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In einer Halle des Klärwerks von Ochsenfurt wird der noch nicht fertig getrocknete Klärschlamm zwischengelagert.

© picture alliance/dpa/Nicolas Armer

Sprit aus Klärschlamm: „Viele Entsorger wissen nicht, über welchen Schatz sie verfügen.“

Biologische Abfälle sind Rohstoffe – unter anderem für Kraftstoffe. Forscher in Bayern entwickeln Verfahren, um die Ausbeute noch zu steigern. 

Klärschlamm, Grünschnitt, Zuckerrübenschnitzel – biologische Abfälle sind vielfältig und werden zunehmend als Rohstoff genutzt. Rund 15 Millionen Tonnen gelangen jedes Jahr in Kompostierungs- und Vergärungsanlagen. Ein Teil davon wird zu Bio-Kraftstoffen. Das ist zunächst positiv, wer die Reste verwertet, umgeht das Tank-oder-Teller-Problem.

Doch die Klimabilanz ist miserabel. „Je nach Ausgangsmaterial gehen bis zu 50 Prozent des enthaltenen Kohlenstoffs verloren“, sagt Jakob Burger von der TU München. Der Grund: In einem Klärschlamm beispielsweise ist anfangs viel mehr Sauerstoff enthalten als im Endprodukt, dem Biofuel. Das Gas muss raus und reagiert im Prozess vor allem mit Kohlenstoff. „Es entsteht CO₂, das als Abgas in die Atmosphäre entweicht.“

Dabei würde der Kohlenstoff andernorts dringend gebraucht – als Rohstoff für synthetische Kraftstoffe. Um diese herzustellen, ist zusätzlich Wasserstoff nötig, der per grünstrombetriebener Elektrolyse bereitgestellt wird. Wie stark diese „E-Fuels“ einmal beitragen werden, den Straßenverkehr klimafreundlicher zu machen, ist umstritten. Im Flug- und Schiffsverkehr, der sich schwer elektrifizieren lässt, sind sie unbedingt erforderlich, um fossile Treibstoffe zu ersetzen.

Start in drei Jahren

Es wäre also sinnvoll, die Biosprit- und E-Fuel-Produktion zusammenzubringen. Genau das tun Burger und weitere Fachleute im Projekt „Synergy Fuels“ (Synergien durch Integration von Biomassenutzung und Power-to-X in der Produktion erneuerbarer Kraftstoffe). Sieben Partner aus Forschung und Industrie sind beteiligt, jeder bringt eigene Erfahrungen ein, von Bioprozesstechnik bis zur Kraftstoffprüfung. Gefördert vom Bundesverkehrsministerium werden bei „Synergy Fuels“ acht Anlagen in Ostbayern neu beziehungsweise ausgebaut, um sich gegenseitig mit Rohstoffen zu beliefern und so eine Biokraftstoff-Raffinerie aufzubauen.

In drei Jahren, hofft Burger, könnte diese kontinuierlich laufen und acht bis zehn Tonnen Kraftstoff jährlich liefern. „Das ist zunächst eine kleine Menge, aber ein wichtiger Schritt, um die Verfahren anschließend auf Industriegröße zu bringen.“

Wie bei einer großen Raffinerie kommen am Ende verschiedene erneuerbare Kraftstoffe heraus, für die sich bereits Testanwender gefunden haben: Diesel für Donauschiffe, Sprit für Kettensägen, Kerosin für einen Regionalflughafen.

Was das Zusammenschalten bislang einzelner Prozesse bringt, erläutert Burger anhand der Fermentation von Stroh zu Bioethanol. Auch dabei geht Kohlenstoff verloren, rund ein Drittel. „Wir wollen das CO₂ auffangen, reinigen und zusammen mit Wasserstoff in die Methanolherstellung geben“, sagt der Projektleiter. „Am Ende erhalten wir aus der gleichen Menge Stroh rund ein Drittel mehr Kraftstoff.“

Der Schatz der Entsorger

Mehr Effizienz bringe zweierlei: Einerseits senkt es zukünftig die Kosten, andererseits werden Rohstoffe besser genutzt. „Biogene Reststoffe werden nämlich immer wichtiger, je weniger fossile Kohlenstoffquellen genutzt werden“, meint Burger. „Viele kommunalen Entsorger wissen gar nicht, über welchen Schatz sie verfügen.“

Bislang sind die nachhaltigen Treibstoffe allerdings deutlich teurer als herkömmliche. E-Fuels sind noch gar nicht am Markt, werden aber in der Herstellung rund fünfmal so viel kosten wie fossiler Sprit.

Die Industrie zögert, sieht bisher kein Geschäftsmodell, sagt Burger. Sein Team meint, dass zunächst vor allem ein lokaler Einsatz lohne. Beispielsweise eine Kommune oder ein Landwirtschaftsbetrieb, die über biogene Abfälle verfügen und gleichzeitig über zeitweilig überschüssigen Strom aus der Kraft-Wärme-Kopplung. Damit ließe sich preiswert Wasserstoff erzeugen, anstatt die Elektrizität zu Schleuderpreisen fortzugeben.

Der Ansatz könnte noch eine weitere Einnahmequelle erschließen. Reststoffe, die weder als Gas noch als Flüssigkeit verwendet werden, bleiben als sogenannte Pflanzenkohle übrig. Wird diese deponiert, ist sie eine Kohlenstoffsenke und könnte über entsprechende Zertifikate zusätzlich Geld bringen.

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