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Vladimir Darida posiert mit einem Berliner Kneipenwirt für das neue Sponsorenlogo.

© Hertha BSC

Virtuelle Kneipen zum Erhalt der echten: Wie die Fans das Berliner Geisterderby schauen

Die kleine Kneipe in unserer Straße hat gerade geschlossen. Fans von Hertha und Union kämpfen auch beim Derby für ihren Erhalt.

Wenn er über das Trikot spricht, das sein Verein am Freitag im Olympiastadion trägt, bekommt Knut Beyer Gänsehaut. „Das macht mich so stolz, ich könnte echt heulen“, sagt der 59-Jährige. Beyer ist Mitinitiator der „Aktion Herthakneipe“, einer Spendeninitiative, die Hertha-Fankneipen in ganz Berlin durch die Coronakrise helfen soll.

Und wie Hertha am Donnerstag mitteilte, wird die Mannschaft gegen Union mit der „Aktion Herthakneipe“ als Trikotsponsor auflaufen. Für Beyer ist das „die Krönung“, wie er sagt. „Wir haben am Freitag – egal wie es ausgeht – alle gewonnen.“

Gerade an diesem Wochenende ist es auch eine wichtige Botschaft. Denn obwohl es nicht das erste Derby im leeren Olympiastadion sein wird, ist das Spiel am Freitag zumindest für die Berliner Gastronomie das erste richtige Geisterderby. Anders als bei Herthas 4:0-Sieg im Mai sind die Bars, Restaurants, Cafés und Biergärten geschlossen. Die Fans von Hertha und Union müssen diesmal zu Hause gucken.

Für Beyer heißt das, dass er sich ab 19 Uhr in die „virtuelle Kneipe“ der Aktion setzt, wo Hertha-Fans die Möglichkeit haben, das Spiel zusammen zu schauen und Geld zur Unterstützung der geschlossenen Lokale auszugeben. Etwa 50 virtuelle Kunden erwartet er zum Derby.

Beyer selbst wird den Laptop aber zum Anpfiff zuklappen und das Spiel mit drei Freunden in einem „querbelüfteten Raum“ in Ruhe anschauen. „Ich möchte nicht gefilmt werden, wie ich wie ein kleiner Junge auf und ab springe“, sagt er.

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Auch die Unioner werden virtuell beisammen sein

Ohne Kamera wird auch Union-Fan Henriette Werner ihre Mannschaft im Derby anfeuern. Die 34-Jährige wird während des Spiels per Sprachkonferenz mit anderen Unionern und Unionerinnen quatschen, und zwar nicht zum ersten Mal. Schon seit der letzten Saison schaut sie so die Spiele mit anderen Fans gemeinsam an.

Für die Berlinerin, die seit 20 Jahren Union-Fan ist und mittlerweile in Wien wohnt, ist das in Zeiten von Geisterspielen „auf jeden Fall ein Trost. Es ist ein bisschen wie nach Hause zu kommen, und Leute zu treffen.“

Probleme gebe es nur manchmal mit der Synchronisierung. Wenn manche im Fernsehen und andere im Internet gucken, könne es auch vorkommen, dass der eine ein Tor schon bejubelt, bevor der andere es überhaupt gesehen hat, erzählt Werner. „Deshalb gucken manche Leute lieber alleine und kommen erst in der Pause wieder in die Runde. Das ist so ein bisschen wie im Stadion, wenn man sich vorher und hinterher trifft.“

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Doch auch, wenn die Fans das Beste aus der Situation machen, bleibt es für die Kneipen eine äußerst schwierige Zeit. „Wir leben im Moment von Glühwein und Stammgästen“, sagt Robo, der das „Panenka“ in Friedrichshain betreibt.

Die unter Union-Fans populäre Fußballkneipe macht im Moment nur von Donnerstag bis Sonntag per Fensterverkauf auf und kommt nur knapp über die Runden. „Man muss mit wenig zufrieden sein. Dezember geht noch, aber wenn sie im Januar noch einmal verlängern, dann drehe ich durch“, sagt der Wirt.

Genau wie die Anhänger von Hertha haben auch die Union-Fans zuletzt versucht, ihre Lieblingskneipen während der Pandemie über Wasser zu halten. Die in der Nähe der Alten Försterei liegende „Abseitsfalle“ hat im Sommer zu Spenden aufgerufen, und auch das „Panenka“ wird zur Zeit von der Großzügigkeit der Stammgäste erhalten.

Doch auch das kann das verlorene Potenzial dieser Bundesliga-Saison kaum kompensieren. „Wenn Union spielt, steigen meine Einnahmen um etwa 30 bis 40 Prozent“, sagt Robo. Er finde es auch „sehr schade, dass die Leute gerade jetzt nicht gucken können, wo Union so gut drauf ist. Das ist wie eine Strafe.“

Für ihn ist es schon das zweite Derby, bei dem er nur noch To-Go-Getränke verkaufen kann. Beim nächsten im April will er das Spiel wieder normal auf der Leinwand zeigen, doch bis dahin kämpft er wie viele andere Kneipen ums Überleben. Auch Knut Beyer hofft, dass dieser Kampf gewonnen wird. „Im Sommer machen wir eine Kneipentour und klopfen uns selbst auf die Schulter, dass alle die Krise überstanden haben“, sagt er.

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