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Shabby Chic: Das "The Grand" gleich hinterm Kino Babylon in Mitte ist eine beliebte, viel gebuchte Event-Location und ein bekanntes Szenerestaurant.

© The Grand / promo

Von TISCH zu TISCH - Die Restaurantkritik: The Grand

Das bekannte Szenerestaurant mit guter Küche ist eine beliebte Location in Mitte – mit ein paar Problemen im Service.

Ursprünglich war „The Grand“ angetreten, das neue „Borchardt“ zu werden oder so was in der Art: hippes Szenerestaurant mit ordentlicher Küche fürs internationale Publikum. Der Rahmen einer ehemaligen Armenschule in Mitte mit rohen Backsteinwänden ist ja auch ideal, très Berlin. Im Restaurant strahlt noch der riesige exaltierte Leuchter, aber die Teppiche sind besonders Richtung Keller inzwischen doch ein bisschen abgewetzt von den langen Clubnächten, die dort eben auch stattfinden, auch im Rahmen vieler Events. Gründungs-Grande und Fleischspezialist Tilo Roth ist vor einiger Zeit zurückgekehrt in die Küche, um das Restaurant weiter voranzubringen.

Ein Vorteil ist die Terrasse unter einer großen Markise und der berankte Hof, der in dieser Jahreszeit jenes lässig urbane Ambiente bietet, das dem Gebäude von 1842 mit seinem Shabby Chic manchmal fehlt.

Die Sache mit den Pärchen

Durchstarten mit Bewährtem ist kein schlechter Gedanke. Unter den Vorspeisen ist die lauwarme Artischocke mit einer Caponata-Füllung und drei Dips aus Balsamico, Oliven und Minze als Dauerbrenner eine gute Wahl (14 Euro). Neu sind die Vorspeisen-Tabletts, wo man sich aus einer kleinen Liste jeweils zwei Schälchen in der Größe eines tiefen Löffels aussuchen kann. Man muss sich aber auf die jeweiligen Pärchen einigen, es geht nicht, dass man sich bei einer Vorspeise trennt und etwas jeweils anderes nimmt. „Warum nicht?“, wollte ich von der Kellnerin wissen. „Das ist die am häufigsten gestellte Frage“, sagte sie. „Aber das macht die Küche nicht.“ Man kann aus der Liste leider auch keine einzelne Vorspeise nehmen – mich hätte etwa der Zarenlachs gereizt. Mir erschloss sich nicht, warum man damit nicht flexibler umgehen kann. Sehr gut war der junge Wildkräutersalat mit einer dekorativen Himbeeressig-Girlande auf dem Teller, mit Erdbeeren und Walnüssen und einem köstlich fruchtigen Geschmack (11 Euro).

Es lebe das Gemüse

Die Fleischmode ist hier noch in vollem Schwung, der Southbend-Grill immer noch vorhanden, und das spiegelt sich auch in der aktuellen Karte. Das Roastbeef kam im klassischen Cut, allerdings, anders als gewünscht, nicht medium, sondern fast roh, zwar außen gut gewürzt, innen aber ohne den schönen Eigengeschmack, den das Fleisch von grasgefütterten Rindern oft mit sich bringt. Leider war es auch sehnig, also kein wirklicher Genuss (250 Gramm= 26,50 Euro). Die großzügige Portion Béarnaise konnte es nicht rausreißen, auch ihr fehlte der kleine Extrakick, der hohe Küche unterscheidbar macht von gut gemeinter Hausmannsküche (4,50 Euro). Viel besser gefiel uns der vegetarische Teil des Dinners. Absolut köstlich waren die Ziegenkäse-Rhabarber-Ravioli mit Bärlauch und Pinienkernen auf grünem Spargel. Hübsch anzusehen waren die großen Teigblüten, dazu schmeckten der in feine Stifte geschnittene säuerliche Rhabarber und die kräutrige Ziegenkäsefüllung (22 Euro).

Hallo, Service!

Auch der Himbeer-Cheesecake mit Rhabarberkompott und Holunderblüteneis war gut gelungen mit festem Teig und fruchtiger Decke (10 Euro). Die Weinkarte ist immer noch gut sortiert. Dass die Kellnerin darin suchen musste, um einen dann aber wirklich guten und günstigen Rosé von der Mosel zu finden, passte ins Bild (6 Euro). Auch dass der ansonsten gut passende weiße „Kopfstand“ vom rheinhessischen Weingut Lorenz weder in Reichweite stand noch aktiv nachgeschenkt wurde, zeigt, dass manches noch ausbaufähig ist (36 Euro). Insgesamt könnte der Service angesichts des anspruchsvollen Preis-Leistungs-Verhältnisses etwas freundlicher, schneller und hilfsbereiter werden. Vielleicht müssten auch einfach nur mehr Leute im Einsatz sein. Immerhin war es ziemlich voll. Der Ruf als Szenerestaurant hat eben auch seine Tücken.

- The Grand, Hirtenstr. 4, Mitte, Tel. 27 89 09 95 55, täglich ab 19 Uhr, Lunch Mo–Fr außer an Feiertagen 12–15 Uhr

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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