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Vernetzte Welt. Die großen Chancen von 5G liegen vor allem in der digitalen Industrie 4.0.

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Vernetzung mit 5G: Internet der fünften Generation

Bei der Grundlagen- und Anwendungsforschung arbeiten TU- und Fraunhofer-Institute in Berlin eng zusammen - gut für die Entwicklung von 5G.

Die Nerven liegen blank. 5G, das superschnelle Internet der fünften Generation, tausendmal schneller als bisher, steht vor der Tür. 5G gilt als Schlüsseltechnologie, als Katalysator der digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, als „Gold der Zukunft“. Am Start reihen sich bereits die Mobilfunkkonzerne aus aller Welt auf. Sie konkurrieren darum, wer künftig auf diesen Datenautobahnen mit welcher Technik unterwegs ist, um Netzausbau und um Frequenzen, die die Bundesnetzagentur im Frühjahr versteigern will. Deutschland soll zum Leit-Markt für 5G-Anwendungen werden, fordert die Bundesregierung in ihrer 5G-Strategie. Und Berlin spielt technisch ganz vorn mit. Mit ihrer hohen Dichte an gut vernetzten Forschungseinrichtungen besitzt die Stadt ein hervorragendes Know-how im Bereich Industrie 4.0 und 5G-Technologie. Dazu trägt insbesondere die enge Verbindung der TU Berlin mit fünf Fraunhofer-Instituten bei.

Mehr als die Hälfte der Deutschen geht mittlerweile mit ihren derzeit 60 Millionen Smartphones und 25 Millionen Tablets ins Internet. Doch die fünfte Mobilfunk-Generation 5G kann viel mehr als Telefonie, Mails und Co.

Film-Download in fünf Sekunden

„Mit 5G setzen wir einen Meilenstein in der Vernetzung“, sagt Netz- und Mobilfunkspezialist Manfred Hauswirth, Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) und TU-Professor. „Daten können durch sehr viel höhere Bandbreiten quasi in Echtzeit übertragen werden.“ Beispielsweise könne 5G einen Film-Download, der 1992 noch 64 Tage gedauert hätte und 2004 noch 38 Stunden, in fünf Sekunden schaffen. „Doch viel wichtiger als reine Bandbreite sind die wirtschaftlichen Potenziale von 5G für die Industrie 4.0, also die durch 5G mögliche Virtualisierung der Netzwerkinfrastruktur, das ‚Netz als Software’, ähnlich wie im Bereich der Cloud“, führt Manfred Hauswirth aus. Thomas Magedanz, ebenfalls TU-Professor, der gleichzeitig im Fraunhofer FOKUS die Abteilung Software-based Networks leitet, ergänzt: „Es wird, so die Prognosen, schon 2020 rund 770 Millionen miteinander kommunizierende Gegenstände in deutschen Haushalten, Produktion, Medizintechnik und Verkehr verbinden.“

Für ihren „5G-Playground“ haben die Forscher Institutsgebäude und Umgebung durch ein sogenanntes Open5GCore-basiertes 5G-Kernnetz mit verschiedenen Antennen, Sensoren und anderen Systemen gespickt. Dort können sie bereits heute demonstrieren, was mit 5G technisch alles möglich ist. Und der Datenstrom schwillt weiter an. 2017 rasten in Deutschland erstmals über eine Milliarde Gigabyte durch die Netze, mehr als doppelt so viele wie 2015. Weltweit werden künftig Milliarden Gegenstände, Sensoren und Maschinen über das Internet intelligent vernetzt sein.

Diese riesigen Datenmengen müssen natürlich gemanagt werden. Und auch hier kann Berlin punkten. Mit dem deutschen Kompetenzzentrum Berlin Big Data Center, das von TU-Professor Volker Markl geleitet wird, ist auch das Wissen um Big Data an der TU Berlin angesiedelt. 7,5 Millionen Euro steckt daher der Bund in die Förderung dieser Forschung (siehe auch Seite B3).

Antennentechnik für blitzschnelle Kommunikation

Besonders wichtig ist das superschnelle Internet für das autonome Fahren, bei dem Autos blitzschnell kommunizieren und auf Gefahren reagieren müssen. Eine hohe Antennendichte muss dafür den zeit- und energieraubenden Weg der Daten durch die Luft, also von der Antenne zum Gerät verkürzen. „Dafür haben wir die MIMO-Antennentechnik entwickelt“, sagt Thomas Wiegand, Spezialist für Nachrichtentechnik und Glasfasertechnologie beim Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) und ebenfalls TU-Professor. „Damit sparen wir sehr viel Energie und vor allem Riesenmengen an unnötiger Strahlung. Mit der sogenannten Antennenkeule können wir in einer Mobilfunkzelle zielgerichtet ein bestimmtes Gerät erreichen. Die Signale treffen nicht mehr, wie bisher, alle in einer Zelle befindlichen Mobilfunkgeräte.“

Grundlagen für die optimale Nutzung des Mobilfunknetzes hat auch der 2015 mit dem Vodafone Innovationspreis ausgezeichnete TU-Nachrichtentechnik- und Informatikprofessor Giuseppe Caire durch die Entwicklung entsprechender Algorithmen geschaffen. Abteilungsleiter im HHI und gleichzeitig TU-Professor ist auch Slawomir Stanczak. Der Elektro- und Nachrichtentechnik-Spezialist erforscht unter anderem Nutzungsmöglichkeiten des Maschinellen Lernens für die Steigerung der Verlässlichkeit und der Effizienz in mobilen Netzwerken.

