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Jeder fünfte Jugendliche schaut sich mittlerweile Finanzratgeber auf YouTube an.

© Illustration: Shutterstock (2); Montage TSP/Büder

Tipps per Video: Darum sind Finanz-Ratgeber auf Youtube so beliebt

Geht es ums Geld, suchen junge Leute zunehmend Hilfe im Netz. Verbraucherschützer sehen darin eine Gefahr, denn Tipps sind nicht immer unabhängig.

Von Laurin Meyer

Er sei kein Wirtschaftswissenschaftler, kein Anlageberater, und auch kein Mathe-Genie, sagt Kolja Barghoorn über sich selbst. Seinen Zuschauern erklärt der 34-Jährige dennoch, wie die Finanzwelt funktioniert: und zwar in selbstproduzierten Videos auf Youtube. Barghoorn betreibt den Kanal „Aktien mit Kopf“, spricht dort über Anlagestrategien oder kaufenswerte Papiere. „Ich wollte herausfinden, ob es in Deutschland noch andere Menschen gibt, die sich online über die Börse austauschen möchten“, sagt Barghoorn. Aus der Neugierde ist mittlerweile ein Geschäft geworden. Zweimal in der Woche veröffentlicht Barghoorn einen neuen Clip. Beim Videodreh sitzt er nicht etwa in einem Finanzinstitut, sondern im Wohnzimmer seiner mallorquinischen Finca.

Jeder fünfte Jugendliche greift darauf zurück

Das kommt offenbar an: Mehr als 150.000 Nutzer haben Barghoorns Kanal abonniert, seine Videos erreichen zusammen gut 23 Millionen Klicks. Wenn es um Geldanlagen geht, hat Youtube stark an Bedeutung gewonnen. Jeder fünfte Nutzer zwischen 16 und 25 Jahren holt sich mittlerweile Finanztipps in solchen Erklärvideos – häufiger als in klassischen Medien oder auf Vergleichsportalen. Noch vor drei Jahren nutzten für diesen Zweck gerade einmal sieben Prozent junger Menschen die Plattform, wie eine Studie der Comdirect-Bank zeigt.

Ergebnisse der Comdirect-Studie
Ergebnisse der Comdirect-Studie

© Tsp/Böttcher

Dementsprechend groß ist auch das Angebot an Finanzvideos. Neben Barghoorn gehört etwa der Kanal Finanzfluss zu den bekanntesten Ratgebern. In den knapp zehnminütigen Clips erklären Arno Krieger und Thomas Kehl ihren Zuschauern alles, was beim Erwachsenwerden rund ums Thema Geld auf sie zukommt. Ein Auto lieber kaufen oder leasen? Welches Girokonto ist das beste? Der Kanal Luzifers Finanzen verspricht hingegen „teuflisch gute Finanzen“, die „direkt aus der Hölle“ kämen. In den Videos sollen Nutzer erfahren, welche Aktien sich lohnen und welche nicht. „Wäre ich investiert, würde ich drin bleiben“, kommentierte der selbsternannte Geldfürst zuletzt etwa die Papiere des amerikanischen Vegan-Produzenten Beyond Meat.

Wissenschaftler sehen Bildungslücken als Grund

Dass sich die junge Generation immer häufiger im Netz über Finanzthemen informiert, führen Bildungswissenschaftler auf Wissenslücken zurück. „Die Defizite sind sehr groß“, sagt Klaus Hurrelmann, Professor an der Hertie School of Governance in Berlin. Das sei auch nicht verwunderlich, schließlich gibt es in der Schule keinen systematischen Unterricht zu Fragen von Wirtschaft und Finanzen. Quellen aus dem Internet würden deshalb an Bedeutung gewinnen, sagt Hurrelmann. Außerdem seien die Videos schnell zugänglich, interaktiv und anschaulich. „Sie kommen den jungen Nutzern vom Kommunikationsstil her sehr entgegen“, sagt der Wissenschaftler.

