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Freundschaft mit Folgen: Zhuang Zedong (links) und Glenn Cowan bei der Tischtennis-WM 1971 in Nagoya.

© Tim Boggan

Sport als Weltpolitik: Zhuang Zedong: Der Held der Ping-Pong-Diplomatie ist tot

Er brach das Eis zu einem US-amerikanischen Tischtennisspieler und begann so die Ping-Pong-Diplomatie: Zum Tod des chinesischen Weltmeisters Zhuang Zedong

Von seinem Platz in der letzten Reihe des Busses konnte Zhuang Zedong erkennen, dass gerade der Feind eingestiegen war. Ein langhaariger junger Mann im Trainingsanzug der USA. Dies aber war der Bus der Chinesen. Und wie hatte ihr Delegationsleiter vor der Reise zu dieser Tischtennis-Weltmeisterschaft nach Nagoya 1971 noch gesagt: „Ihr dürft jedem die Hand schütteln – nur keinem Amerikaner. Und ihr dürft mit jedem Fotos machen – nur mit keinem Amerikaner.“ Die Geschichte des 20. Jahrhunderts wäre um eine schöne Episode ärmer, wenn Zhuang Zedong nicht trotzdem aufgestanden wäre und den Amerikaner angesprochen hätte.

Zwischen den USA und China herrschte Eiszeit, die Amerikaner führten gegen die Kommunisten Krieg in Vietnam. Es hätte bestimmt auch ohne Zhuang Zedong eine politische Annäherung zwischen China und den USA gegeben, womöglich auch ein Treffen zwischen den beiden Staatsoberhäuptern Mao Zedong und Richard Nixon. Aber die Annäherung wäre nicht als Ping-Pong-Diplomatie in die Geschichte eingegangen.

Zhuang Zedong war in den 60er Jahren dreimal hintereinander Einzel-Weltmeister im Tischtennis geworden. In der ersten Sportart, in der sich die Volksrepublik China überhaupt der Welt öffnete. Tischtennis schien perfekt zum kommusitischen China zu passen. Ein Volkssport, der überall und von jedem gespielt werden konnte. Mao wollte sein Land durch Tischtennis nach innen und daußen stärken und sagte: „Betrachtet den Tischtennisball als Kopf eures kapitalistischen feindes. Trefft ihn mit eurem sozialistischen Schläger und ihr habt den Punkt für das Vaterland gewonnen.“ Nach 1965 ließ China wegen der Kulturrevolution einige Weltmeisterschaften aus, Zhuang Zedong durfte zwischenzeitlich nicht mehr trainieren und auch 1971 in Nagoya spürte er noch den Druck der Kulturrevolution. „Jeder, der auch nur irgendeinen Kontakt zu einem Ausländer unterhielt, wurde als Verräter verdächtigt.“ Doch er nahm trotzdem den Mut zusammen und ging auf den fremd aussehenden Mann mit den langen Haaren zu, der versehentlich in ihren Bus gestiegen war, Glenn Cowan hieß er. „Ich kam aus einer gebildeten Familie und meine konfuzianische Erziehung hatte mich gelehrt, zu anderen freundlich zu sein“, erzählte er.

Um seine Absichten zu zeigen, kramte er in seiner Tasche nach einem Geschenk. Eine Mao-Mütze erschien ihm unpassend, deshalb überreichte er Cowan ein Seidentuch mit einer chinesischen Berglandschaft. Über einen Übersetzer sagte er ihm: „Obwohl die amerikanische Regierung nicht freundlich gegenüber China war, sind die Menschen in Amerika immer die Freunde der Chinesen gewesen.“ Cowan bedankte sich, beide tauschten noch einige Freundlichkeiten aus, und vielleicht wäre es bei einer netten zwischenmenschlichen Begegnung geblieben, wenn nicht Fotografen an der Sporthalle die beiden aufgenommen und die Zeitungen dieses Bild nicht am nächsten Tag auf ihren Titelseiten gedruckt hätten: Ein Chinese und ein Amerikaner zusammen mit einem Geschenk aus Seide.

Die Dinge nahmen ihren Lauf. In der Sporthalle ging diesmal Cowan auf Zhuang Zedong zu, wieder waren die Fotografen dabei. Und noch in Nagoya erhielt das Team der USA eine Einladung nach China. Sie reiste von Japan aus als erste amerikanische Delegation seit dem zweiten Weltkrieg in die Volksrepublik. Da war die Angelegenheit längst politisch geworden. Im Hintergrund arbeiteten die Diplomaten und Minister, es ging hin und her, ping und pong. Und ein Jahr reiste Nixon zum Staatsbesuch nach China. „Eine Woche, die die Welt verändert hat“, nannte der US-Präsident seine Reise.

Nixon und Mao mögen die Hauptdarsteller der Ping-Pong-Diplomatie gewesen sein, doch Zhuang Zedong und Glenn Cowan sind die Helden der Rahmenhandlung. Cowan lebt schon seit 2004 nicht mehr. Die Geschichte ihrer Freundschaft hielt Zhuang Zedong lebendig, er erzählte sie in China, er erzählte sie bei Reisen in die USA. Sie hat ihn mehr geprägt als seine insgesamt acht Weltmeistertitel. Am Sonntag ist Zhuang Zedong im Alter von 72 Jahren an Krebs gestorben.

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