zum Hauptinhalt
Donald Trump: In seiner Welt sieht immer alles ganz gut aus.

© imago/UPI Photo

US-Präsident in Bedrängnis: Wie Donald Trump sich seine alternative Welt schafft

Was wahr ist oder nicht, bestimmt der Präsident. Donald Trump verkündet eigene Nachrichten – und muss sie immer öfter widerrufen. Könnte sein, dass das nicht mehr lange gut geht.

Vielleicht sind es die entscheidenden Worte, die man hören muss, um seine Welt zu verstehen. „Denkt daran, das was ihr seht und was ihr lest, ist nicht das, was passiert.“ Donald Trump steht an einem Pult in Kansas City, als er sie ausspricht. Er hält eine Rede vor Veteranen des Zweiten Weltkriegs, er dankt ihnen für ihre Tapferkeit und lobt dann vor allem: sich selbst. Wo stünde das Land ohne ihn? Ein Trottel, wer denkt, der Handelsstreit schade der US-Wirtschaft, dumm, wer den Journalisten und ihren Nachrichten glaubt, den „Fake News“.

„Stick with us, just stick with us“, sagt Trump. Haltet euch einfach an uns.

Für den US-Präsidenten, so scheint es, gibt es nicht nur „alternative Fakten“, er lebt in einer alternativen Welt. Manchmal, wie vor wenigen Tagen in Kansas City, gelingt ein Blick hinein. Es ist eine Welt, in der Zweifel nicht angebracht sind, und er immer recht hat. Auch wenn er seine Meinung ändert.

Kritische Fragen sind nicht mehr erwünscht

Wer in dieser Welt leben will, muss die Ohren verschließen vor den Klagen der Farmer, deren Unternehmen von den im Handelsstreit auferlegten Zöllen gebeutelt werden. Vor den auf Tonband festgehaltenen und in den Medien veröffentlichten Gesprächen, in denen der Präsident diskutiert, wie sich unliebsame Zeugen seiner Affären am besten zum Schweigen bringen lassen: „mit Bargeld?“. Und vor der Vermutung der Demokraten, dass Kremlchef Wladimir Putin den US-Präsidenten in der Hand habe.

Alles nur Lügen, einfach weghören.

Während an jedem Tag der Woche, ständig und immer, auf CNN, MSNBC, CBS und Fox News die größten Trump-Aufreger reportiert werden, ist jenseits des Fernsehbildschirms ein ganz neues Phänomen zu beobachten. Der Präsident perfektioniert Kehrtwenden auf offener Bühne. Stick with us, just stick with us. Egal, was ich gestern gesagt habe: Was zählt ist, was ich jetzt sage. Selbst erfahrene Beobachter sind darüber erstaunt.

Kein Wunder, dass kritische Fragen nicht mehr erwünscht sind. Langjährige Journalisten schreien sich heiser bei dem Versuch, Antworten zu bekommen. Die CNN-Reporterin Kaitlan Collins wurde am Mittwoch sogar des Weißen Hauses verwiesen, weil sie „unangemessene“ Fragen stellte. Fragen und die Antworten dazu werden aus den offiziellen Protokollen gelöscht, wie im Fall des Reuters-Korrespondenten Jeff Mason geschehen: Er hatte bei der Trump-Putin-Pressekonferenz in Helsinki gefragt, ob der russische Präsident gewollt habe, dass Trump die Präsidentschaftswahl gegen Hillary Clinton gewinnt – und ob er dabei habe nachhelfen lassen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Seine Anhänger hören von ihm an einem Tag das eine, am nächsten das Gegenteil

Alles Lügen, einfach nicht hinhören. Die Fragen gibt es offiziell nicht mehr. Putins Antwort, in der er bejaht, sich Trumps Sieg gewünscht zu haben auch nicht. Ein Skandal? Nicht in Donald Trumps Welt.

Sein wichtigstes Sprachrohr, über das er unmittelbar mit seinen Anhängern kommuniziert, ist Twitter. Hier lernen sie am Dienstag dieser Woche, dass Putin immer gewollt habe, dass die Demokraten gewinnen, auf keinen Fall Trump. Daher drohe die Gefahr, dass der Kreml sich in die nächsten Wahlen einmischen könne. Am Mittwoch erfahren sie über Trumps Nationalen Sicherheitsberater John Bolton, dass der russische Präsident frühestens im kommenden Jahr im Weißen Haus empfangen werden wird, nach Ende der Russland-Ermittlungen. Kurz zuvor hieß es noch, er komme in diesem Herbst.

Trump kann Handelsstreitigkeiten anzetteln, unter denen die eigene Wirtschaft leidet – und dann die betroffenen Farmer mit Milliardensummen subventionieren, sehr zum Unmut der Wirtschaftsliberalen in seiner eigenen Partei. Was bleibt, ist die Unterstützung seiner Anhänger im Mittleren Westen und all den übrigen überzeugten Trump-Gegenden. Die scheint unerschütterlich: Die Zustimmungsraten sind höher als bei den meisten anderen Präsidenten in dieser Phase ihrer Amtszeit. Trump spricht die Sprache der Basis wie kaum ein Republikaner. Das Parteiestablishment weiß nicht, wie ihm geschieht. Der Protest bleibt verhalten, zu groß ist die Gefahr, dass sich der Präsident rächt.

