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Werder-Legende und Weltmeister. Horst-Dieter Höttges ist im Alter von 79 Jahren verstorben.

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Zum Tod von Weltmeister Horst-Dieter Höttges: Sie nannten ihn Eisenfuß

Horst-Dieter Höttges war Deutscher Meister mit Werder Bremen, Welt- und Europameister mit der deutschen Nationalmannschaft. Kurz vor seinem 80. Geburtstag ist er gestorben.

Gegen Ende seiner überaus erfolgreichen Karriere als Profifußballer hat Horst-Dieter Höttges noch einmal Bundesligageschichte geschrieben. Wenn auch eher passiv und vor allem unfreiwillig.

Es war am 17. August 1977, an einem verregneten Mittwochabend im Müngersdorfer Stadion zu Köln. Der heimische FC empfing den SV Werder Bremen mit seinem Vorstopper Höttges, der kurz vor seinem 34. Geburtstag stand und sich an diesem Abend um Kölns Mittelstürmer Dieter Müller kümmern sollte.

Gegen Höttges zu spielen, das war alles andere als eine spaßige Angelegenheit. „Ein unangenehmer Gegner“, hat Dieter Müller einmal erzählt. „Der hat auf alles getreten, was sich bewegt hat.“ Auch dieser Abend im August 1977 sollte ein schmerzhafter werden, aber nicht für Dieter Müller, den Kölner Stürmer, sondern für Horst-Dieter Höttges, der – in einer Mischung aus Ehrfurcht und Schrecken – Eisenfuß genannt wurde.

7:2 gewannen die Kölner gegen Werder, und Dieter Müller erzielte sechs der sieben Tore für den FC. Sechs Tore in einem Spiel, das ist bis heute Rekord in der Bundesliga. Vor diesem Spiel gegen Werder sei er besonders motiviert gewesen, hat Müller später erzählt – unter anderem weil Horst-Dieter Höttges getönt hatte: „Der Müller, der schießt gegen uns kein Tor.“

Höttges litt seit Jahren an Demenz

Höttges, der in seinen letzten Lebensjahren an Demenz litt, hat sich schon vor 20 Jahren nicht mehr an dieses historische Spiel erinnert. Oder erinnern wollen. Wie es denn ausgegangen sei, hat er damals am Telefon gefragt, als man ihn darauf ansprach. Zwei zu sieben. „Mmh, schönes Ergebnis. Da muss ich wohl ein schlechtes Spiel gemacht haben.“

Horst-Dieter Höttges, im September 1943 im Mönchengladbacher Arbeiterstadtteil Dahl geboren, hat deutlich mehr gute als schlechte Spiele gemacht. Sonst hätte er es als Fußballer nicht so weit gebracht, nachdem es ihn 1964 aus seiner Heimatstadt vom damaligen Regionalligisten Borussia Mönchengladbach in den Norden zu Werder Bremen verschlagen hatte.

66
Länderspiele hat Höttges bestritten.

Bei den Gladbachern war der junge Verteidiger durch den knorrigen Trainer Fritz Langner geprägt worden, der nicht von ungefähr den Spitznamen der „Eiserne Fritz“ trug. Langners harte Schule sollte sich auszahlen. Höttges zählte über viele Jahre zu den besten und auch gefürchtetsten Abwehrspielern in Deutschland. 420-mal hat er bis 1978 für Bremen in der Bundesliga gespielt. Gleich in seiner ersten Saison gewann er 1965 mit dem SV Werder, zu dessen Ehrenspielführer er später ernannt wurde, die deutsche Meisterschaft.

Auch in der Nationalmannschaft war Horst-Dieter Höttges über Jahre eine feste Größe. 66 Länderspiele hat er bestritten, dabei an drei WM-Endrunden (1966, 1970 und 1974) teilgenommen. Der kompromisslose Verteidiger gewann 1972 mit der angeblich besten Nationalmannschaft der deutschen Fußball-Geschichte den EM-Titel und darf sich auch Weltmeister nennen – obwohl sein Beitrag zum Titelgewinn 1974 überschaubar war.

Als Reservist bei der Heim-WM. Horst-Dieter Höttges, stehend neben Bundestrainer Helmut Schön.

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Nach fünf Einsätzen 1966 in England und vier Spielen 1970 in Mexiko stand Höttges bei der Heim-WM 1974 nur noch einmal, im dritten Vorrundenspiel gegen die DDR, auf dem Platz. In der 68. Minute wurde er eingewechselt, kurz darauf erzielte Jürgen Sparwasser den Siegtreffer zum 1:0.

„Eigentlich bin ich bescheuert gewesen, überhaupt loszulaufen“, hat Sparwasser einmal über die Entstehung des Tores erzählt, das ihn berühmt gemacht hat. „Da warteten vier Leute auf mich: Berti Vogts, Horst-Dieter Höttges, Bernd Cullmann und dazu noch Sepp Maier im Tor.“ Aber Sparwasser hatte Glück, dass ihm der Ball an die Nase sprang und dadurch seine Richtung veränderte. Das habe ihm den entscheidenden Vorteil vor Höttges verschafft, der nicht mehr eingreifen konnte.

Die 22 Minuten im Hamburger Volksparkstadion gegen die DDR waren für Horst-Dieter Höttges die letzten in der Nationalmannschaft. Für seinen Verein aber blieb er auch in den Jahren danach noch wichtig – überlebenswichtig. Dass die Bremer in jener Zeit verlässlich mit dem Abstieg flirteten und trotzdem immer wieder davonkamen, lag nicht zuletzt an ihrem Kapitän und Routinier. „Solange ich spiele, steigt Werder nicht ab“, hatte Höttges einmal gesagt. Er sollte Recht behalten.

Aber selbst Höttges, der am Ende seiner Karriere als Libero auflief, weil man als Libero nicht so viel laufen musste, konnte nicht ewig spielen. 1978 mit knapp 35 Jahren nahm er Abschied von Werder und der Bundesliga. „Ich hätte gern noch länger gespielt“, hat er später erzählt, aber Werders Manager Rudi Assauer wollte seinen Vertrag nicht mehr verlängern. Zwei Jahre später stiegen die Bremer erstmals aus der Bundesliga ab.

Dem SV Werder ist Höttges trotzdem immer verbunden geblieben. Er hat noch ein Jahr für die Amateure des Klubs gespielt, später als Trainer und Betreuer in Werders Nachwuchsabteilung gearbeitet und war, als es seine Gesundheit noch zuließ, eigentlich bei jedem Werder-Spiel im Weserstadion zu Gast.

Wie erst jetzt bekannt wurde, ist Horst-Dieter Höttges am 22. Juni, wenige Wochen vor seinem 80. Geburtstag, gestorben. Als vierter Weltmeister von 1974 nach Heinz Flohe, Gerd Müller und Jürgen Grabowski – und auf den Tag genau 49 Jahre nach seinem letzten Länderspieleinsatz, 1974 im Hamburger Volksparkstadion gegen die DDR.

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