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Klaps vom Teamchef. Alexander Winokurow (l.) steht mit seinem Topfahrer Vincenzo Nibali vor dem Tour-Sieg.

© dpa

Tour de France: Winokurow, Madiot, Lavenu: Die alte Ära fährt mit

Vincenzo Nibali steht vor einem überlegenen Sieg bei der Tour de France. In seiner Mannschaft Astana hat mit Alexander Winokurow ein Mann mit zweifelhaftem Ruf das Sagen - er ist nicht der einzige unter den Teamchefs im Tross.

Das Team Astana hat gleich zwei Stars. Der eine fährt bei der Tour de France im gelben Leibchen vorneweg. Er heißt Vincenzo Nibali und wird am Ende der Woche wohl den Grand Slam aus Siegen bei der Tour de France, dem Giro d’Italia und der Vuelta a España perfekt machen. Der andere steht lächelnd am Teambus und gibt mit so leiser Stimme Interviews, dass man fast in seinen Mund hineinkriechen muss, um ihn zu verstehen. Das ist Alexander Winokurow, 2012 Olympiasieger, ein fulminanter Attackierer und ebenso spektakulärer Doping-Sünder.

Der Leisesprecher ist ein mächtiger Mann im Radsport. Für ihn wurde nach dem großen Doping-Einschnitt 2006 ein ganzes Team aus der Taufe gehoben: Team Astana, finanziert von Staatsfirmen des an Rohstoffen reichen und an Demokratie eher armen Landes in der mittelasiatischen Steppe. Das Ziel war, dem kasachischen Nationalhelden das richtige Umfeld für Triumphe zu geben. Die traten prompt ein. Im Herbst 2006, die halbe Rundfahrer-Prominenz war wegen ihrer Verstrickung in den Fuentes-Skandal auf Eis gelegt, gewann Winokurow überlegen die Spanienrundfahrt. Der Kasache selbst brauchte den spanischen Arzt gar nicht; er hatte sich schon die Dienste des großen Konkurrenten Michele Ferrari gesichert. Für die Saison 2006 sind fünf Zahlungen über die Gesamtsumme von 50 000 Euro von Winokurow an „Dottore Epo“ belegt.

Wie es dazu kam, dass Winokurow trotzdem 2007 mit Fremdblutdoping erwischt wurde, wollten bis heute weder der Kasache noch sein Mentor erklären.

Winokurow hatte sich einst die Dienste von "Dottore Epo" gesichert

Nach einem durchwachsenen Comeback, das ihm einen von Betrugsverwürfen überschatteten Sieg beim Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich und einen von den Zuschauern mit Pfiffen bedachten Olympiasieg in London einbrachte, steht er dem Rennstall, der eigens für ihn gegründet wurde, nun als General Manager vor.

Als solcher freute er sich über ein ganz besonderes Event. Am 6. Juli, dem Geburtstag des kasachischen Staatspräsidenten Nursultan Nasarbajew, holte sich Nibali seinen ersten Touretappensieg und auch das erste Gelbe Trikot. „Ein schöner Tag für Kasachstan“, meinte Winokurow da. Das wirkt auch deshalb staatstragend, weil Winokurow von der herrschenden Partei Kasachstans für die Parlamentswahlen aufgestellt wurde. Als Rennstallmanager hatte er durchgesetzt, dass beim italienischen Meistertrikot von Nibali die Trikolore von dessen Heimatland kleiner geriet als üblich – und so mehr Platz war für die kasachische Sonne. Das löste einige Polemiken in Italien aus – und führte zur Bestätigung der alten Weisheit: Wer das Orchester bezahlt, bestimmt auch die Musik.

Ob Winokurow als Manager die alten Dopingpraktiken abgelegt hat, war oft Anlass für Spekulationen. Immerhin hat er die neue Rhetorik des Radsports perfekt drauf. „Wir haben ein Umfeld geschaffen, das seriös arbeitet und allen Antidopingrichtlinien folgt“, sagt er brav. Sein Spitzenfahrer Nibali springt ihm bei: „Er mag früher als Fahrer Fehler gemacht haben. Aber das liegt weit zurück. Als Manager verhält er sich anders. Er hat ein neues Team aus jungen, glaubwürdigen italienischen Fahrern aufgebaut.“

Madiot wusste als Fahrer, "wo der Kühlschrank mit dem Epo stand"

Wenn man fair ist, muss man Winokurow zumindest die Behandlung zugestehen, die anderen Teamchefs bei der Tour de France zuteil wird. Die heimische Presse ist voller Lob für AG2R-Boss Vincent Lavenu und FDJeux-Chef Marc Madiot. Bei ihnen sind die viel versprechenden Kletterer Thibaut Pinot (FDJeux), Romain Bardet und Jean-Christophe Peraud (AG2R) unter Vertrag. Über Madiot sagte sein Fahrer Erwann Menthéour während des Strafprozesses zur Festina-Affäre 1998: „Er wusste, wo der Kühlschrank mit dem Epo stand. Er hat uns nur eingeschärft, uns nicht erwischen zu lassen.“

Lavenu wiederum ist einer der Entdecker Winokurows. Und er verfügt über den zweifelhaften Ruhm, Rennstallchef des Radprofis zu sein, der als Allererster mit Dopingpräparaten im Hotelzimmer erwischt wurde. Auch das war 1998, während der Festina-Tour. Der Fahrer war Rodolfo Massi, der Rennstall hieß damals noch Casino.

Jetzt heißen die Fahrer anders – Nibali, Pinot, Peraud, Bardet. Und Doping scheint nicht mehr so stark verbreitet zu sein. Dennoch stehen hinter vier der besten Fahrer des Gesamtklassements weiterhin Teamchefs aus der alten Ära. Und mit Alejandro Valverde ist ein weiterer noch höchstselbst ein Mann der alten Zeit. Transformation ist ein langer, ein sehr langer Prozess.

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