Trump kürt Getreue zu Siegern und stürzt kritische Republikaner. Manchmal mit nur einem Tweet. Bei dem republikanischen Vorentscheid zur Gouverneurswahl in Georgia gewann am Dienstag Trumps Kandidat Brian Kemp, einer, der bei der Frage der russischen Einmischungsversuche in amerikanische Wahlen ganz auf seiner Linie liegt: Man solle das alles mal nicht allzu ernst nehmen.

Juncker hat den Amerikaner vorgemacht, wie an Trump ranzukommen ist

In der Woche davor hatte Trump seine Aussage zur russischen Einmischung in die Präsidentschaftswahl 2016 korrigiert, und zwar einfach, indem er sie ins Gegenteil verkehrte: Er habe in der Pressekonferenz nur das Wort „nicht“ vergessen. Etwas länger brauchte er für seinen Rückzieher zu der Frage, ob russische Ermittler auch amerikanische Ex-Diplomaten verhören dürfen. Beides waren Kehrtwenden, die sich auf ungewöhnlich lauten Protest seiner eigenen Partei zurückführen lassen. Der Widerstand bedeutender Republikaner hat wohl auch dazu beigetragen, dass Trump am Mittwoch im Rosengarten des Weißen Hauses auf einen Entspannungskurs im Handelsstreit mit den Europäern einschwenkte. Dass er am Tag zuvor noch getwittert hatte, dass Zölle das Größte seien, dass die bösen Europäer die Vereinigten Staaten immer schon ausgenommen hätten wie ein Sparschwein und dass das jetzt vorbei sei, was soll’s. Jetzt spricht er von transatlantischer Liebe und twittert später ein Foto, wie er sich von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einen von dessen berühmt-berüchtigten Schmatzern aufdrücken lässt.

Juncker hat den Amerikanern vorgemacht, wie an Trump ranzukommen ist. Die Beziehungen seien immer auch eine „personal affair“ hat er im Anschluss an das Treffen gesagt. Wer es schafft, Trumps Sprache zu sprechen, ihm aufzuzeigen, welches Verhalten ihm selbst am meisten nutzt, kann erfolgreich sein. Da hat offenbar auch sein Umfeld dazu gelernt, immerhin ist es nicht nur gelungen, Trump die Gefahren des Handelsstreits deutlich zu machen, sondern auch, ihn von seiner allzu großen Putin-Nähe abzubringen.

In der alternativen Welt von Donald Trump klingen die Nachrichten anders. Da verkündet Fox News triumphierend die „riesigen Zugeständnisse“ der Europäer, die sich Trump im Handelsstreit gesichert habe. Während Abgeordnete darauf drängen, dass die Inhalte des Vier-Augen-Gesprächs von Trump und Putin öffentlich gemacht werden, stellt der Sender die Frage: Sollten manche Treffen des Präsidenten nicht privat bleiben?

Sonderermittler Mueller will nun die Tweets untersuchen

In diese Logik passt auch, dass künftig keine Gesprächsprotokolle von Trumps Telefonaten mit anderen Staats- und Regierungschefs mehr veröffentlicht werden sollen, wie CNN berichtet, ein Bruch mit Traditionen im Weißen Haus. Trump will den Dreh der Nachrichten am liebsten selbst bestimmen.Kein Wunder, dass er ausgerastet sein soll, als er jüngst feststellte, dass seine Ehefrau Melania an Bord der Präsidentenmaschine am liebsten den Sender CNN schaut.

Außerhalb von Trumps Welt braut sich gerade ein Sturm zusammen. Und wer weiß, vielleicht könnte der ihm sogar sehr schaden.

Nach Informationen der „New York Times“ will Sonderermittler Robert Mueller Tweets des Präsidenten untersuchen, die sich mit Justizminister Jeff Sessions und Ex-FBI-Chef James Comey beschäftigen. Mueller hofft Beweise zu finden, dass Trump die beiden illegaler Weise aufgefordert hat, die Ermittlungen zu den Russland-Verbindungen seines Wahlkampfteams zu beenden. Mueller könnte Trump dann zu einer Befragung vorladen. Dazu kommt der heimliche Mitschnitt eines Gesprächs, in dem Trump und sein Ex-Anwalt Michael Cohen über mögliche Schweigegeldzahlungen an ein ehemaliges „Playboy“-Model diskutieren, damit ihre Affäre mit Trump geheim bleibe. CNN hat die Aufnahme veröffentlicht, die die US-Polizeibehörde FBI nach Informationen der „New York Times“ bei einer Razzia in Cohens Büro im April beschlagnahmt hat. Auch an andere Frauen soll vor der Wahl 2016 Schweigegeld gezahlt worden sein.

Wenn Mueller es schafft, den Präsidenten als jemanden darzustellen, der die Justiz auf breiter Front behindert, könnte das Trump durchaus gefährlich werden. Egal, was Donald Trump seinen Anhängern weismachen will, für die Justiz gibt es nur eine Welt.

Haben Sie Lust, jemanden kennenzulernen, der Fragen ganz anders beantwortet als Sie? Dann machen Sie mit bei "Deutschland spricht. Mehr Infos zu der Aktion auch hier.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false