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Aino Laberenz, Mitbegründerin und Geschäftsführerin von Christoph Schlingensiefs Operndorf Afrika.

© Jonas Holthaus

Tagesspiegel BERLINER #6: "Absicherung ist Aberglaube"

Die sechste Ausgabe des Tagesspiegel BERLINER liegt am 28. April der Zeitung bei. Worum geht es darin? Oft hilft der Blick von außen. Ein Gast-Editorial. 

Liebe Leser*innen,

in einem Magazin wie diesem geht es natürlich nicht nur um ein Thema. Geht es ja glücklicherweise selten, egal, womit man sich gerade beschäftigt. Genauso wenig gibt es nur "die eine Wahrheit" - es gibt verschiedene Blickwinkel. Wenn man sich auf diese einlässt, ergeben sich oft faszinierende Einblicke.

Die Auseinandersetzung von Künstler*-innen und Galerist*innen mit dem Raum ist für mich interessant. Dass man dagegenhalten muss, wenn eine Umgebung zu dominant ist, kann ich absolut nachvollziehen. Auch im Theater ist das wichtig: Da kann sogar das Kostüm der erste "Raum" der Schauspieler*innen sein. Und der Text sowieso.

Seit 2010 leite ich Christoph Schlingensiefs Operndorf Afrika in Burkina Faso und stelle immer wieder fest: Man muss sich auf die Bedürfnisse und Vorstellungen der Menschen vor Ort einlassen. Kunst als Reflexion des Kontextes. Oder Kunst als eine soziale Plastik im Sinne Beuys', die menschliches Handeln und die Gesellschaft mitdenkt.

In Burkina Faso habe ich auch gelernt, dass ich nicht immer einen ausgefeilten Plan bis in den letzten Millimeter haben muss. Weshalb mich der Kolumnist Dr. Om mit dem Rat, sich anderen ohne Erwartungen zu nähern, echt überzeugt hat. Wenn es um die Zusammenarbeit mit Menschen und deren Haltungen und Wünsche geht, muss man sich oft einfach anpassen!

Überraschend in dieser Ausgabe fand ich die Sicht des Amazon-Forschers auf Künstliche Intelligenz: Eine Welt, in der alles durch KI bestimmt wird als Utopie, in der mehr Zeit für kreative Arbeit des Einzelnen bleibt? Finde ich faszinierend, daran hätte ich nicht als Erstes gedacht. Ebenso wenig wie an die Gefahr, die Hendrik Lehmann in seinem Interview mit Ralf Herbrich anspricht: dass Rassismus durch Algorithmen weiter geschürt werden kann.

Und ich habe mich beim Lesen gefragt, ob es in einer von Künstlicher Intelligenz bestimmten Welt noch die Freiheit gäbe, sich auf einen Moment wirklich einzulassen? Situativ zu denken? Etwas zuzulassen, wie es Christian Ulmen auf der letzten Seite bei "Sicherheit/Freiheit" so schön beschreibt? Das ist der Weg, den ich immer wählen würde. Komplette Absicherung? Ist für mich ein Aberglaube.

Aino Laberenz, Jahrgang 1981, ist Bühnen- und Kostümbildnerin, außerdem Mitbegründerin und Geschäftsführerin von Christoph Schlingensiefs Operndorf Afrika in Burkina Faso.

Der Tagesspiegel BERLINER ist mit 64 Seiten am 28. April 2018 in der Sonnabendausgabe des Tagesspiegels erschienen, zusätzlich ist er an mehr als 80 stilprägenden Orten der Stadt erhältlich.

Aino Laberenz

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