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Frohe Weihnachten? Nicht alle Spieler von Hertha BSC dürften derzeit hundertprozentig zufrieden sein. Auf diesem Foto sind sie mit roten Leibchen markiert.

© REUTERS

Wie es 2020 in der Bundesliga weitergeht: Eine Stammelf und viele Härtefälle bei Hertha BSC

Seitdem Jürgen Klinsmann Trainer bei Hertha BSC ist, hat sich die Mannschaft stabilisiert. Trotzdem bleiben für die Rückrunde einige Fragen offen.

Der Samstag hielt für Eduard Löwen gleich zwei gute Nachrichten auf einmal bereits. Zunächst erfuhr der Mittelfeldspieler von Hertha BSC, dass er zum Abschluss der Hinrunde gegen Borussia Mönchengladbach erstmals seit Anfang November wieder bei einem Spiel der Fußball-Bundesliga in der Startelf stehen würde. Und dann wurde er von seinem Trainer Jürgen Klinsmann auch noch zum Freistoßschützen Nummer eins ernannt.

In dieser Eigenschaft gelang Löwen Mitte der ersten Halbzeit der Höhepunkt eines Spiels, das Matthias Ginter, der Verteidiger von Borussia Mönchengladbach, als „zum Einschlafen“ empfunden hatte. Aus mehr als 25 Metern traf Löwen die Latte des Gladbacher Tores.

Hertha BSC erfreut sich an den kleinen Dingen

Eduard Löwen stand am Samstagabend, nach dem 0:0 gegen den Tabellenzweiten aus Mönchengladbach, fast sinnbildlich für die gesamte Halbserie von Hertha BSC. Im Sommer war er für sieben Millionen Euro vom Absteiger Nürnberg nach Berlin gekommen. Er hatte große Ziele – genau wie der gesamte Verein. Doch weder seine Erwartungen noch die von Hertha BSC haben sich auch nur ansatzweise erfüllt. „Es ist offensichtlich, dass ich nicht zufrieden sein kann“, sagte Löwen. „Ich hab‘ mir natürlich mehr erhofft.“ Das Ende immerhin fiel für ihn, ebenso wie für den Klub, halbwegs versöhnlich aus.

Seit dem Trainerwechsel vor knapp vier Wochen haben die Berliner zumindest das Schlimmste verhindern können. „Das Wichtigste ist, dass wir uns stabilisiert haben“, sagte Jürgen Klinsmann, der Ende November als Nachfolger des glücklosen Ante Covic den Job übernommen hat. Als er anfing, lag die Mannschaft auf Platz 15, punkt- und torgleich mit Fortuna Düsseldorf auf dem Relegationsplatz; fünf Spieltage später hat sich Hertha ins halbwegs gesicherte Mittelfeld vorgearbeitet. „Man sieht einfach, dass da etwas am Wachsen ist. Die Mannschaft ist auf einem richtigen Weg“, sagte Klinsmann. „Sie hat immer mehr Selbstvertrauen.“

Das Unentschieden gegen die Gladbacher fügte sich in das Bild der vergangenen Wochen. Unter dem neuen Trainer liegt der Akzent ganz deutlich auf einer stabilen Defensive. Gladbachs Trainer Marco Rose bescheinigte den Berlinern, dass sie „sehr fleißig, sehr kompakt verteidigt“ hätten. „In den letzten Wochen haben sich einige Truppen die Zähne ausgebissen.“

Siegessicher: Berlins Trainer Jürgen Klinsmann
Siegessicher: Berlins Trainer Jürgen Klinsmann

© Soeren Stache/dpa

Schön anzusehen ist das nur punktuell. Dann nämlich, wenn Hertha über die flinken Offensivspieler umschaltet und tatsächlich so etwas wie choreografierte Angriffe zu erkennen sind. Dass die aktive Spielgestaltung in der täglichen Trainingsarbeit noch keine übermäßig große Rolle gespielt hat, war auch am Samstag wieder zu erkennen. Die Schönheit muss warten. „Wir bringen als Mannschaft die Basics wieder auf den Platz“, sagte Marvin Plattenhardt.

