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Am Freitagabend wurde Nadiem Amiri offenbar von einem Spieler des 1. FC Union rassistisch beleidigt.

© imago images/Matthias Koch

Vorwurf gegen Hübner vom 1. FC Union: Im Kampf gegen Rassismus sind Worte nicht genug

Rassismus zu verurteilen ist wichtig, reicht aber nicht. Sollten wirklich die Worte "Scheiß-Afghane" gefallen sein, muss Union Konsequenzen ziehen. Ein Kommentar.

Als der 1:0-Sieg des 1. FC Union gegen Bayer Leverkusen am Freitagabend direkt nach dem Abpfiff von Rassismus-Vorwürfen überschattet wurde, fanden viele im Stadion an der Alten Försterei sehr schnell die richtigen Worte. Der Fall müsse aufgeklärt werden, sagte Union-Trainer Urs Fischer. So etwas dürfe nie auf einem Fußballplatz passieren, sagte sein Leverkusener Kollege Peter Bosz. Rassismus habe weder im Fußball noch in der Gesellschaft etwas zu suchen, betonte Christian Arbeit, der Vereinssprecher der Köpenicker.

Die richtigen Worte fand am Samstagmorgen dann auch Oliver Ruhnert. „Wir verurteilen grundsätzlich jede Art von Rassismus“, sagte der Manager des 1. FC Union – um diese Aussage dann doch noch ein bisschen zu qualifizieren. Was die Vorwürfe vom Vorabend betreffe, gehe der Klub „nicht von irgendeinem Skandal rassistischer Art aus“. Im „Eifer des Gefechts“ seien manche Aussagen möglicherweise „überinterpretiert“ worden.

Zuerst einmal die etwas verwirrende Faktenlage: Am späten Freitagabend hatte Leverkusen-Verteidiger Jonathan Tah unmittelbar nach dem Schlusspfiff in einem Fernsehinterview behauptet, dass ein Union-Spieler seinen Teamkollegen Nadiem Amiri als „Scheiß-Afghane" bezeichnet habe. Wie Leverkusen später mitteilte, hätte sich der Spieler später bei Amiri – einem deutschen Nationalspieler, dessen Eltern aus Afghanistan stammen – entschuldigt. Laut Ruhnert habe der beschuldigte Union-Profi Florian Hübner aber intern betont, dass diese Worte nicht gefallen seien. Eine Strafe durch den Verein gebe es erst einmal nicht, denn Konsequenzen könne es nur geben, „wenn irgendwas gewesen ist“, so der Manager.

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Ob und was tatsächlich gewesen war, wird nun der DFB-Kontrollausschuss untersuchen müssen. Die Ermittlungen werden am Montag aufgenommen und die Beteiligten zu Stellungnahmen aufgefordert, teilte der Verband am Samstag mit. Bis dahin gilt es aber nicht zu vergessen, dass Konsequenzen generell viel mächtiger als Worte sind. Es ist gut, dass Rassismus immer wieder schnell verurteilt wird. Es ist auch richtig, dass dieser Fall in Ruhe aufgeklärt werden soll. Aber irgendwann muss der Fußball vielleicht auch mal verstehen, dass Worte und Gesten nicht genug sind.

Konsequenzen hinter den Kulissen reichen nicht

Im vergangenen Jahr positionierten sich viele Profis, Vereine und Verbände gegen Rassismus, indem sie ihre Solidarität mit der Black-Lives-Matter Bewegung in den USA ausdrückten. Wie viele schon damals betont haben, war das gut, aber nicht genug. Bei solchen kollektiven Gesten geht es oft nur um Rassismus als ein nebulöses Übel, von dem TV-Kommentatoren in gravitätischen Tönen sprechen. Aber wie Union-Stürmer Anthony Ujah im vergangenen Juni sehr deutlich schilderte, ist Rassismus weit mehr als ein bloßes Konzept. Es ist für viele Menschen, auch für Fußballer, leider noch immer gelebte Realität.

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Wenn ein weißer Fußballspieler den Begriff „Scheiß-Afghane“ benutzt haben sollte, dann ist das reeller Rassismus. Jener Fußballer mag sonst ein überzeugter Antirassist sein, aber in diesem Moment agiert er rassistisch, aus welchem Grund auch immer. Und dieser reelle Rassismus muss nicht nur verurteilt, sondern auch bekämpft werden.

Handeln müsste in diesem Fall auch der Verein. Im vergangenen Jahr hat Union einen Spieler wegen „unsolidarischen Verhaltens“ bei einem Gehaltsverzicht aus dem Kader gestrichen. Falls bewiesen werden sollte, dass Hübner Amiri rassistisch beleidigt hat, dann darf sich der Klub vor einer mutigen und damit harten Strafe nicht scheuen. Und die Sanktion sollte auch sichtbar sein. Sowohl Ruhnert als auch Amiris Teamkollege Kerem Demirbay hatten nach dem Vorfall gesagt, dass das, was auf dem Platz passiert, lieber auf dem Platz bleiben sollte. Aber eine solche Omertà würde der gesellschaftlichen Verantwortung des Fußballs nicht gerecht. Wenn die Beleidigung fiel, dann fiel sie in der Öffentlichkeit. Konsequenzen dürfte es folglich nicht nur hinter den Kulissen geben. Auch der Spieler stünde in der Pflicht. Eine öffentliche Entschuldigung wäre ein guter Anfang. Aber auch das würde nicht genügen. Denn mit Worten alleine wird man Rassismus nie bekämpfen.

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