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Timo Boll (r.), 32, ist Rekord-Europameister und stand als bisher einziger deutscher Tischtennisspieler an der Spitze der Weltrangliste. Das Bild zeigt ihn bei seiner Viertelfinalniederlage bei der WM im Mai gegen seinen neuen chinesischen Doppelpartner Ma Long.

© AFP

Timo Boll im Interview: „Wahnsinn, diese Athletik“

Tischtennisspieler Timo Boll erzählt im Tagesspiegel über sein erfolgreiches deutsch-chinesisches Doppel mit Ma Long.

Timo Boll, Sie haben erstmals mit einem Chinesen ein Turnier im Doppel gespielt und am Sonntag mit Ma Long die China Open gewonnen. Die chinesische Tischtennisführung will den Sport durch das Doppelspiel mit anderen interessanter machen und andere Länder fördern. Haben Sie sich am Tisch gefühlt wie in einem Entwicklungshilfeprojekt?

Ich habe auch gehört, dass die Chinesen das Entwicklungshilfe nennen, mit dieser Bezeichnung haben sie es etwas übertrieben. Wir Europäer spielen dadurch ja nicht besser. Aber es war interessant und hat großen Spaß gemacht. Und die Chinesen mussten offener sein und ein bisschen mehr Englisch sprechen. Das hat ihnen auch gutgetan.

War es denn ein Zusammenspiel von zwei gleichberechtigten Partnern?

Auf jeden Fall. Ich habe Ma Long vor dem Ballwechsel angezeigt, welche Aufschläge er machen soll, damit ich gut ins Spiel komme, und er hat mir ebenfalls gezeigt, welche Aufschläge ich machen soll. Unser Spielverständnis stimmt schon ziemlich weit überein. Deshalb habe ich mir ja auch Ma Long ausgesucht.

Sie durften Ihren chinesischen Doppelpartner selbst bestimmen?

Ja, bei der WM im Mai in Paris kam Chinas Cheftrainer Liu Guoliang zu mir und hat mich gefragt, ob ich mir bei ein paar Turnieren ein Doppel mit einem Chinesen vorstellen könnte und mit wem ich gerne spielen würde. Ich hatte gleich Ma Long im Kopf, weil er vom Spielsystem gut zu mir als Linkshänder passt, er spielt sehr druckvoll und mit einer starken Vorhand. Liu Guoliang sagte mir: Super, er hätte sich auch Ma Long für mich ausgeguckt.

Zhang Jike, der Einzel-Olympiasieger, kam für Sie nicht infrage?

Er spielt zu viel Rückhand, damit passt er besser zu einem Rechtshänder.

Haben Sie in diesem Doppel etwas über die Chinesen erfahren, was Sie noch nicht wussten?

Bei meinen längeren Aufenthalten in China habe ich ja schon viel mit ihnen trainiert, aber es war interessant, einen wie Ma Long neben sich zu erleben. Wahnsinn, wie er die Bälle noch erreicht, diese Athletik. Ich habe im Ballwechsel immer wieder mal gedacht: Der Punkt ist weg. Aber dann kommt Ma Long doch noch an den Ball. Wir hätten aus dieser Position allenfalls einen Notschlag spielen können, aber er bringt die Bälle immer noch aggressiv zurück. Das hat auch Dima beeindruckt…

… Ihren Nationalmannschaftskollegen Dimitrij Ovtcharov, der bei den China Open ebenfalls mit einem Chinesen gespielt hat, mit Yan An, und gegen Sie und Ma Long 1:3 im Finale verloren hat…

… Ja, er hat mir hinterher gesagt: Mensch, mit was für einer Gewalt Ma Long die Bälle spielt. Ich habe beim Einspielen auch mal mit Ma Longs Schläger gespielt. Der war ganz anders.

Wie denn?

Viel schneller. Und er hat viel mehr Rotation erzeugen können. Der Ball springt auch viel höher nach dem Treffpunkt ab als bei meinem, der Schläger hilft also sehr beim schnellen, druckvollen Spiel.

Haben Sie im Doppel mit Ma Long auch etwas über Ihr eigenes Spiel erfahren?

Mit meinen Aufschlägen war ich nicht zufrieden. Da muss ich mich erst wieder reinfuchsen, ich habe bei großen Turnieren länger kein Doppel gespielt, um meine Kräfte fürs Einzel zu schonen. Aber ich glaube, ich werde jetzt mein Aufschlagtraining fürs Doppel wieder intensivieren. Das Doppel mit Ma Long wäre schließlich eine Möglichkeit, Titel zu gewinnen.

Ist das jetzt ein neues Karriereziel für Sie, Weltmeister im Doppel?

(lacht) Dafür muss erst die Regel geändert werden, damit Spieler aus unterschiedlichen Ländern gemeldet werden können. Aber die Chinesen würden das Doppel gerne auch bei Weltmeisterschaften öffnen, hat mir Liu Guoliang gesagt. Ma Long und ich wären eine Paarung, die das schaffen könnte.

Sie sind aufgrund Ihrer Erfolge und Ihres zurückhaltenden Auftretens in China sehr populär. An der Seite eines Chinesen müssten Sie von den Zuschauern noch mehr angefeuert worden sein.

Es haben viele Zuschauer meinen Namen gerufen, „Bor!“ – so sprechen sie ihn aus. Überhaupt war wieder viel los, im Hotel haben einige Groupies auf mich gewartet. Ein Mädel um die 20 hat mir sogar eine Briefmarkensammlung geschenkt.

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.

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