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Viel Rauch um nichts. Hertha BSC hat sich von der Saison 2019/20 deutlich mehr erwartet.

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Wie die Saison für Hertha BSC bisher verlaufen ist: Vier Trainer und viele Peinlichkeiten

Am Samstag nimmt die Fußball-Bundesliga ihren Betrieb wieder auf. Zur Vorbereitung auf den Re-Start ein kurzer Rückblick, wie es Hertha BSC bisher ergangen ist.

Wenn Hertha BSC an diesem Samstag bei der TSG Hoffenheim antritt, werden exakt 70 Tage seit dem letzten Spiel der Berliner in der Fußball-Bundesliga vergangen sein. Letzter Gegner vor der Coronapause war … na, wer weiß es noch? Richtig: Werder Bremen. In dieser Spielzeit ist bei Hertha so viel passiert, dass man leicht den Überblick verliert. Hat Alexander Nouri eigentlich Ante Covic als Trainer abgelöst? Oder war das Jürgen Klinsmann? Daher hier noch einmal alles Wichtige, was bisher geschehen ist.

Das erste Tor der neuen Saison fällt am 11. August, an einem sonnigen Sonntag in Ingolstadt. Vladimir Darida bringt Hertha im DFB-Pokal mit 1:0 gegen den VfB Eichstätt in Führung und leitet damit einen ungefährdeten 5:1-Sieg ein. Überhaupt fängt die Saison verheißungsvoll an. Der neue Trainer Ante Covic verbreitet Aufbruchstimmung. Er hat den expliziten Auftrag, Hertha attraktiver zu machen. Weil Covic bei der U 23 die Außenverteidiger ins defensive Mittelfeld verschoben hat, wird er schon als eine Art Mini-Pep gesehen. Und der Tagesspiegel bescheinigt Herthas erster Elf ein Niveau, das „eindeutig über dem Bundesligadurchschnitt liegt“. Zur positiven Grundhaltung rund um den Klub passt auch Covics Debüt in der Bundesliga. Bei der Saisoneröffnung trotzt Hertha dem Deutschen Meister Bayern München ein 2:2-Unentschieden ab.

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Der erste Sieg. Doch der erste Eindruck täuscht. Auf den Achtungserfolg gegen die Bayern folgen drei Niederlagen und der Absturz auf Platz 18. Erst am fünften Spieltag gelingt Hertha der erste Sieg: ein zittriges 2:1 gegen den Aufsteiger und Vorletzten Paderborn, der im Olympiastadion eigentlich das bessere Team ist.

Das Zwischenhoch. Drei Siege hintereinander, der Einzug ins Pokal-Achtelfinale durch den Erfolg gegen Dynamo Dresden und nur eine Niederlage aus sechs Pflichtspielen: Hertha erlebt einen goldenen Herbstanfang. Mitte Oktober liegt Covic mit seinem Team auf Platz zehn. Besser soll es in dieser Saison – bisher – nicht mehr werden.

Klinsmann bringt den Laden durcheinander

Das Derby. Wie schaffe ich es, aufkommende Euphorie in Rekordtempo wieder zu ersticken? Ganz einfach. Mit einem Auftritt wie Anfang November in der Alten Försterei. Im ersten Bundesligaderby gegen den 1. FC Union spielt Hertha ohne Mumm. Feurig – ein bisschen zu feurig – geht es nur auf den Rängen zu. Zum Gesamtbild passt, wie Hertha dieses Spiel letztlich verliert: Zwei Minuten vor dem Ende entscheidet Schiedsrichter Aytekin nach einer zu forschen Attacke von Dedryck Boyata gegen Christian Gentner auf Elfmeter für Union. Der eingewechselte Sebastian Polter trifft zum 1:0-Endstand.

Trainerwechsel (I). Ante Covic gibt sich nach der Derby-Niederlage trotzig. Er empfiehlt den Blick auf die Tabelle, in der Hertha immer noch vor Union liege. Einen Spieltag und eine Niederlage später sieht das schon ganz anders aus, und wieder nur eine Woche später, nach einem 0:4 in Augsburg, endet das Experiment mit Covic. Zwei Tage darf der Trainerneuling noch auf eine Fortsetzung hoffen, dann gibt Hertha seinen Nachfolger bekannt: Jürgen Klinsmann.

Die 76 Tage. Das spannendste Fußballprojekt Europas hat Klinsmann Hertha genannt, als ihn Investor Lars Windhorst in den Aufsichtsrat berufen hat. Seine kurze Amtszeit als Trainer wirkt fast so, als wollte er mit aller Macht beweisen, dass er Recht hat. Fortan ist einiges los bei Hertha, weil Klinsmann Klinsmann-Dinge tut und den Laden gehörig durcheinanderbringt. Bei so viel Wirbel geht fast unter, dass er als Trainer in neun Spielen zwölf Punkte holt und sich Hertha unter ihm von Platz 15 auf Platz 14 verbessert.

