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Ruhe bewahren, auch wenn es nicht leicht fällt. Jerome Boateng kommentiert die Elfmeterentscheidung von Schiedsrichter Felix Zwayer gegen sich auf sehr subtile Weise.

© Reuters

DFB-Pokal-Drama Leipzig - FC Bayern: Und dann kommt Felix Zwayer

Mit einem Hattrick an unglücklichen Entscheidungen beeinflusst der Schiedsrichter das Pokaldrama für den FC Bayern München bei RB Leipzig.

Etwas blass und mit leerem Blick saß Ralph Hasenhüttl auf dem Podium. Der Trainer von RB Leipzig konnte sich nicht entscheiden, ob er nun mit dem Schicksal hadern oder doch stolz sein sollte auf seine Mannschaft, nach diesen höchst turbulenten 120 Fußball-Minuten. „Die Spieler sitzen in der Kabine und wissen nicht, warum sie verloren haben“, sagte er. Aber er sagte auch: „Was für ein heroischer Kampf, den wir geliefert haben.“
Dieser Mittwochabend in Leipzig zeigte wieder einmal, was für eine nette Erfindung Pokalspiele sind. Auch Bayern Münchens Trainer Jupp Heynckes sprach von einem „dramatischen Pokalfight“. Dieses Spiel, das nach 90 Minuten 1:1 stand und nach 30 torlosen Verlängerungsminuten mit einem 5:4 im Elfmeterschießen für die Bayern endete, ist in jedem Fall eine dieser Partien, die auf das für Fußballfans so wichtige Legendenkonto einzahlt, auf das Konto der Erinnerungen, das im Leipziger Fall ja im Gegensatz zu anderen Konten noch recht leer ist. Es war einfach so viel los.

Niemand hätte sich getraut vorherzusagen, was an diesem Abend noch so passieren könnte, so offen und spannend war die Partie. Bis der Schiedsrichter Felix Zwayer das Spiel an sich riss. „22 Akteure waren sehr gut auf dem Platz heute, einer konnte das Niveau nicht ganz halten“, sagte Hasenhüttl.

Der Mann hatte recht. Der DFB hatte zum Spiel seiner besten Mannschaften leider nicht den besten Schiedsrichter geschickt. Zwayer traf einige merkwürdige Entscheidungen. Ein Stück weit hat er das Spiel auch entschieden. Was in diesen Tagen besonders bemerkenswert ist, weil Felix Zwayer, der einst in den Hoyzer-Skandal verwickelt war, im großen Schiedsrichterkonflikt gerade Gesprächsthema ist. Zwayer ist laut Manuel Gräfe, der den Streit unter den Schiedsrichtern öffentlich machte, das beste Beispiel dafür, wie ein Schiedsrichter von den ehemaligen Schiri-Bossen Herbert Fandel und Hellmut Krug bevorzugt wurde. Nicht nur einmal dachte man am Mittwochabend in Leipzig, das Spiel würde für Zwayer etwas zu schnell laufen.

Zunächst nahm er nach 36 Minuten einen Elfmeter für RB Leipzig zurück. Arturo Vidal hatte Emil Forsberg auf denkbar dumme Art und Weise gefoult. Erst hängte er sich an das Trikot des Gegners, als der partout nicht fallen wollte, setzte Vidal zur Beinschere an. Ob dieser entscheidende Teil des Gesamtfouls nun vor dem Strafraum oder auf der Linie stattfand, war auch nach mehreren Zeitlupen nicht klar. Dass Zwayer sich aber, obwohl er nur fünf Meter danebenstand, von seinem Linienrichter, der geschätzte 40 Meter entfernt war, umstimmen ließ, mutete doch etwas seltsam an. Der Videobeweis, den es im DFB-Pokal erst ab dem Viertelfinale geben soll, wurde durch den Augenbeweis des Assistenten ersetzt.

Der DFB hat Ermittlungen gegen Ralf Rangnick aufgenommen

Beim halbzeitlichen Gang in die Kabinen stürmte jedenfalls Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick mit seinem Smartphone in der Hand fuchtelnd auf Zwayer zu. Es ist davon auszugehen, dass er ihm nicht die neuesten Fotos vom Kurztrip nach Marbella zeigen wollte. Mats Hummels kam schnell hinzu und entschied den Zweikampf mit dem Leipziger Sportdirektor so souverän für sich, wie es sich für einen Innenverteidiger gehört. Tags darauf nahm der DFB Ermittlungen gegen den ungestümen Rangnick auf.

„Schieber, Schieber“, riefen die Leipziger Fans, was auf Sächsisch noch ein wenig gemeiner klingt als ohnehin schon, ehe Zwayer nach 54 Minuten wieder eingriff. Leipzigs Naby Keita hatte schon in der ersten Hälfte für ein vergleichsweise harmloses Foul die Gelbe Karte gesehen. Nach dem Wechsel zupfte er bei einem Bayern-Konter kurz Robert Lewandowski an der Hose, der daraufhin hochdramatisch austrudelte. Zwayer pfiff und zeigte Keita Gelb-Rot. Eine sehr, sehr strenge Entscheidung. Vor allem, weil man als Schiedsrichter wissen muss, dass ein Platzverweis nach nicht einmal einer Stunde auf diesem Niveau spielentscheidender sein kann als ein Tor, gerade im Hinblick auf eine mögliche Verlängerung.

Kurz darauf vollendete Zwayer seinen Hattrick. Dieses Mal profitierte Leipzig. Jerome Boateng soll Yussuf Poulsen im Strafraum gefoult haben, Elfmeter. Hummels nannte den Pfiff nach Spielende „die Königin der Konzessionsentscheidungen“. Emil Forsberg war es egal, er traf zum 1:0, aber schon fünf Minuten später glichen die Bayern durch einen Kopfball von Thiago aus. Fortan zurrten sie die Leipziger in deren eigener Hälfte fest.

Erst in Überzahl und so richtig erst in der Verlängerung, als die Sachsen vor Schwäche kaum noch geradeaus schauen konnten, erspielten sich die Bayern Chancen. Leipzig aber warf sich tollkühn weiter dazwischen und rettete sich ins Elfmeterschießen, das Zwayer dankenswerterweise nicht wieder zurücknahm. Dort verschoss als letzter Schütze der eingewechselte Timo Werner.

Am Samstagabend treffen beide Mannschaften in der Bundesliga erneut aufeinander. Im neuen Klassiker, dann aber wohl mit einem anderen Schiedsrichter.

Christian Spiller

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