Youtuber Barghoorn will möglichst authentisch und nahbar sein, will nicht so hochgestochen sprechen wie andere im Finanzbereich. Vor seiner Karriere bei Youtube hat der 34-Jährige zeitweise Filmwissenschaften studiert und außerdem als Fitnesstrainer gearbeitet. „Ich empfehle auch nur das, was ich selbst an Wertpapieren besitze“, sagt Barghoorn. Er könne deshalb mehr auf seine eigenen Erfahrungen eingehen als zum Beispiel ein Berater in der Bank. Mit vielen seiner Zuschauer tausche er sich persönlich aus, fährt mit ihnen zu Hauptversammlungen, oder trinkt mit ihnen auf Mallorca ein Bier – Dinge also, die ein klassischer Finanzberater wohl nicht tun würde.

Banken wollen mithalten

Das hat die konventionelle Bankenwelt längst erkannt. Sie versucht, mit eigenen Videos mitzuhalten. Die Onlinebank Onvista antwortet in Videos auf Zuschauerfragen, erklärt Begriffe wie Inflation oder Marktkapitalisierung. Die Comdirect zeigt ihren Kunden, wie sie ihr Girokonto wechseln können. Und auch der Bundesverband der Banken betreibt einen eigenen Youtube-Kanal und spricht darin mit bekannten Influencern über Erwartungen an eine Bank.

Doch an die Klickzahlen der Finanz-Laien kommen alle nicht ansatzweise heran. Das jüngste Video des Bankenverbandes sahen gerade einmal 5000 Nutzer. An Barghoorn und seinen Kollegen führt also kein Weg vorbei. Deshalb arbeiten manche Banken mittlerweile mit den Youtubern zusammen. Banker dürfen etwa in den Videos der Finanz-Laien auftreten. Für beide Seiten ein Gewinn: Die Youtuber können mit der Expertise renommierter Institute werben. Und die Banken kommen an Zielgruppen heran, die sie sonst nur schwer erreichen können.

YouTuber verdienen an den Videos

Ehrenamtlich machen das die Youtuber aber nicht. Mit ihren Videos lässt sich mittlerweile kräftig Geld verdienen. Verbraucherschützer sehen darin eine Gefahr. „Wie bei allen Tipps im Netz stellt sich die Frage nach der Unabhängigkeit“, sagt Heike van Laak von der Stiftung Warentest. Wer etwa Provisionen für die Vermittlung von Finanzprodukten bekommt, sei naturgemäß nicht mehr neutral. Geschickte Werbung statt unabhängige Information? „Ich bin niemandem verpflichtet außer meinem Gewissen“, sagt Kolja Barghoorn dazu. Von Youtube sei er finanziell nicht abhängig, da er auch als Buchautor hinzuverdiene und von seinen Aktieninvestments lebe. Und dennoch setzt auch Barghoorn auf sogenannte finanzierte Partnerschaften. Treten Experten der Börse Stuttgart in seinen Videos auf, zahlt die ihm ein Honorar. Verlinkt er das Online-Angebot einer Bank, bekommt er dafür eine Provision.

Seine Zuschauer weist Barghoorn in den Videos auf sein Geschäftsmodell hin. Das muss er laut Stiftung Warentest auch. „Wer die Provision nicht kenntlich macht, macht Schleichwerbung“, sagt van Laak. Und auch an andere Finanzmarktregeln müssen sich die Youtuber halten. Sie könnten etwa haftbar gemacht werden, wenn sie mehr als nur allgemeine Tipps geben und ihre Zuschauer individuell beraten – zum Beispiel in den Kommentarspalten.

Produzenten müssen sich an Regeln halten

Das wäre eine Anlageberatung, wie sie im Kreditwesengesetz reguliert wird, weiß Rechtsanwalt Till Otto von der Kanzlei Taylor Wessing. Auch allgemeine Tipps könnten als Anlageempfehlung gelten, etwa wenn Youtuber zum Kauf bestimmter Aktien aufrufen. Dann müsste die Arbeit bei der Finanzaufsicht BaFin angemeldet werden, andernfalls drohen Bußgelder. Einige Videoproduzenten versehen ihre Informationen deshalb mit einem Warnhinweis: „Jegliche Informationen auf diesem Kanal stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung dar“, schreibt etwa Luzifers Finanzen. Mit den Worten von Youtuber Baarghorn heißt das: selbst denken statt nachkaufen.

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