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Endlich wieder Stimmung. Die Fans, die sich von TeBe abgewandt haben, sind nach Redlichs Entmachtung zurückgekehrt.

© Imago / Matthias Koch

Wer hat bei Tennis Borussia das Sagen?: Showdown vor Gericht

Ende Juli wurde Vorstandschef Jens Redlich bei Tennis Borussia entmachtet. Jetzt entscheidet das Gericht, ob dieser Schritt rechtmäßig war.

Wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter zur Weihnachtsfeier einlädt, ist es nicht unüblich, dass es bei dieser Gelegenheit ein paar Geschenke gibt. Bei der Weihnachtsfeier der Fitnessstudio-Kette Crunch Fit am 9. Dezember 2018 soll das ein wenig anders gewesen sein. Demnach bekamen die Mitarbeiter Mitgliedsanträge für den Berliner Fußball-Oberligisten Tennis Borussia, verbunden mit dem Auftrag, diese bitte auszufüllen.

So jedenfalls erzählt es jemand, der damals dabei war. Jens Redlich, zu jener Zeit in Personalunion Chef von Crunch Fit und TeBe, widerspricht dieser Geschichte. Es habe keine „proaktive Adressierung“ an die Mitarbeiter seines Unternehmens gegeben, sagt er. „Das stimmt nicht.“ Nur vier bis sechs Leute von Crunch Fit seien kurz vor der anstehenden Mitgliederversammlung bei Tennis Borussia eingetreten, „um unsere Sache zu unterstützen“.

Rund um den früheren Bundesligisten kursieren gerade viele Geschichten. Seit mehr als einem Jahr tobt ein erbitterter Machtkampf zwischen Redlich und seinen Leuten auf der einen Seite und dem Aufsichtsrat, früheren Vorständen und großen Teilen der aktiven Fans auf der anderen.

An diesem Mittwoch kommt es zum möglicherweise entscheidenden Showdown. Unter dem Aktenzeichen 223 C 73/19 verhandelt das Amtsgericht Charlottenburg ab zwölf Uhr in Saal 142 darüber, ob die beiden Aufsichtsräte Franziska Hoffmann und Christian Gaebler Ende Juli Günter Brombosch und Steffen Friede zu neuen Vorständen bestimmen durften – oder ob Jens Redlich in sein Amt als Vorsitzender zurückkehren darf. „Wir haben unumstößliche Beweise, dass das alles nicht rechtens war“, sagt Redlich.

Im vergangenen November hatte Redlich aus einer Laune heraus seinen Rücktritt erklärt. Mit dieser Erklärung, notariell beglaubigt, ließen Hoffmann und Gaebler Ende Juli eine Änderung im Vereinsregister vornehmen – sehr zur Verwunderung Redlichs, der im Urlaub in den USA von diesem Schritt überrascht wurde. „Ich gehe davon aus, dass wir mehr als sehr gute Chancen haben, dass die Eintragung für ungültig erklärt wird und die Uhren zurückgedreht werden“, sagt er. „Das wäre gut für den Verein.“ 

Die Gegenseite sieht das naturgemäß anders – und ist guter Dinge, dass das Gericht in ihrem Sinne entscheidet. Am Montag hat der Vorstand für den 1. Oktober zur Mitgliederversammlung mit Wahlen zum Aufsichts- und Ältestenrat eingeladen. „Wir sind juristisch gut vorbereitet“, sagt die Aufsichtsratsvorsitzende Franziska Hoffmann.

Redlich hatte ein Eilverfahren vor dem Landgericht angestrebt, mit einem Streitwert von 25.000 Euro. Doch das Landgericht hat den Streitwert auf lediglich 4000 Euro festgelegt und das Verfahren an das Amtsgericht verwiesen.

Der neue Vorstand klagt über fehlende Unterlagen

Dass nun das Gericht entscheidet, ist nach den Entwicklungen der vergangenen Monate nur folgerichtig. Beide Seiten haben sich nichts mehr zu sagen und werfen der jeweils anderen mehr oder weniger schwere Verfehlungen vor. „Im Finanzbereich fehlen viele Unterlagen“, sagt Hoffmann. Der Sponsoringvertrag mit Crunch Fit zum Beispiel soll dem Verein nicht vorliegen. So kann auch niemand überprüfen, ob Redlichs Aussage stimmt, dass er seinen Verpflichtungen für die gesamte Saison bereits nachgekommen sei. In der Vergangenheit war es so, dass TeBe Crunch Fit monatlich eine Rechnung über den fälligen Teilbetrag ausgestellt hat, die daraufhin beglichen wurde.  