Zwei von vier. Jürgen Klinsmann (links) löste Ante Covic als Trainer ab und wurde schließlich durch seinen Assistenten Alexander Nouri ersetzt, der wiederum für Bruno Labbadia weichen musste.
Zwei von vier. Jürgen Klinsmann (links) löste Ante Covic als Trainer ab und wurde schließlich durch seinen Assistenten Alexander Nouri ersetzt, der wiederum für Bruno Labbadia weichen musste.

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Der Goldrausch. Groß denken, oder wie Klinsmann sagt: Big Picture. Im Winter schlägt Hertha richtig zu, gibt so viel für neue Spieler aus wie kein anderer Klub in Europa. 76 Millionen Euro sind es. Für jeden Tag, den Klinsmann im Amt ist, also eine Million. Und das, obwohl statt Mario Götze, Julian Draxler und Granit Xhaka nur Santiago Ascacibar, Krzysztof Piatek und Matheus Cunha kommen. Und Lucas Tousart natürlich, der aber gleich wieder an seinen bisherigen Klub Olympique Lyon verliehen wird.

Trainerwechsel (II). Hertha wäre in der Bundesliga gerne Vorreiter in Sachen digitaler Transformation. Insofern müsste es dem Klub eigentlich gefallen, wie Jürgen Klinsmann drei Tage nach der 1:3-Niederlage gegen Mainz seinen Rücktritt als Trainer verkündet: auf seiner Facebookseite. Gefällt Hertha aber nicht, weil der Klub von dieser Entscheidung völlig überrascht und nun erst recht in eine Sinnkrise gestürzt wird. Dazu tragen auch Klinsmanns nachträgliche Erklärungen per Facebook-Live-Auftritt und sein geleakter Bericht über die Zustände bei Hertha („Die Geschäftsführung muss sofort komplett ausgetauscht werden“) bei.

Das Team nimmt die Dinge selbst in die Hand

Der Lückenbüßer. Als Alexander Nouri, bisher Klinsmanns erster Assistent, zum Cheftrainer befördert wird, sieht er sich mit einer unschönen Statistik konfrontiert: Nouri wartet seit 21 Ligaspielen auf einen Sieg. Den schafft er dann gleich bei seinem Debüt. In Paderborn gewinnt Hertha durch Treffer von Boyata und Cunha (offiziell ein Eigentor) mit 2:1. Und Jürgen Klinsmann freut sich im fernen Kalifornien heimlich mit. Schließlich hat er in seiner Generalabrechnung (noch in alter Rechtschreibung) empfohlen: „Laßt Alex Nouri und das Trainerteam die Saison auf jeden Fall zu Ende bringen. Die Mannschaft weiß, daß er nach wie vor eng mit dem alten Trainerstab kommuniziert.“

Trainerwechsel (III). Trotz der Fürsprache seines früheren Chefs (oder gerade deswegen) kann Nouri die Zweifel an seiner Person nie aus der Welt räumen. Sein erstes Heimspiel verliert er mit Hertha 0:5 gegen Köln; eine Woche darauf liegt die Mannschaft beim Abstiegskandidaten Fortuna Düsseldorf zur Pause 0:3 zurück. Dass Hertha noch ein 3:3 schafft, liegt weniger an den grandiosen Eingebungen des Trainers als daran, dass die Mannschaft die Dinge selbst in die Hand nimmt. Anfang April, einen Monat nach Beginn der Corona-Zwangspause, entschließt sich Hertha, zur Abwechslung mal wieder den Trainer zu wechseln. Am Ostermontag nimmt Bruno Labbadia seine Arbeit auf.

Facebook Live. „Wenn es einen Verein in der Fußball-Bundesliga gibt, der sich rühmt, in den sogenannten sozialen Netzwerken zu Hause zu sein, dann ist das Hertha BSC“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“, nachdem sich der Klub – diesmal in Person des sonst allseits geschätzten Salomon Kalou – zum wiederholten Mal der Lächerlichkeit preisgegeben hat. Kalou hat sich als Hobbyregisseur in eigener Sache versucht und live in die Welt gestreamt, wie bei Hertha in der Coronavirus-Pandemie gegen die Hygienevorschriften verstoßen wird. „Sala, bitte. Lösch das!“, fleht Physio David de Mel – und spricht damit vermutlich auch vielen Hertha-Fans ungewollt aus der Seele: Bitte, löscht das alles!

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