zum Hauptinhalt

© imago images / Panthermedia

Umfrage des Studierendenwerks: Bund und Hochschulen machen das Studieren mit Beeinträchtigung schwer

Das Deutsche Studierendenwerk zeigt an einer neuen Umfrage, womit Studierende mit gesundheitlicher Beeinträchtigung zu kämpfen haben. Und appelliert an die Hochschulen, endlich barrierefreie Studienbedingungen zu schaffen.

Von Elias Reuter

Die Zahl der Studierenden in Deutschland, die mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung leben, steigt seit einigen Jahren immer weiter an. Egal ob körperlich oder psychischer Natur - solche Benachteiligungen erschweren das Lernen. Lag der Anteil der Betroffenen im Jahr 2016 noch bei knapp einem Zehntel, so waren es laut einer Umfrage des Deutschen Studierendenwerks (DSW) im Jahr 2021 bereits 16 Prozent. Knapp 200.000 Studierende befragte das DSW für die Erhebung.

Was können deutsche Hochschulen unternehmen, um den Betroffenen zu helfen? Um dieser Frage nachzugehen, führt das DSW mit dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) seit 2011 regelmäßig Befragungen unter Studierenden durch. In einer Pressekonferenz am Montag präsentierten Vertreter:innen der beiden Institutionen die neusten Umfrageergebnisse.

Die großen Stellschrauben

Für Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des DSW gebe besonders die wachsende Zahl der Studierenden mit einer psychischen Erkrankung „Anlass zur Sorge“. Die Belastungen seien zudem „gravierender und existenzieller“ geworden. Neben klassischen Symptomen wie Prüfungsängsten hätten Betroffene nun vermehrt mit Sorgen über die eigene Zukunft, depressiven oder sogar Suizidgedanken zu kämpfen. Für die Hochschulen bedeute das, mehr Angebote bereitstellen zu müssen, worauf diese aber oft nicht vorbereitet seien.

65
Prozent der Beeinträchtigungen sind psychische Erkrankungen

Zudem seien deutsche Hochschulen „von barrierefreien Studienbedingungen noch weit entfernt“, wie Anbuhl bemerkt. Dies gehe über die Gebäudeplanung hinaus und betreffe ebenso die Organisation des Studiums. Die größte Hürde für Betroffene, so zeigt die Studie, seien zeitliche und formale Vorgaben der Prüfungsordnung. Wer wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung beispielsweise mehr Zeit zum Lesen oder Schreiben benötige, sei dadurch im Nachteil. Zu wenige Studierende würden einen Antrag auf Nachteilsausgleich stellen, obwohl ihnen dies eigentlich zustehe, bemerkte Monika Jungbauer-Gans, wissenschaftliche Geschäftsführerin des DZHW. Viele glaubten wohl, ihre Einschränkung sei nicht erheblich genug.

Die zeitlichen und formalen Vorgaben für das Studium sind die größte Hürde für Studierende mit Beeinträchtigung

Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks

Anbuhl kritisierte auch, dass die BAföG-Regelungen zur Studienfinanzierung Studierende mit Beeinträchtigung nicht ausreichend berücksichtige. Als Beispiel nannte er die Förderungshöchstdauer: Wer wegen gesundheitlichen Problemen länger für sein Studium brauche, müsse viel einfacher eine Verlängerung des BAföG beantragen können. Eine Reform der staatlichen Studienfinanzierung sei für ihn „das wichtigste Instrument zur Chancengleichheit“.

Mehr zum Thema

Im Notendurchschnitt wie beim Einkommen würden sich Studierende mit Beeinträchtigung zwar nicht merklich von ihren Kommilitonen unterscheiden. Allerdings hätten Betroffene im Schnitt höhere Ausgaben für gesundheitliche Belange, gab die Soziologin Mareike Beuße zu bedenken, Forscherin am DZHW. Häufig seien die Studierenden deshalb gezwungen, neben dem Studium mehr zu arbeiten als andere, was einen zusätzlichen Stressfaktor darstelle, ergänzte Jens Kaffenberger, der am DSW die Beratungsstelle Studium und Behinderung leitet.

Mehr Sensibilität ist gefragt

Auch zeigen die Zahlen: Gesundheitlich Beeinträchtigte brechen häufiger ihr Studium ab, wechseln die Fachrichtung oder die Hochschule, während sie gleichzeitig seltener einen Master anstreben. Kaffenberger sieht hier die Hochschulen in der Verantwortung: Oft sei es zu bequem, bestehende Strukturen zu erhalten. Manche Fachkulturen seien so leistungsorientiert, dass Studierende, die aus gesundheitlichen Gründen mehr Zeit benötigen, absichtlich aussortiert würden. Die Experten forderten progressive Aktionspläne, um nicht nur die Gebäude barrierefrei zu machen, sondern auch die Prüfungskultur fairer zu gestalten.

Da die diesjährige Studie auf Daten aus dem Jahr 2021 basiere, dürften sich Effekte wie der Anstieg der Mietpreise, die Inflation oder globale Konflikte, welche den Studierenden zu schaffen machen, wohl erst in der nächsten Erhebung von 2025 bemerkbar machen. Ein weiterer Anreiz für die Hochschulen, für Bund und Länder, die bestehenden Probleme schon möglichst bald anzugehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false