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Spricht seit Anfang des Jahres für die Waldeigentümer: Hans-Georg von der Marwitz ist selbst Waldbesitzer und Öko-Bauer in Brandenburg.

© Stefan Weger

Vor dem Waldgipfel in Berlin: Deutschlands Waldmeister

Hans-Georg von der Marwitz ist Cheflobbyist der Forstbesitzer. Sein bestes Argument: Geht’s dem Wald besser, dann auch dem Klima.

Hans-Georg von der Marwitz ist viel unterwegs in diesen Tagen. „Ich komme aus dem Wald kaum heraus“, sagt er. Was für viele Menschen nach einem paradiesischen Zeitvertreib klingt, ist für den Waldpräsidenten derzeit eher ein Albtraumtrip. „Unsere Wälder leiden. Aufgrund der Dürre und der Folgeschäden sterben viele Baumarten ab“, warnt er. In den vergangenen zehn Wochen war von der Marwitz in acht Bundesländern. Überall dasselbe Bild: „Eichen, Buchen, Fichten und Kiefern sind massiv geschädigt“.

Nadelbäume ohne Rinde: Der Borkenkäfer richtet große Schäden an.
Nadelbäume ohne Rinde: Der Borkenkäfer richtet große Schäden an.

© ZB

Ein Drittel Deutschlands ist von Wald bedeckt. Der Wald ist Sehnsuchtsort für Menschen, Lebensraum für Tiere, Holzlieferant und ein riesiger Speicher für Kohlendioxid. Doch Dürre, Stürme, Brände und Schädlinge setzen den Bäumen zu. Von den 11,4 Millionen Hektar Wald sind 110.000 Hektar vertrocknet. In den Wäldern liegt jede Menge totes Holz, das kein Sägewerk haben will.

Den gestressten, durstigen Fichten macht der Borkenkäfer den Garaus, die jungen Triebe werden von den Rehen angeknabbert. Der Wald braucht Hilfe. Darin sind sich alle einig – Naturschützer, Waldeigentümer, Förster und die Politik. Fragt sich nur, wie die aussehen soll. Am 25. September will Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) auf ihrem Waldgipfel diese Fragen klären: Wie kann man den Wald klimafreundlich umbauen, wie viel Geld ist nötig, wer bekommt es?

Einer der zentralen Akteure ist von der Marwitz. Seit Anfang des Jahres ist der 58-Jährige Präsident des Waldeigentümerverbands AGDW. Er löste Philipp zu Guttenberg ab, der sich nach dem Tod des Vaters um den elterlichen Forstbetrieb in Franken kümmern musste.

Gipfeltreffen: Bundesagrarministerin Julia Klöckner lädt am 25. September zum Waldgipfel nach Berlin.
Gipfeltreffen: Bundesagrarministerin Julia Klöckner lädt am 25. September zum Waldgipfel nach Berlin.

© dpa

Auch von der Marwitz ist Waldbesitzer, sein Forst liegt dort, wo seine Familie – alter brandenburgischer Adel – ihre Wurzeln hat: im ostbrandenburgischen Friedersdorf. Dort gehören ihm ein Öko-Bauernhof und 110 Hektar Wald. Das Land hat er nach der Wende gekauft, Restitutionsansprüche für den nach dem Krieg enteigneten Familienbesitz wollte er nicht stellen. Dass der Wald leidet, sieht er auch vor seiner Haustür. „Meinem Wald geht es ausgesprochen schlecht“, berichtet er.

Wenn der gelernte Landwirt nicht auf Dienstreise im Wald ist, pendelt er zwischen Brandenburg und Berlin. Seit 2009 sitzt von der Marwitz für die CDU im Bundestag. Am Rednerpult sieht man ihn eher selten. „Ich muss mich nicht nach vorne drängeln“, sagt er. „Ich spreche, wenn meine Themen dran sind“. Seine Themen, das sind die Landwirtschaft und der Wald. Politisch ist er dort präsent, wo die wichtigen Entscheidungen fallen: im Landwirtschaftsausschuss.

Einer von ihnen: Hans-Georg von der Marwitz sitzt für die CDU im Bundestag.
Einer von ihnen: Hans-Georg von der Marwitz sitzt für die CDU im Bundestag.

© imago images / Christian Spicker

Von der Marwitz ist ein groß gewachsener Mann mit tiefen Wurzeln. Wäre er ein Baum, wäre er vielleicht eine Eiche. Sein Gesicht ist gebräunt, man sieht ihm an, dass er viel an der frischen Luft ist. „Ich bin Ökobauer und überzeugter Waldbesitzer“, sagt der vierfache Familienvater. Glaubt man Abgeordnetenwatch, zahlt sich das aus. Der Landwirt gehört zu den Topverdienern in der Volksvertretung. Seit der Bundestagswahl hat er Nebeneinnahmen von über 1,2 Millionen Euro erzielt, das ist Platz zwei im Ranking der besten Nebenverdiener.

Ist von der Marwitz Topverdiener? Er sagt, nein.

Doch das Bild ist schief. Denn bei Abgeordneten, die Unternehmer sind, werden nicht die Gewinne ausgewiesen, sondern die Umsätze. Bei von der Marwitz sind es die Roheinnahmen aus dem Ökobetrieb, seine Betriebskosten bleiben außen vor. Ihn ärgert das. „So wird eine Neidkultur aufgebaut“, sagt er, „das empfinde ich als unfair“.

