzung zu dem Süßstoff Aspartam abgegen. Die europäische Lebensmittel-Behörde hält die Substanz hingegen für unbedenklich.

Die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO will Insidern zufolge den Süßstoff Aspartam als „möglicherweise krebserregend“ einstufen. Die Entscheidung, die nach einer Sitzung externer Experten der Gruppe getroffen wurde, solle im Juli bekanntgegeben werden, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von zwei mit der Sache vertrauten Personen. Dabei wird nicht berücksichtigt, wie viel von einem Produkt ein Mensch gefahrlos zu sich nehmen kann.

Die Ratschläge für Einzelpersonen stammen von einem separaten WHO-Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe, dem JECFA, sowie von den nationalen Regulierungsbehörden. Auch der JECFA prüft die Verwendung von Aspartam und will seine Ergebnisse am 14. Juli, am Tag der Veröffentlichung der IARC-Einschätzung, bekannt geben.

Das kalorienarme Süßungsmittel Aspartam ist in Europa für die Verwendung als Tafelsüßstoff und als Lebensmittelzusatzstoff in Nahrungsmitteln zugelassen – etwa in Getränken, Desserts, Süßwaren, Milchprodukten, Kaugummi, kalorienreduzierten Produkten und Erzeugnissen zur Gewichtskontrolle.

Laut Europäischer Behörde unbedenklich

Das Süßungsmittel wird seit Jahrzehnten umfassend untersucht. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA gilt Aspartam aufgrund eingehender Sicherheitsbewertungen als unbedenklich für den menschlichen Verzehr. Im vergangenen Jahr zeigte eine französische Studie mit 100.000 Erwachsenen, dass Menschen, die größere Mengen an künstlichen Süßstoffen – einschließlich Aspartam – konsumierten, ein leicht erhöhtes Krebsrisiko hatten.

Sie folgte auf eine Studie des Ramazzini-Instituts in Italien aus den frühen 2000er Jahren, in der berichtet wurde, dass einige Krebsarten bei Mäusen und Ratten mit Aspartam in Verbindung gebracht wurden. Die erste Studie konnte jedoch nicht nachweisen, dass Aspartam das erhöhte Krebsrisiko verursacht, und die Methodik der zweiten Studie wurde in Frage gestellt, auch von der EFSA, die die Studie bewertet hat.

Der separate WHO-Sachverständigenausschuss JECFA sieht den Verzehr von Aspartam innerhalb der akzeptierten Tagesmengen seit 1981 als sicher an.

© IMAGO/Zoonar/imago stock

Die IARC erklärte, sie habe bei ihrer Überprüfung im Juni 1300 Studien bewertet. Der JECFA sieht den Verzehr von Aspartam innerhalb der akzeptierten Tagesmengen seit 1981 als sicher an. So müsste ein Erwachsener mit einem Gewicht von 60 Kilogramm jeden Tag zwischen zwölf und 36 Dosen Diätlimonade trinken – abhängig von der Aspartammenge im Getränk – um gefährdet zu sein.

Diese Einschätzung wird von nationalen Regulierungsbehörden weitgehend geteilt, auch in den USA und Europa. Ein IARC-Sprecher sagte, dass die Ergebnisse der IARC und des JECFA-Ausschusses bis Juli vertraulich seien. Die Entscheidung der IARC könnte eine erneute Debatte über die Sicherheit von Süßstoffen, aber auch über die Rolle der Krebsforschungsagentur auslösen.

Kritik an Einschätzungen

Deren Einschätzungen können großen Einfluss haben, standen in der Vergangenheit aber auch als verwirrend für die Öffentlichkeit unter Kritik. Die Folgen einer solchen Einstufung bekam der deutsche Bayer-Konzern schwer zu spüren, der den Glyphosat-Entwicklung Monsanto übernahm und sich damit eine Klagewelle in den USA einhandelte. Behörden weltweit haben den Unkrautvernichter als nicht krebserregend eingestuft. Allein IARC bewertete ihn 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“. Auf diese Einschätzung beriefen sich die Kläger.

Die IARC hat insgesamt vier verschiedene Klassifizierungsstufen – krebserregend, wahrscheinlich krebserregend, möglicherweise krebserregend und nicht klassifizierbar. Die Stufen basieren auf der Stärke der Beweise und nicht darauf, wie gefährlich eine Substanz ist. In die Kategorie „wahrscheinlich krebserregend“ stuft die IARC rotes Fleisch, heiße Getränke über 65 Grad ein oder etwa Nachtarbeit. Die mit der Benutzung von Mobiltelefonen verbundenen „hochfrequenten elektromagnetischen Felder“ werden als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft.

Der Internationale Süßstoffverband ISA wies darauf hin, dass die IARC kein Gremium für Lebensmittelsicherheit sei. Die Bewertung von Aspartam sei wissenschaftlich nicht umfassend und stütze sich „in hohem Maße auf weithin diskreditierte Forschungsergebnisse“.

Der Internationale Rat der Getränkeverbände ICBA äußerte die Sorge, dass die Einschätzung Verbraucher unnötigerweise dazu verleiten könnte, mehr Zucker zu konsumieren, anstatt sich für sichere zuckerfreie oder zuckerarme Alternativen zu entscheiden.

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