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Die IT-Branche gilt als ein Wachstumsmotor der indischen Wirtschaft.

© Shutterstock/Sasin Tipchai

Trotz stotternder Konjunktur: Warum sich Indien für Anleger lohnen könnte

Der Subkontinent könnte wieder stärker wachsen, prognostizieren Beobachter. Doch der Markt birgt auch Risiken.

„Indien ist eine der größten Wachstumsmaschinen der Welt“, sagt Marco Ravagli, Fondsmanager des DWS India. Seit 15 Jahren wächst die Volkswirtschaft mit Raten von durchschnittlich sieben Prozent pro Jahr. Der Börsenindex Sensex30 bildete das – unter Schwankungen – gut ab und brachte in der vergangenen Dekade alle zwölf Monate durchschnittlich gut neun Prozent Plus in die Depots von Anlegern.

Zwar stottere die Konjunktur auf dem Subkontinent gerade, wie an vielen Stellen auf der Erde. Im Quartal zwischen Juli und September schrumpfte das Wachstum auf noch 4,5 Prozent, im Fiskaljahr bis März 2020 werden wohl 5,1 bis 5,8 Prozent Plus erreicht werden. Dennoch bleibt Ravagli sehr optimistisch. „Der indische Markt wird Anlegern mittel- und langfristig sehr gute Returns bescheren“, glaubt er. Auf Sicht von drei bis fünf Jahren werde der Subkontinent zu seinen alten Wachstumsraten von sechs bis sieben Prozent zurückfinden.

Zuversichtlich sind auch die US-Banken Morgan Stanley und Goldman Sachs. Bereits ab 2020 werde das Land mit seinen fast 1,4 Milliarden Menschen wieder zu alter Stärke zurückkehren, glaubt Goldman-Sachs-Chefökonom Jan Hatzius. Unter Umständen werde es Indien gelingen, im kommenden Jahr von der siebtgrößten zur fünftgrößten Volkswirtschaft der Erde aufzusteigen und dabei Großbritannien und Frankreich hinter sich zu lassen.

Morgan Stanley prognostiziert für den Sensex30 im kommenden Jahr folgerichtig zweistellige Prozentgewinne. Grund für den Optimismus der Analysten sind die jüngsten Reformen von Narendra Modi, der im Mai als Premier im Amt bestätigt worden war: Im September hatte die Regierung die Unternehmenssteuern gesenkt und weitere großflächige Privatisierungen angekündigt.

Gleichzeitig will das Land in den kommenden fünf Jahren umgerechnet 1,3 Billionen Euro in den Ausbau der Infrastruktur stecken, eine der Achillesfersen des Landes. Ausgebaut werden soll vor allem die Wasser- und Gesundheitsversorgung, aber auch die digitale und physische Verkehrsinfrastruktur – also Flughäfen, Straßen, Eisenbahnen, Datenverbindungen. Zwei Drittel des Stroms stammen aus Kohlekraftwerken, die Energieversorgung soll teilweise auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Derzeit arbeiten bereits 800.000 Menschen in diesem Sektor.

Bevölkerung wächst rasant

Bis 2030 sind jedoch auch 21 neue Kernkraftwerke geplant, mehrere sind bereits im Bau. Gleichzeitig versucht die Notenbank, Konjunktur und Investitionen anzutreiben: Die Leitzinsen könnten nun zum sechsten Mal in diesem Jahr gesenkt werden.

Das Wachstum ist auch nötig, um die rasch wachsende und sehr junge Bevölkerung – zwei Drittel sind unter 35 Jahre – in Lohn und Brot zu bekommen. Jeden Monat drängt eine Million Inder neu auf den Arbeitsmarkt. Für neue Stellen bewerben sich Millionen: Auf die 2018 von den Indian Railways ausgeschriebenen Stellen, es waren insgesamt 90.000, bewarben sich 28 Millionen Inder.

Große Unterschiede bei Fonds

Auch der Kampf gegen die Armut stockt mit der Konjunkturschwäche wieder. Rund drei Prozent der Inder, also etwa 40 Millionen Menschen, leben in bitterer Armut. Etwa ein Viertel der Bevölkerung gilt als strukturell arm. Auf der anderen Seite stehen Erfolge: Seit 2006 hat das Land fast 300 Millionen Menschen aus der Armut geholt, der Prozentsatz der Armen an der Gesamtbevölkerung hat sich halbiert.