Der Waldpräsident sieht sich als Bewahrer. Der Schutz des Waldes und des Bodens ist für ihn nicht nur eine wirtschaftliche Frage. Man erntet, was die Großeltern gepflanzt haben, und pflanzt für seine Enkel. „Mein Herzblut hängt an der Land- und Forstwirtschaft“, sagt von der Marwitz und zitiert dann aus Goethes Faust: „Was du ererbt von deinen Vätern hast ...“.

Doch was sollen er und die anderen Waldbesitzer pflanzen, damit auch deren Kinder und Enkel noch ernten können?

Generationenvertrag: Was man heute pflanzt, ernten die Kinder oder die Enkel.
Generationenvertrag: Was man heute pflanzt, ernten die Kinder oder die Enkel.

© Getty Images/iStockphoto

Der Wald seiner Kinder könnte ein Multi-Kulti Wald sein, in dem sich die japanische Lärche, die nordamerikanische Küstentanne, die Douglasie und die türkische Haselnuss Stamm an Stamm gegen den Klimawandel stemmen. Doch bevor überhaupt an die Wiederaufforstung gedacht werden kann, muss erst das tote Schadholz weg.

Für das Aufräumen und das Aufforsten veranschlagt von der Marwitz 2,3 Milliarden Euro. Das ist rund viermal so viel wie bislang an Bundesmitteln vorgesehen ist. Weiterer Vorschlag: In Dürrezeiten soll der Staat aufhören, Bäume in den staatlichen Forsten zu schlagen, um den Privaten nicht in die Quere zu kommen.

Umweltschützer wettern gegen den deutschen Plantagenwald

Umweltschützer haben aber ganz andere Vorstellungen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz will „naturnahe Laubmischwälder“, das tote Holz soll als CO2-Speicher im Wald liegen bleiben. Deutschlands prominentester Förster, Peter Wohlleben, wettert gegen den „Plantagenwald“ mit seinen Nadelholz-Monokulturen und rät dazu, den Wald einfach mal in Ruhe zu lassen. Das Bundesumweltministerium möchte fünf Prozent der Waldfläche zu Urwald machen.

Die Waldeigentümer halten das für Unsinn – auch unter Klimagesichtspunkten. 52 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente speichert der Wald, die besten Klimaspeicher sind Bäume zwischen 20 und 60 Jahren.

Für ihre Klimaleistung, findet von der Marwitz, müssten die Waldbesitzer belohnt werden: Sollte der Ausstoß von Klimagasen eines Tages finanziell bestraft werden, wollen die Waldbesitzer ein Stück vom Kuchen. Sie gehören zu den ersten, die vom Klimawandel betroffen sind. Von der Marwitz fordert einen „Pakt für den Wald“, jenseits von Partei- oder Verbandsinteressen.

Wenig Geld fürs Holz: Die Preise sind im Keller.
Wenig Geld fürs Holz: Die Preise sind im Keller.

© picture-alliance/ dpa

Dazu gehört auch, in Deutschland künftig mehr Holz zu verbauen. Ministerin Klöckner ist dafür, die SPD-Bundestagsfraktion auch. Den Waldeigentümern, deren „Sparkasse“ der Wald ist, wie von der Marwitz sagt, würde das helfen. Die Holzpreise sind nämlich im freien Fall. Gerade einmal 35 Euro gibt es derzeit für den Festmeter, vor zwei Jahren waren es noch 90 bis 110 Euro.

Waldbesitzerin: Gloria Fürstin von Thurn und Taxis gehört zu den ganz großen Waldeigentümerinnen in Deutschland.
Waldbesitzerin: Gloria Fürstin von Thurn und Taxis gehört zu den ganz großen Waldeigentümerinnen in Deutschland.

© DPA

Der Preisverfall trifft auch die alten Adelsfamilien. Die großen privaten Waldbesitzer haben klingende Namen. Mit knapp 20 000 Hektar ist die Familie Thurn und Taxis der größte private Waldbesitzer in Deutschland. Der typische deutsche Waldbesitzer sieht allerdings anders aus.

"Während andere an der Adria waren, war ich im Wald"

Von den über zwei Millionen Eigentümern besitzen die meisten nur kleine Flächen von bis zu 20 Hektar. Jedes Jahr kommen 65 000 neue hinzu, weil sie Wald erben. Viele der neuen Forstbesitzer leben in der Stadt. Da ihnen oftmals die Möglichkeiten fehlen, sich um die Bäume zu kümmern, wirbt von der Marwitz dafür, sich einer Forstgemeinschaft anzuschließen, die die Waldpflege übernimmt. „Eigentum verpflichtet“, sagt er.

Die aktuelle Krise im Wald ist für viele dieser Betriebsgemeinschaften allerdings eine gewaltige Herausforderung. Von der Marwitz fordert daher, den Kleinprivatwald mehr zu unterstützen.

Sein eigenes Leben ist eng mit dem Wald verbunden. Von der Marwitz ist mit fünf Geschwistern im Allgäu aufgewachsen, der Vater war Pfarrer. Die Schulferien verbrachten die Kinder auf dem Maienhof der Eltern und im Wald. Sie mussten die Haupttriebe teeren, um Tiere abzuhalten, oder beim Dachdecken helfen. „Während andere an der Adria waren, war ich im Wald“, erinnert sich von der Marwitz. Ein Vergnügen war das nicht immer. So wenig wie die Waldexkursionen, die er heute macht.

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