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Zusammenhalt. 120 Kinder und Jugendliche verschiedener Herkünfte trainieren in der „Young Bafana Soccer Academy“.

© promo

„Young Bafana Soccer Academy“: Für Ziele und Tore: Mit der Fußballakademie nach Südafrika

Bernd Steinhage spielte für TeBe und TuS Makkabi, nun leitet er eine Fußballakademie in Südafrika. Die vereint Kinder unterschiedlicher Verhältnisse.

„Goal“, das ist im Englischen ein Wort mit doppelter Bedeutung. Es steht zum einen für das Ziel und – davon abgeleitet – zugleich auch für das Tor. Bernd Steinhage spielt mit dieser Ambiguität: Der gebürtige Südafrikaner, Sohn einer Namibianerin und eines Deutschen, hat nahe der südafrikanischen Metropole Kapstadt in seinem Heimatort Somerset West eine Fußballschule gegründet. Deren Auftrag ist wie folgt formuliert: „Give our kids a goal and direction in life“ – Kindern ein Ziel und eine Richtung geben. Oder eben ein Tor.

Denn was Steinhage mit seiner „Young Bafana Soccer Academy“ seit 2010 vorantreibt, ist die Verbindung von Fußball und Bildung. In den Townships, die während der sogenannten Rassentrennung in Südafrika für die nicht-weiße Bevölkerung eingerichtet wurden, herrscht noch immer Armut; Drogenmissbrauch, Kriminalität und HIV stellen weiterhin große Probleme dar. Fußball ist dort Sport Nummer eins.

Fußball ist der "Sport der Armen"

Dem gegenüber stehen die wohlhabenden Gegenden derer, die es geschafft haben oder die als Weiße infolge der Kolonialisierung und Apartheid schon immer privilegiert waren. Dort ist Fußball immer noch als „Sport der Armen“ verschrien, lieber spielt man Hockey, Kricket oder Rugby. Steinhage wollte daran etwas ändern: „Mein Ziel war es, Fußball an den Schulen zu verbreiten und gleichzeitig Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen eine Perspektive zu bieten.“

Vor der Gründung seiner Akademie hatte Steinhage fünf Jahre in Berlin verbracht: Hier studierte er, vor allem aber zog ihn, wie er sagt, „die Liebe zum Fußball“ in die Stadt. Eigentlich hätte er ein Probetraining beim Karlsruher SC absolvieren sollen, auf Einladung eines Freundes blieb er jedoch in Berlin hängen. „Ich dachte mir damals: Berlin ist eh viel schöner als so ein Kaff im Süden“, sagt Steinhage. Sein Studentenwohnheim befand sich damals in der Nähe des Mommsenstadions. Steinhage empfahl sich bei Tennis Borussia und spielte zwischen 2003 und 2008 für die Lila-Weißen sowie auch für TuS Makkabi.

Erst lernen, dann spielen. Bernd Steinhage gründete die „Young Bafana Soccer Academy“.
Erst lernen, dann spielen. Bernd Steinhage gründete die „Young Bafana Soccer Academy“.

© promo

Nach seiner Rückkehr in die Heimat fasste er den Entschluss, als Fußballtrainer und Lehrer zu arbeiten. Er startete sein Projekt zunächst mit Kindern aus wohlhabenderen Verhältnissen an seiner alten Schule. Die Idee: Jeweils zehn Spieler, die ihre regulären Teilnahmebeiträge bezahlen, sollten einem Spieler aus den Townships die Gratis-Teilnahme ermöglichen. Das Projekt wuchs schnell: Befeuert durch den Hype um die WM 2010 in Südafrika trainierte Steinhage bald schon 80 Kinder und Jugendliche, die zum Teil kilometerlange Fußwege aus den Townships auf sich nahmen, um am Training teilzunehmen.