Wer in dem Land investieren will, findet ein breites Spektrum an Fonds, passiven Indexfonds (ETF) oder auch einzelnen Aktien. Allerdings: Es liegen Welten zwischen erfolgreichen und glücklosen Fondsmanagern. So konnten einige Fonds von Goldman Sachs, Aberdeen oder First State in der zurückliegenden Dekade mehr als zehn Prozent für die Anleger aus dem Markt holen.

Rupie als Risiko

Das Gros schaffte zwischen fünf und zehn Prozent, darunter auch die DWS aus dem Konzern der Deutschen Bank, dazu Pictet, Fidelity oder Rothschild. Bei den weniger erfolgreichen Fondsmanagern reichte es auf Zehnjahressicht nur zu einem minimalen Jahresplus, ein Fonds notiert sogar im Minus. Vor allem der sehr große Indian Equity der britisch-asiatischen Großbank HSBC fällt negativ auf.

Als zusätzliches Risiko wartet die lokale Währung Rupie, die in den vergangenen Jahren häufiger den Ertrag von Euro- Anlegern geschmälert hat. Im Sommer 2018 fielt die Rupie sogar auf ein Allzeittief. Zu tun hatte dies vor allem damit, dass US-Anleger und Investoren wegen der wieder steigenden Zinsen zu Hause Geld abzogen. Das Währungsrisiko berücksichtigen müssen natürlich auch Käufer einzelner Werte aus dem Sensex30 oder dem zweiten Index, dem Nifty.

Lokaler Versicherer besonders erfolgreich

Marco Ravagli setzt mit dem DWS India aktuell vorzugsweise auf den Versicherungssektor, der „extrem schnell wächst“, sowie auf indische Privatbanken, zu denen etwa die ICIC gehört. Mit einem Plus von 46 Prozent im zurückliegenden Jahr war das erst 1994 gegründete Unternehmen auch eines der Zugpferde im Sensex30, in dem zuletzt insgesamt Finanzwerte und Telekomunternehmen vorne lagen. Die Aktie von Bharti Airtel etwa, mit 411 Millionen Kunden die Nummer drei im riesigen indischen Mobilfunkmarkt, kletterte um 44 Prozent seit Dezember 2018.

Bester Wert im Leitindex war mit einem Jahresplus von 57 Prozent Bajaj Finance, ein lokaler Versicherer und Asset Manager. Industriewerte hat Ravagli dagegen untergewichtet. Hierzulande bekannt ist etwa Tata, ein Mischkonzern aus Mumbai, zu dem beispielsweise Jaguar Land Rover gehört.

Indien liegt 15 Jahre hinter China

Alternativ lässt sich auch mit Schwellenländer-Fonds im Allgemeinen der indische Markt abdecken. Der Anteil Indiens am führenden Index MSCI Emerging Markets liegt bei knapp zehn Prozent. China hat hier mit 34 Prozent ein dreimal schwereres Gewicht. Die Unterschiede zwischen den beiden Schwellenländern sind enorm. Indien könnte „das nächste China“ sein, vermuten manche. Etwa 15 Jahre liege das Land hinter China, wenn man den Status der Infrastruktur vergleiche, sagt Fondsmanager Ravagli.

Auch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf zeigt, wie groß die Unterschiede sind: Während China kaufkraftbereinigt mit 18.116 Dollar im internationalen Vergleich auf Rang 78 liegt, kommt Indien mit 7859 Dollar auf Platz 126. In absoluten Zahlen liegt das chinesische BIP, das nach den USA auf Platz zwei rangiert, fünfmal höher als das indische.

Alles dauert länger

Allerdings: Im Unterschied zu China sei Indien eben eine Demokratie, sagt DWS-Fondsmanager Ravagli. Auch wirtschaftliche Entscheidungen müssen also grundsätzlich vom Parlament bestätigt werden und beschäftigen häufig auch Gerichte über mehrere Instanzen. „Deshalb dauert in Indien alles länger“, sagt Ravagli, „dafür investiert man jedoch in einer Demokratie.“

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