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Eunice Kennedy Shriver (l.) ist Begründerin der Special Olympics, die hier 1968 in Chicago stattfanden.

© imago sportfotodienst

Von einer Hilfsorganisation zum Erfolgsprojekt: Was die Kennedy-Familie mit den Special Olympics zu tun hat

Gernot Buhrt war Mitbegründer von Special Olympics Deutschland. Er spricht über die Anfänge der Special Olympics World Games und die aktuelle Auflage in Berlin.

Von Daniel Goldstein

Gernot Buhrt arbeitet seit 33 Jahren im Rehabilitationszentrum Berlin-Ost. Er war Mitbegründer von Special Olympics Deutschland. Vor dem Start der World Games in Berlin (17. bis 25. Juni) spricht Buhrt über Special Olympics weltweit, in Deutschland, die Entwicklung und deren Bedeutung.

Herr Buhrt, wie sind Sie zu der Organisation Special Olympics und zum Sport für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung gekommen?
Nachdem ich mein Studium an der Deutschen Hochschule für Sport und Körperkultur in Leipzig beendet hatte, begann ich als Leitungsassistent im Bundesvorstand des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) zu arbeiten. Später wurde ich Nachwuchsverbandstrainer im Deutschen Verband für Leichtathletik der DDR. So kam ich in den Hochleistungsbereich, aber ehe ich so richtig anfangen konnte, kam die Wende und wir organisierten für den DTSB in Lichtenberg die letzte Kreisspartakiade (Nachwuchssportwettkämpfe, Anm. d. Red.).

Wie ging es dann weiter?
Dort wurde ich auch auf ein Angebot des Rehazentrums Berlin-Lichtenberg aufmerksam. Das war damals noch staatlich und die suchten einen Sportpädagogen. Sport sollte nicht nur als Bewegungstherapie, sondern richtig organisiert werden. Das Rehazentrum hatte schon Kontakt mit Special Olympics und 1988 bereits mit einer kleinen Delegation an den nationalen Sommerspielen in Polen teilgenommen.

Es gab damals also weder in der Bundesrepublik noch in der DDR einen nationalen Special-Olympics-Verband?
Genau. In der DDR bestand durch die in Polen geknüpften Kontakte der Wunsch dazu, so etwas zu etablieren. Neben Polen gab es auch in China, der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Ländern Special Olympics. In der Bundesrepublik Deutschland sind schon 1982 verschiedene Stellen angesprochen worden und es gab immer auch einen kleinen Austausch über die Bundesvereinigung Lebenshilfe.

Woran scheiterte es seinerzeit?
Aufgrund verschiedener Widerstände und Vorbehalte wurde vorerst keine eigene Organisation gegründet. Special Olympics Berlin hat dann Ende September 1990, ein paar Tage vor der Wiedervereinigung, das erste regionale Sportfest mit Anerkennung von Special Olympics International im damaligen Ostberlin durchgeführt. Irgendwann im Frühjahr 1991 gab es ein Treffen in Frankfurt/Main mit Special Olympics International und einigen anderen Partnern.

Dort wurde beschlossen, dass es ein Gründungsgremium für Special Olympics Deutschland geben soll. Und wir durften direkt an den Special Olympics World Games im Juli 1991 in Minneapolis (USA) teilnehmen. Wir flogen damals von Paris aus in einem großen, von einem Sponsor zur Verfügung gestellten, Flugzeug gemeinsam mit der französischen Delegation, denen der baltischen Staaten und einigen anderen in die USA. Das war ein großes Erlebnis.

Special Olympics hat ein ganz tolles Konzept.

Gernot Buhrt, Mitbegründer von Special Olympics Deutschland

Kurz zur Geschichte von Special Olympics International. Wie hat sich die Organisation überhaupt gegründet?
Die Organisation geht auf eine Initiative der Kennedy-Familie zurück. Was viele damals nicht wussten, John F. Kennedy hatte eine Schwester, die geistig behindert war. Das wurde lange Zeit verschwiegen, aber dann wurden irgendwann, von der Familie angestoßen, Initiativen ins Leben gerufen. Es begann mit Sommerlagern, bei denen viel Sport getrieben und festgestellt wurde, dass das gut funktioniert. Es gab dann einige Initiativen, auch im kulturellen Bereich.

Lange wurde verschwiegen, dass die Schwester von John F. Kennedy und Eunice Kennedy (im Foto) geistig behindert war.
Lange wurde verschwiegen, dass die Schwester von John F. Kennedy und Eunice Kennedy (im Foto) geistig behindert war.

© imago sportfotodienst

Daraus entstand Special Olympics als nationale Hilfsorganisation 1968. Dann gab es relativ schnell die ersten Wettbewerbe, 1968 noch mit 1000 Teilnehmern aus den USA und Kanada. Es wurde dann immer größer. Man muss natürlich feststellen, dass das kein klassischer Sportverband ist, der von unten nach oben gewachsen ist, sondern umgekehrt, der eher wie eine Stiftung geführt wird.

1968
In dem Jahr entstand Special Olympics als nationale Hilfsorganisation.

Wie sind die World Games, also die sportlichen Wettbewerbe, organisiert?
Special Olympics hat ein ganz tolles Konzept. Das ist mir sofort aufgefallen. Auch durch meine eigene Geschichte als Sportler. Es geht hier um Leistungsgruppen. Am Anfang gibt es so etwas wie eine Leistungserfassung. Zum Beispiel, wie schnell kann ein Sportler oder eine Sportlerin rennen. Und danach werden sie dann in Leistungsgruppen eingeteilt, in denen sie nicht mehr als 15 Prozent leistungsmäßig auseinander sein dürfen. Die Chance, im eigentlichen Wettbewerb auch etwas zu stemmen und nicht abgehängt zu werden, was ja absolut demotivierend ist, ist groß.

Special Olympics versucht das Erfolgserlebnis zu organisieren, mit dem Ziel, dass diese Menschen dranbleiben, weitermachen, weiter trainieren. Special Olympics ist ein Breitensportkonzept, das Motivationshilfen dafür schafft, dass Menschen möglichst lebenslang Sport treiben. Sport als Basis für die Gesunderhaltung, aber auch als Kontaktmöglichkeit. Das Leistungsklassen-Prinzip ermöglicht auch wunderbar das inklusive Sporttreiben gemeinsam mit nichtbehinderten Menschen.

Das ist dann schon sehr konträr zu den Profisport-Events, die derzeit veranstaltet werden.
Ja. Der moderne Profisport findet in einer Blase statt, ist mehr eine Theaterveranstaltung. Bei den Special Olympics World Games geht es um Sport pur, Lebensfreude pur und um das, worum es beim Sport gehen soll: Den fairen Wettstreit miteinander, bei dem man natürlich versucht, den anderen auszustechen. Wenn man aber fertig ist, umarmt man sich, klatscht ab, neidet dem anderen auch den Sieg. Dadurch bin ich auch die ganzen Jahre dabeigeblieben.

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