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Schon lange groß dabei: Bernd Schultz (rechts, bei der Übergäbe des Berliner Landespokals 2016 an Rommel Abou-Chaker vom BFC Preußen) ist seit 16 Jahren Präsident des Berliner Fußball-Verbandes.

©  Matthias Koch/Imago

Zwischen Thermomix und Dinosauriern: Warum es im Präsidium des BFV so großen Streit gibt

Nicht erst der Rücktritt des Vizepräsidenten Sascha Kummer hat gezeigt: Im Präsidium des Berliner Fußball-Verbandes gibt es tiefe Zerwürfnisse. Das hat Gründe.

Wenn der Berliner Fußball-Verband (BFV) derzeit auf seiner Internetseite über Neuigkeiten informiert, geht es meistens darum, was nach all den Coronavirus-Beschränkungen auf dem Fußballplatz nun wieder möglich ist – nur im Training natürlich. Als nächster großer Punkt soll dann am 20. Juni auf einem virtuellen Verbandstag geklärt werden, wie die Spielzeiten in den Berliner Amateurligen beendet werden.

Es sind also außergewöhnliche Zeiten für die Verantwortlichen des BFV, doch im Präsidium rumort es zugleich gewaltig. Wie zerstritten das Führungsgremium des Verbands ist, wurde zuletzt am Fall Sascha Kummer deutlich. Der Vizepräsident des BFV war Ende Mai nach kurzer Amtszeit nach den Recherchen des Tagesspiegels zurückgetreten. Es war bekannt geworden, dass Kummer im Mai vergangenen Jahres per Strafbefehl wegen Körperverletzung an einem Kind zu einer geringen Geldstrafe von 600 Euro verurteilt worden war.

Der Fall Sascha Kummer ist für eine Gruppe im Präsidium der letzte und entscheidende Anlass, um Veränderungen in diesem Gremium einzufordern. Einer aus dieser Gruppe ist Jörg Wirtgen. Der Vizepräsident für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit will aus dem BFV einen „Hauptstadtverband“ machen, zu dem jeder aufschaue.

Die Bedeutung des Verbandes werde seinen 170 000 Mitgliedern nicht gerecht. „Der BFV ist der Thermomix der Gesellschaft, hat riesiges Potenzial, etwas zu verändern. Dahin zu kommen, das geht nur über eine Vision und mit Professionalität“, sagt der 66-Jährige.

Und damit kommt der Unternehmensberater ganz schnell zu der Person, der er all dies nicht zutraut: Bernd Schultz, seit 16 Jahren BFV-Präsident. Schultz sei ein Verwalter, kein Gestalter und habe Angst vor Veränderung, sagt Wirtgen. Über die Jahre habe Schultz einen richtig guten Job gemacht. Aber: „Die Zeit der Dinosaurier ist längst vorbei.“

Wirtgen betont: „Falsche Entscheidungen werden durch mehrheitliche Gremienbeschlüsse nicht besser.“ Bestes Beispiel sei Kummers Berufung zum Vizepräsidenten. Man müsse sich fragen, wer die Verantwortung für die entstandene Unruhe trage. Wirtgen hat darauf eine klare Antwort: „Der, der die Mehrheiten beschafft.“ Und das sei der Präsident. Schultz habe laut Wirtgen eine gesellschaftliche Verantwortung für den Verband. Jeder Chef eines funktionierenden Wirtschaftsunternehmens hätte nach dem Fall Kummer die Vertrauensfrage stellen müssen oder wäre zurückgetreten.