Der neue Vorstand hat zudem berichtet, dass Anfang des Jahres 384 neue Mitglieder in den Verein eingetreten seien, die als Bar-Zahler verzeichnet wurden. Die angeblich gezahlten Mitgliedsbeiträge von immerhin rund 40.000 Euro seien jedoch nirgendwo aufzufinden. Das stützt den Vorwurf, dass bei der Mitgliederversammlung Ende Januar nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Redlich konnte damals all seine Kandidaten für den Aufsichtsrat durchbringen.

Jens Redlich (Mitte) zelebriert seine Nähe zur Mannschaft von Tennis Borussia.
Jens Redlich (Mitte) zelebriert seine Nähe zur Mannschaft von Tennis Borussia.

© Imago / Matthias Koch

Nach der Mitgliederversammlung wandten sich die aktiven Fans von ihrem Klub ab, erst nach Redlichs Entmachtung kehrten sie zurück. Seitdem hat sich bei TeBe Aufbruchstimmung breitgemacht. Die Mannschaft ist souveräner Tabellenführer in der Oberliga. Die Zuschauerzahlen sind gut wie lange nicht. Der Verkauf von Merchandising-Artikeln hat deutlich angezogen, es gibt einen Mitgliederzuwachs und ein Plus bei den Dauerkarten. „Finanziell haben wir keine Sorgen“, sagt die Aufsichtsratsvorsitzende Hoffmann.

Redlich hingegen zelebriert sein gutes Verhältnis zur ersten Mannschaft. „Das Band zwischen Mannschaft, Trainer, Funktionsteam und dem bisherigen Vorstand ist sehr eng“, sagt er. Erst vor zwei Wochen lud er das gesamte Team zum Essen ein. Als die Spieler sich nach dem ersten Saisonspiel zum Jubelkreis formierten, war Redlich mittendrin.

Für das Heimspiel danach untersagte ihm die neue Vereinsführung, den Innenraum des Mommsenstadions zu betreten. Doch Redlich hielt sich nicht daran. Er berief sich auf Klauseln im Sponsorenvertrag, feierte erneut mit der Mannschaft auf dem Rasen und wurde schließlich erst von einem Ordner daran gehindert, zu den Fans zu gehen, von denen ihn einige bereits mit Schmährufen bedachten.

Zuletzt kam aus Redlichs Umfeld das Gerücht auf, dass die Spieler auf ihre Gehälter hätten warten müssen. „Wir wissen von Spielern, die zu spät bezahlt wurden“, behauptet der frühere Vorstandsvorsitzende. Der Verein hat das umgehend dementiert. „Alle uns vorliegenden Verträge wurden erfüllt“, sagt Hoffmann. Es habe lediglich eine Rückbuchung gegeben, weil es auf dem Überweisungsträger zu einem Zahlendreher gekommen sei.

Redlich wollte als der große Held dastehen

Redlich nährt mit solchen Vorwürfen die Erzählung, dass die neue Vereinsführung nicht nur kein Geld hat, sondern auch nicht mit Geld umgehen kann. Sollte er den Prozess am Mittwoch verlieren, „dann hätte der Verein ein existenzielles Problem“, sagt er. Redlich hat nach eigenen Angaben in drei Jahren als Sponsor und Vorsitzender 2,8 Millionen Euro in den Verein gesteckt.

Aufgestiegen ist die Mannschaft in dieser Zeit kein einziges Mal, obwohl TeBe stets deutlich mehr Geld zur Verfügung hatte als die Konkurrenz. Entsprechend großzügig soll es bei Tennis Borussia zugegangen sein. Der frühere Trainer Thomas Brdaric erhielt nach Informationen des Tagesspiegels in der fünften Liga fast 10.000 Euro im Monat, die Tätigkeit von Redlichs Gefolgsmann Andreas Voigt als Geschäftsführer soll monatlich mit 5000 Euro vergütet worden sein.

So stehen sich an diesem Mittwoch im Amtsgericht zwei unterschiedliche Modelle gegenüber: auf der einen Seite ein Verein, der von den Mitgliedern und deren Engagement getragen wird, auf der anderen ein Klub, in dem allein der Geldgeber das Sagen hat. Redlich war 2016 als Hauptsponsor bei TeBe eingestiegen; Anfang 2017 übernahm er den Vorsitz, weil er die Kontrolle über sein Geld behalten wollte. Aus seinem Umfeld heißt es, dass er von Anfang an den Plan hatte, Tennis Borussia zu übernehmen.

Bei einer Informationsveranstaltung der neuen Vereinsführung im August berichtete ein früheres Vorstandsmitglied, dass Redlich die finanzielle Schieflage, die ihn schließlich ins Amt befördert hat, selbst herbeigeführt habe. Im Winter 2017 verpflichtete TeBe ohne Zustimmung des Vorstands drei teure Spieler, am Saisonende fehlten schließlich 90.000 Euro, die Redlich großzügig beglich. Jens Redlich wollte als der große Held dastehen, erzählt jemand, der ihn gut kennt: „Er hat gehofft, dass die Leute ihn lieben.“

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