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Schwere Kost. Immer mehr Plastik landet im Wasser. Fische, Schildkröten und andere Meeresbewohner sind Opfer des Mülls.

© mauritius images

Verpackungsmüll: Wie gefährlich ist das Plastik in meinem Alltag für die Umwelt?

Der Handel wirbt mit Produkten aus recyceltem Plastik. Leider stimmt das aber nicht immer. Ein Überblick, worauf Kunden achten können.

Die Ozeane sind voller Müll: Rund zehn Millionen Tonnen Plastik überfluten jährlich die Weltmeere. Der Grund dafür: Die Verpackungsmengen. Einwegplastik wird massenhaft produziert, aber kaum recycelt. Es fehlen die Strukturen zum Sammeln und zur weiteren Verarbeitung von Abfällen. Ändert sich nichts, wird im Jahr 2050 mehr Plastik im Meer schwimmen als Fische, warnt die Deutsche Umwelthilfe. In der Wirtschaft ist Plastikvermeidung zum großen Thema geworden. Welche Auswirkungen hat das auf die Verbraucher?

Hilfe im Drogeriemarkt

Deutschlands führende Drogeriemärkte wollen nun mit einer Informationskampagne für mehr Recycling-Bewusstsein bei ihren Kunden sorgen. Rossmann, dm und weitere Händler haben vor wenigen Wochen ein neues Zeichen eingeführt, das auf umweltschonende Verpackungen hinweist. Für Verbraucher soll so auf den ersten Blick ersichtlich sein, welche Produkte einen hohen Recycling-Anteil haben: etwa ob die Zahnpasta-Tube neu produziert oder aus bereits verwendetem Kunststoff hergestellt wurde.

Die Orientierungshilfe soll Kunden nicht nur dazu anspornen, die umweltfreundlicheren Produkte zu kaufen, sondern die Verpackungen später auch wieder richtig zu entsorgen. Durch eine sortenreine Wertstofftrennung könnte man Plastikverpackungen nämlich wieder in den Kreislauf zurückführen und so die Recyclingquote erhöhen, sind sich die Geschäftsführer der Unternehmen einig.

Neues aus Müll

Rund 300 Produkte von Herstellern wie Henkel, L’Oreal und Procter & Gamble sind Teil der Offensive. An den Regalen von dm wird konkret auf die Produkte hingewiesen, deren Verpackungen aus mindestens 70 Prozent Post-Consumer-Rezyklat (PCR) bestehen. Als Rezyklat bezeichnet man das Produkt eines Recyclingprozesses, bei Plastik ist es etwa der wiederverwertete Kunststoff. Je höher der Anteil, desto besser für die Umwelt.

Post-Consumer-Abfälle stammen aus unseren Haushalten. Das können gemischte Verpackungsabfälle, wie der Jogurtbecher aus dem gelben Sack sein, oder aber PET-Flaschen. Letztere werden vor allem in Deutschland gut recycelt. Denn viele Verbraucher entsorgen ihre Einweg-Pfandflaschen im Supermarkt, woraufhin sie zu einem feinen Granulat gemahlen werden. Aus diesem Kunststoff, auch PET genannt, werden dann wieder neue Flaschen hergestellt. Weil dabei kaum etwas anfällt, das nicht wiederverwendet werden kann, funktioniert die Kreislaufwirtschaft in diesem Bereich besonders gut, sagt der Naturschutzbund.

Joghurt macht Probleme

Schwieriger ist es aber beim Plastikmüll aus dem gelben Sack oder der gelben Tonne. Die gemischten Verpackungsabfälle müssen größtenteils per Hand am Fließband sortiert werden. Ein aufwendiger und damit teurer Prozess für Unternehmen. Hinzu kommt: Neues Plastik aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas ist oft günstiger. Trotzdem sind viele Konzerne bereit, diesen Mehrbetrag zu zahlen, und setzen auf Sekundärrohstoffe. Deshalb sei es bei der Logo-Vergabe wichtig, explizit von PCR zu sprechen, meinen Umweltschützer.

Was die Regalauszeichnung aber nicht zeigt, ist, wie hoch der Rezyklat-Anteil ist oder aus welchen anderen Rohstoffen das Material besteht. Denn wenn eine Tube zu 70 Prozent aus PCR ist, ist das zwar viel, bei einer PET-Flasche liegt der Standardwert aufgrund des guten Kreislaufs jedoch noch viel höher. Zudem müssen die Drogerieketten und damit auch die Verbraucher den Herstellern, von denen die Angaben kommen, blind vertrauen. Eine externe Überprüfung einzelner Produktionslinien sei nicht möglich, betont der Naturschutzbund.