Schultz sieht das natürlich ganz anders. Zur Personalie Kummer sagt er: „Sascha Kummer hat sich beworben. Und ich halte ihn fachlich für geeignet. Aber nachdem ich vom Tagesspiegel erfahren habe, dass mir wichtige Informationen über sein Strafverfahren vorenthalten wurden, habe ich ihn zwei Stunden später zum Rücktritt aufgefordert.“

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Noch entschiedener wehrt sich der 62-Jährige dagegen, er sei nur ein Verwalter. „Ich bin kein Dinosaurier. Ich habe viele Veränderungen angestoßen“, sagt er. „Wir tun gesellschaftlich auch nicht zu wenig. Wir sind der progressivste Landesverband.“ Schultz zählt dabei das Engagement gegen Homophobie auf, außerdem ist der BFV der erste und einzige Landesverband, der eine Regelung zur Integration von trans- und intergeschlechtlichen Menschen in den Spielbetrieb geschaffen hat. Auch digital sei der BFV weit vorne und setze etwa auf digitale Spielerpässe.

Und so zeigt sich Schultz vor allem von der Art und Weise der Kritik genervt: „Es gibt im Präsidium eine Minderheitenmeinung zu einigen Themen – aber diese Minderheit muss sich den Mehrheiten stellen. Und sie sollte nicht über die Medien Stimmung machen. Das müssen wir intern klären.“

Die Zerwürfnisse des Präsidiums bestehen schon seit mehr als einem Jahr. Demnach ist die Gruppe um Wirtgen und dessen Kollegen Lyés Bouziane, Jendrik Gundlach und Jörg Wehling zerstritten mit Schultz und dessen Mitstreitern. So finden beide Seiten immer seltener zusammen.

Erster unrühmlicher Höhepunkt war der Schiedsrichterstreik Ende des vergangenen Jahres, den Schultz ablehnte. Weiter ging es im Februar, als drei Vizepräsidenten zurücktraten, auch der besonders für sein großes Engagement ausgezeichnete Gerd Liesegang – offiziell alle aus rein privaten Gründen.

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Die nun auch öffentlich vorgebrachte Kritik an Schultz bedeutet für den BFV-Chef: „Ob die Zusammenarbeit unter diesen Umständen noch möglich ist, werden die nächsten Wochen zeigen – punktuell sind wir in der Lage, sachlich zu arbeiten.“ Auch Wirtgen betont, es gehe ihm nicht um die Person Bernd Schultz, sondern um die Relevanz des Verbandes. Die Kompetenzen sollten so eingesetzt werden, wie die Menschen über sie verfügen – und nicht die Ämter um sie herum gebaut werden.

Für Wirtgen sei Schultz’ Respekt vor dem Amt des Präsidenten zu klein. Er belegt das mit einem weiteren Streitpunkt: der AG Zukunft. Für dieses Reformprojekt des BFV haben Wirtgen und Co. lange gekämpft. In diesem Monat soll es damit nun endlich losgehen, und Wirtgen leitet den Lenkungskreis. Zu Beginn wollte auch Schultz an der AG Zukunft teilnehmen und sogar der Leiter werden. „Die Einsicht, dass der Verband eine neue Ebene braucht, hat die Präsidiumsspitze nicht“, sagt Wirtgen.

Schultz entgegnet: „Ich will die Teamarbeit. Darum wollte ich mich an der AG Zukunft beteiligen. Denn ich will nicht verhindern, ich will mitgestalten und sehe dies auch als Aufgabe meiner Funktion.“ Die wichtigsten Themen der AG Zukunft sind aus Schultz’ Sicht die künftige Zusammensetzung des Präsidiums, die Digitalisierung, die Förderung von Frauen und der jungen Generation, die Arbeit gegen Gewalt im Fußball sowie die Verbesserung der Sportinfrastruktur in Berlin.

Wirtgen und seine Präsidiumskollegen halten Schultz jedoch vor, es gehe ihm vor allem darum, seine Wiederwahl im nächsten Jahr abzusichern. Dem widerspricht der BFV-Chef vehement: „Personalentscheidungen sind jetzt kein Thema, damit beschäftigen wir uns erst 2021.“ Wirtgen betont in diesem Punkt sogar, er wolle erst gar nicht Präsident werden. Es geht also eigentlich allen nur um die Sache. Allerdings leidet das Ansehen des BFV derzeit unter all den angeblichen Sachdebatten sehr.

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