Steinhage teilte das Training in Leistungsgruppen auf und versprach den besonders ambitionierten Kickern aus den Townships auch die Teilnahme am Ligabetrieb, wenn sie sich umgekehrt dazu verpflichten würden, zweimal in der Woche Englisch-Unterricht zu nehmen. „Kindern die Werkzeuge geben, um sich selbst zu helfen“, nennt Steinhage das. Und es funktionierte: „Die Kids haben alle richtig mitgezogen“, sagt der heute 34-Jährige. Er kaufte also einen alten VW-Bus, fuhr mit seinen Jungs von Spiel zu Spiel und gewann am Ende gar die Ligameisterschaft.

NGO professionalisierte den Fußball

Im Jahr 2014 war das Projekt dann so groß, dass Steinhage eine NGO gründete, um seine Fußballakademie zu professionalisieren. Mit Spendengeldern und Sponsoren konnte er fortan Lehrer und Trainer einstellen. Unterstützung kommt auch durch Vereine, Praktikanten und Ehrenamtliche aus Deutschland. Der BFC Dynamo etwa führt regelmäßige Schuhsammelaktionen zugunsten der Akademie durch. Zudem holte sich Steinhage durch die Berufung eines Vorstands Hilfe für die strategische Ausrichtung. „Irgendwann konnte ich die Entscheidungen nicht mehr alleine treffen“, hatte er erkannt.

Inzwischen lernen und trainieren etwa 120 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 18 Jahren in der „Young Bafana Soccer Academy“. Sie teilen sich auf sechs Teams auf, darunter befinden sich neben den von den Teilnehmern bezahlten Schulteams auch drei Leistungsteams der Altersklassen U 12, U 14 und U 18.

Die setzen sich aus talentierten Spielern aus den Townships zusammen, die sich dazu verpflichten, am Bildungsprogramm teilzunehmen. Das umfasst nun neben Englisch- und Mathematik-Unterricht auch die Vermittlung von sozialen und kommunikativen Kompetenzen. Die Spieler erhalten ein Vollstipendium inklusive Equipment, Transport, Verpflegung und medizinischer Versorgung. „Wir holen die Jungs von 15 bis 20 Uhr“, erklärt Steinhage. „Das ist echt ein langer Nachmittag, nachdem die vorher alle noch in der Schule waren.“

Zusammenhalten: Die "Young Bafana Soccer Academy" soll nicht nur fußballerische Kompetenzen vermitteln.
Zusammenhalten: Die "Young Bafana Soccer Academy" soll nicht nur fußballerische Kompetenzen vermitteln.

© promo

Viermal in der Woche trainieren sie, dazu kommen die Spiele am Wochenende. Zwei Spieler haben inzwischen Verträge bei südafrikanischen Profiteams unterschrieben, zwei weitere konnten sich für ein Stipendium an US-Colleges empfehlen. Steinhage spricht von „vielen, vielen unvorhersehbaren Erfolgsgeschichten“.

Am meisten zu schaffen macht dem Projekt die Infrastruktur: Die Kapazitätsgrenzen sind längst erreicht, ein Mädchenteam gibt es etwa noch nicht, und auch mit der Sportanlage ist die Akademie immer noch von Kommunen und anderen Vereinen abhängig. „Wir müssen den Leuten noch beibringen, dass Fußball eine schöne Sportart ist, die auch zivilisierte Leute betreiben“, sagt Steinhage.

Ein weiteres Ziel: Trainingslager anzubieten für Mannschaften aus dem Ausland, insbesondere aus Deutschland. Ein erstes Projekt für den kommenden Oktober war bereits „komplett durchorganisiert“, wie Steinhage erzählt. Da sollte eine U-16-Auswahl des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) nach Somerset West reisen, dort trainieren, ein professionelles Turnier bestreiten und ein Kulturprogramm genießen. Doch der BFV verpasste es, sich rechtzeitig um Fördergelder zu bemühen. Manchmal scheitern Ziele auch an Toren.

Leonard Brandbeck

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