Wo getrickst wird

Dieses Problem sorgte schon vor der Einführung der Recycling-Kennzeichnung für Schlagzeilen. Im Juli warnte die Deutsche Umwelthilfe vor „irreführenden Tricksereien“ bei der Angabe verwendeter Recyclingmaterialien. Der Hersteller Henkel hatte für einen Toilettenreiniger mit dem Hinweis geworben, die Aufhängung für die WC-Kugeln bestehe zu 100 Prozent aus recyceltem Plastik. Tatsächlich aber wurden Produktionsabfälle verwendet. Henkel weist die Vorwürfe entschieden zurück: „Wir dürfen keine Lösung kategorisch ausschließen. Jeder Kunststoff, der wiederverwendet und nicht verbrannt, nicht deponiert wird und nicht in die Umwelt gelangt, leistet einen Beitrag zu einem funktionierenden Kreislaufsystem.“

Vom Plastik bis zum Mikroplastik: Verbraucher sind an vielen Stellen von Kunststoffen umgeben.
Vom Plastik bis zum Mikroplastik: Verbraucher sind an vielen Stellen von Kunststoffen umgeben.

© picture-alliance / gms

Die Umwelthilfe spricht dagegen von Verbrauchertäuschung, wenn Produktionsabfälle gegenüber dem Verbraucher als recyceltes Material deklariert werden. Denn Plastikreste aus der Herstellung wurden schlicht nicht benutzt. Den Überschuss für die weitere Fertigung zu nutzen, sei aus wirtschaftlicher Sicht nur sinnvoll. Das als Umweltvorteil darzustellen, sei „Greenwashing“, kritisiert Philipp Sommer, stellvertretender Leiter des Bereichs Kreislaufwirtschaft bei der Umwelthilfe.

Recycling bedeutet, aus einer benutzten Verpackung eine neue zu machen, also Abfall zu verwenden. Wenn Konzerne versuchen, sich durch PR-Maßnahmen als besonders umweltbewusst darzustellen, ohne dabei wirklich nachhaltiges Engagement zu zeigen, wird das als „Greenwashing“, als grüne Schönfärberei, bezeichnet. Im Zusammenhang mit Plastik – dem Stoff, der vor allem als Meeresbeschmutzer immer mehr in die Kritik gerät – komme dies häufig vor, meint der Naturschutzbund.

Was ist "Bio-Plastik“?

So würden Firmen etwa den Begriff „Bio-Plastik“ verwenden, weil „Bio“ einfach gut klingt. Umweltorganisationen sehen das jedoch kritisch. Denn mit der vermeintlich „natürlichen Alternative“ zu Kunststoff können sowohl Produkte gemeint sein, die aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen oder aber Produkte, die selbst biologisch abbaubar sind. Ohne eine Zeitangabe zum Abbau werden Verbraucher in die Irre geführt. Denn auch normales Plastik ist abbaubar, allerdings extrem langsam. Manche „Bio“-Produkte zersetzen sich jedoch auch nicht schneller, und auch biologisch abbaubare Kunststoffe sind nicht automatisch nachhaltig.

Frosch gegen Henkel

Konkurrent Werner & Mertz klagte gegen Henkel und bekam vom Landesgericht Stuttgart recht. Dem Hersteller der Marke Frosch war aufgefallen, dass das WC-Körbchen strahlend weiß war, echtes Rezyklat ist hingegen grau. Aber auch Umweltschützer üben zunehmend Druck auf die Konzerne aus. So wirbt der Waschmittelhersteller Dash aktuell damit, dass sein Pulverwaschmittel bereits ab 20 Grad waschaktiv sei.

Man spare auf diesem Wege Energie und schone damit gleichzeitig die Umwelt. Auch die Verpackungen von Dash sollen schrittweise plastikfrei werden. Laut Hersteller sind sie schon jetzt zu 96 Prozent frei von Kunststoff und vollständig recycelbar. Ein eigenes Logo mit dem Hashtag „Vision Plasticfree“ und einem Schwertwal weist darauf hin.

Vorgaben für Label

Umweltfreundliche Label sind im Trend. Für Verbraucher könnte es jedoch schwierig sein, sich im Label-Dschungel zurechtzufinden. Deshalb seien strikte Normen und eine klare Kommunikation wichtig, meint Philipp Sommer: „Wenn Hersteller Eigenverpackungen aus Rezyklat verwenden, sollten sie darauf hinweisen. Allerdings müsse man dann den genauen Anteil und die Herkunft der Rezyklate offenlegen. Nur so können Verbraucher erkennen, ob aus alten Verpackungen wieder neue wurden und damit ein echter Umweltvorteil gegeben ist.“

Einfachen „Plastikfrei“- oder „Enthält hohen Recycling- Anteil“-Hinweisen solle man mit Skepsis begegnen. Sommer meint, aus Umweltsicht seien Mehrwegverpackungen die beste Wahl. „Besser noch wäre es natürlich, gleich unverpackt zu kaufen.“ Der Naturschutzbund und die Umwelthilfe fordern zudem politische Vorgaben, wie eine Rezyklat-Einsatzquote.

Verbrauchern empfiehlt die Umwelthilfe, auf den „Blauen Engel“ oder das „Mehrweg-Logo“ zu achten. Einen Überblick kann auch die Webseite „Siegelklarheit“ geben. Die Initiative der Bundesregierung zeigt, welche Label was bedeuten und, ob sie glaubwürdig sind. Mit der dazugehörigen App können Logos sogar direkt beim Einkaufen gescannt werden.

Sarah Birkhäuser

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