Hertha erfreut sich gerade an den kleinen Dingen. „In der zweiten Halbzeit konnte man sehen, dass wir die Null halten wollten so wie in den beiden Spielen zuvor“, berichtete Innenverteidiger Karim Rekik. Die Mannschaft ist wieder eklig und für jeden Gegner schwer zu bespielen. In Klinsmanns erstem Spiel, beim 1:2 gegen Dortmund, kassierte die Mannschaft zuletzt ein Gegentor aus dem Spiel heraus, zum Ende der Hinserie spielte sie dreimal hintereinander zu null. „Das ist ein schöner Erfolg für uns“, sagte Rekik. Zuletzt war Hertha das im Dezember 2015 und Januar 2016 gelungen, als die Gegner Darmstadt, Mainz und Augsburg hießen. „Dreimal hintereinander zu null – das heißt, wir machen ein paar Sachen richtig“, sagte Klinsmann.

Die Mannschaft, die mit den vielen verschiedenen Ideen von Ante Covic ein bisschen überfordert schien, besitzt jetzt wieder eine Struktur, sowohl personell als auch taktisch. „Seitdem das neue Trainerteam da ist, haben wir uns deutlich verbessert, vor allem in der Arbeit als Team. Jeder arbeitet für den anderen“, sagte Karim Rekik. Er empfindet Klinsmann und seinen Stab als „sehr professionell, sehr klar. Wir wissen, wie wir zu arbeiten haben. Nicht nur auf dem Platz, sondern auch außerhalb.“ Das gebe der Mannschaft ein gutes Gefühl.

Was wird aus Arne Maier?

Die Spieler wissen wieder, woran sie sind. Im Positiven, aber auch im Negativen. Die Kennenlernphase für Klinsmann scheint jetzt beendet zu sein. Er hat sich ein Bild von der Mannschaft gemacht, von der Tauglichkeit seiner Spieler. Dass sich in den vergangenen Spielen eine Stammelf herausgebildet hat, trägt erkennbar zur Stabilität bei; es heißt im Umkehrschluss aber eben auch, dass einige Spieler wohl erst einmal außen vor sind. Und das betrifft durchaus prominente Gesichter.

Niklas Stark, stellvertretender Kapitän und einziger deutscher A-Nationalspieler Herthas, saß zuletzt dreimal hintereinander auf der Bank. Auch Kapitän Vedad Ibisevic ist nur noch Ersatz. Weil er für die vornehmlich auf Konter angelegte Spielidee nicht mehr dynamisch genug ist, ist nun selbst Pascal Köpke an ihm vorbeigezogen.

Ondrej Duda, bester Scorer der Vorsaison, spielt ebenso keine Rolle mehr wie Salomon Kalou. Und auch Arne Maier dürfte sich nach den vergangenen Wochen Gedanken um sein Standing unter Klinsmann machen. Im letzten Spiel mit Ante Covic als Trainer feierte der U-21-Nationalspieler nach monatelanger Pause sein Comeback – und galt als Garant für mehr Stabilität bei Hertha. Auch Klinsmann lobte Maier, ließ ihn aber nur einmal spielen. In Leverkusen wechselte er ihn in der Schlussminute ein. Gegen Gladbach war Maier wegen der Gelbsperre von Marko Grujic ein Kandidat für die Startelf, Klinsmann aber entschied sich für Löwen.

Hinzu kommt, dass Hertha schon für die Rückrunde offenbar einen neuen Sechser, also einen weiteren Konkurrenten für Arne Maier, verpflichten will. Julian Weigl von Borussia Dortmund ist als möglicher Zugang gehandelt worden, zuletzt auch Granit Xhaka vom FC Arsenal, der nicht nur Kapitän des EM-Teilnehmers Schweiz ist, sondern Hertha wohl auch eine neue Rekordablöse kosten würde. Spieler solcher Güteklasse wären ohne Frage gut für die Mannschaft, aber eher schlecht für einige Spieler, die schon jetzt ein bisschen hinten dran sind. „Fußball ist Konkurrenzkampf“, sagte Eduard Löwen. „Damit muss jeder von uns umgehen können.“

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