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Banger Blick zurück. Jonjoe Kenny und Toni Leistner (v. r.) kassierten mit Hertha in Wiesbaden bereits die siebte Niederlage in dieser Saison.

© IMAGO/Rene Schulz

War’s das jetzt mit dem Aufstieg?: Hertha BSC fehlt die Konsequenz für mehr

Der erste Monat ist entscheidend, hat Trainer Pal Dardai vor dem Rückrundenstart gesagt. Wenn das stimmt, sind die Aussichten für Hertha BSC für den Rest der Saison nicht gerade rosig.

Zwei Tage vor dem Auswärtsspiel seiner Mannschaft gegen Wehen Wiesbaden erlaubte sich Pal Dardai einen für ihn ungewohnten Anflug von Optimismus. Der Trainer von Hertha BSC zog einen ersten Vergleich zwischen dem Abschneiden in der Hinrunde und dem in der Rückrunde. Einen Punkt mehr habe seine Mannschaft nach dem ersten Spiel der Rückrunde, sagte Dardai. Und mit Blick auf die anstehende Begegnung in Wiesbaden: „Wenn du da gewinnst, dann hast du schon vier Punkte mehr als in der Hinrunde.“

Wenn das Wörtchen wenn nicht wär, wäre Hertha BSC der Aufstieg in die Fußball-Bundesliga wahrscheinlich nicht mehr zu nehmen. Das Blöde ist: Die Wirklichkeit kommt den Berlinern immer wieder in die Quere. Auch am Samstag wieder, beim 1:3 gegen den Aufsteiger Wehen Wiesbaden. „Eine Reise umsonst“ sei das gewesen, sagte Dardai. „Den Tag muss man schnell vergessen.“

Genau das aber könnte schwierig werden. Denn in der Wahrnehmung vieler Hertha-Fans war der Samstag der Tag, an dem ihr Verein die Chance auf den Aufstieg wohl vorzeitig verspielt hat. Die Mannschaft bleibt im Niemandsland der Tabelle gefangen, durch den Sieg des Karlsruher SC beim HSV am Sonntag ist sie sogar wieder in die untere Tabellenhälfte zurückgefallen.

Ausgerechnet gegen einen Aufsteiger, dessen Trend mit nur einem Punkt aus den vergangenen fünf Spielen deutlich nach unten zeigte, endete für Hertha eine Serie von zehn Pflichtspielen ohne Niederlage. Das hört sich erst einmal nach beeindruckender Stabilität an. Bei genauerem Hinsehen aber relativiert sich diese Bilanz ein wenig.

Abzüglich der beiden Siege im Pokal sind für Hertha in den acht ungeschlagenen Ligaspielen vor der Reise nach Wiesbaden nur drei Siege herausgesprungen; gleich fünf Begegnungen endeten unentschieden.

Der Fortschritt in der Tabelle war in Wirklichkeit nur ein Scheinfortschritt. Die Berliner verbesserten sich zwar von Platz elf auf Platz acht. Der Abstand auf Rang zwei vergrößerte sich im selben Zeitraum allerdings von acht auf neun Punkte. Und der auf den Relegationsrang von sieben auf acht Punkte. Aktuell sind es sogar neun.

Schwerer Gang. Pal Dardai haderte nach der Niederlage in Wiesbaden mit dem Auftritt seiner Mannschaft.
Schwerer Gang. Pal Dardai haderte nach der Niederlage in Wiesbaden mit dem Auftritt seiner Mannschaft.

© dpa/Jörg Halisch

Hertha ist das Thema Aufstieg in dieser Saison bewusst defensiv angegangen. Verständlicherweise, wie sich jetzt zeigt. Nach den jüngsten beiden Abstiegen (2010 und 2012) war das noch anders. Da hat der Klub kein Geheimnis daraus gemacht, dass er all in geht.

Das hat er sich diesmal buchstäblich nicht leisten können. Hertha stand im Sommer kurz vor der Insolvenz, und doch ist der Einsatz – gerade angesichts der finanziellen Situation – enorm hoch. Die Berliner leisten sich, trotz all der jungen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, immerhin den zweitteuersten Kader der Liga. Gemessen daran fällt der Ertrag insgesamt zu dürftig aus.

„Ziemlich viel entscheidet sich im ersten Monat“, hat Trainer Dardai nach dem Trainingslager in Spanien gesagt. Im Pokal geht es am kommenden Mittwoch gegen Kaiserslautern um den ersten Einzug ins Halbfinale seit acht Jahren, und in der Liga bekommen es die Berliner in den ersten vier Spielen des Jahres mit drei Mannschaften zu tun, die nach der Hinrunde in der Tabelle vor ihnen standen: mit Düsseldorf, dem Hamburger SV und Greuther Fürth.

Da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die Mannschaft ausgerechnet gegen den vermeintlich leichtesten Gegner patzte. Das 1:3 in Wiesbaden war bereits die siebte Niederlage in dieser Spielzeit. Damit hat Hertha schon nach 19 Spieltagen häufiger verloren als in den beiden Aufstiegsjahren 2013 (zwei Mal) und 2011 (sechs Mal).

Düsseldorf (2018), Köln (2019), Bochum (2021) und Schalke (2022) sind mit neun Saisonniederlagen Zweitligameister geworden; der VfB Stuttgart ist 2020 als Zweiter aufgestiegen, obwohl er sogar zehn Spiele verloren hat. Auch für Hertha ist also noch nicht alles verloren. Aber die Mannschaft wirkt bei aller individuellen Qualität, die im Kader versammelt ist, nicht so gefestigt, dass sie die Liga wie selbstverständlich zu dominieren versteht.

„Die Aggressivität hat für mich gefehlt“, hat Trainer Dardai nach dem Spiel in Wiesbaden gesagt. Das gilt auch fürs große Ganze. Herthas Mannschaft hat in dieser Saison in entscheidenden Momenten den Killerinstikt vermissen lassen, hat Gegner wie Hannover oder Karlsruhe noch entwischen lassen, die man bereits im Schwitzkasten zu haben schien.

Für diesen Killerinstikt, den bedingungslosen Willen zum Erfolg, steht vor allem Fabian Reese. Drei Spiele hat Herthas bester Spieler bisher verpasst. Keins davon haben die Berliner gewonnen. Im Pokalspiel am Mittwoch soll Reese sein Comeback feiern. Zumindest für ein paar Minuten.

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