In einer Innenstadtumgebung werden künftig bis zu 200 000 Geräte pro Quadratkilometer angeschlossen sein: Autos, Maschinen, Computer, Telefone. In einem quer über den TU-Campus aufgebauten „5G-Testfeld“ kann diese Hochgeschwindigkeitstechnologie in solchen Anwendungen getestet werden. Ein Standort ist auch das TU-Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz. Dort sitzen die TU-An-Institute „Telekom Innovation Laboratories“, „Daimler Center for Automotive IT Innovations“ sowie die Forschungseinrichtung DAI-Labor, das „Distributed Artificial Intelligence Laboratory“. Sie verbinden Grundlagenforschung mit dem Wissenstransfer in Wirtschaft und Gesellschaft. Unter anderem entsteht derzeit am DAI-Labor, geleitet von Professor Sahin Albayrak, mitten in Berlin die digital vernetzte Teststrecke für automatisiertes und vernetztes Fahren „DIGINET-PS“. Mithilfe eines dichten Netzes von Sensoren soll mit Autos, Bussen und anderen Fahrzeugen das automatisierte Fahren in seiner ganzen Komplexität abgebildet und getestet werden. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur innerhalb der „Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren“ mit 3,7 Millionen Euro gefördert.

Einmalige Verbindung zwischen Elektrotechnik und Informatik

Um die 5G-Netzinfrastruktur der Hauptverkehrswege Europas zu sichern, damit autonom fahrende Autos und Transporter nicht an den Grenzen Halt machen müssen, forschen außerdem EU-weit 46 Partner im neuen Projekt „5G-Mobix“, von der EU mit 26 Millionen Euro gefördert. Das DAI-Labor der TU Berlin leitet das Projekt in Deutschland. „Die deutschlandweit einmalige Verbindung zwischen Elektrotechnik und Informatik an der TU Berlin und die enge Verknüpfung mit den Fraunhofer-Instituten bieten uns die Chance, an der Spitze der 5G-Technologieentwicklung mitzuspielen“, sagt Manfred Hauswirth. „Durch diese spezielle Konstellation von Forschung, Fachkräfteausbildung und Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft können wir hier die jeweiligen Vorteile von Grundlagenforschung und angewandter Forschung ideal ausspielen.“

„Außerdem bietet Berlin viele Technologie-affine Start-ups sowie die ‚Use-Cases’, die die Technologie zur Weiterentwicklung braucht“, ergänzt Thomas Magedanz. „Partymeilen und Multimedia-Spektakel, die gestreamt und tausendfach live miterlebt werden sollen, bei denen Einsatzkräfte und Geräte koordiniert und in Echtzeit synchronisiert werden müssen, moderne Medizin- und Energie-Anwendungen mit live kommunizierenden Geräten und vieles mehr.“

Tausende von Patenten bereits angemeldet

Trotz des großen Vorsprungs im Know-how müsse Deutschland sich sputen, den Anschluss nicht zu verpassen, betont der TU-Professor für Innovationsökonomie Knut Blind, der mit dem Fraunhofer FOKUS assoziiert ist. Für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erstellt er, zusammen mit dem Start-up „IPlytics GmbH“, das aus seinem Fachgebiet hervorgegangen ist, bis Mitte 2019 ein Gutachten zur 5G-Patentsituation. „Die 5G-Patent-Eigner werden die künftigen Technologie- und Marktführer sein, denn anders als die 3G- und 4G-Patente, die sich vor allem auf die Mobilfunkindustrie bezogen, betrifft 5G die Vernetzung im gesamten Internet der Dinge“, sagt er. Tim Pohlmann, IPlytics-Geschäftsführer, erklärt: „Für jeden, der 5G künftig anwenden will, fallen für die patentbehafteten Technologien teure Lizenzgebühren an – die ins Ausland abfließen.“ Er hat ein Analysetool und eine Plattform für derartige Daten entwickelt. Es zeigt: Tausende von Patenten wurden in den vergangenen fünf Jahren bereits angemeldet. Samsung Electronics, Ericsson, Huawei und andere sind dabei – kein einziges deutsches Unternehmen.

Patricia Pätzold

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