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Wenn auch eingeschränkt, so kann Herthas neuer Trainer Bruno Labbadia seinen Spielern auf dem Rasen doch etwas beibringen. Auf Zweikämpfe wird natürlich verzichtet.

© imago images/Nordphoto

Trainieren für Tag X: Bei Hertha BSC tun sie so, als ob

Wie Herthas Trainer Bruno Labbadia sich und seine Mannschaft auf einen möglichen Spieltag vorbereitet.

Mittlerweile haben die Pläne die Schublade verlassen, seit Dienstag liegen sie der Allgemeinheit vor. An jenem Abend hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL) öffentlich gemacht, wann ihr wichtigstes Produkt, wann also die Bundesliga in der anhaltenden Coronavirus-Krise wieder den Spielbetrieb aufnehmen kann – und, viel wichtiger: Wie das Ganze dann abzulaufen hat.

Von einer „Quasi-Quarantäne“ ist die Rede, im Alltag bedeutet das aller Voraussicht nach: Die Profis, Betreuer und Trainer sollen im Grunde nur zwischen ihren Wohnungen und ihrem Arbeitsplatz pendeln und darüber hinaus komplett auf soziale Kontakte verzichten. Im Gegensatz zur Basketball-Bundesliga etwa haben die Fußballklubs des Landes den großen Vorteil, dass ihre Legionäre nicht längst die Wahlheimat verlassen haben, sondern weiterhin in Deutschland anzutreffen sind.

„Für mich würde sich nichts ändern, wenn das Konzept so in die Tat umgesetzt wird“, sagt Bruno Labbadia, der neue Trainer von Hertha BSC, am Mittwoch in einer Videokonferenz. „Ich betrete das Vereinsgelände im Moment ohnehin am frühen Morgen und verlasse es erst abends“, ergänzt er, „das kriege ich auch noch ein paar Wochen so hin.“ Wenn es tatsächlich eines nicht mehr so fernen Tages Mitte Mai weitergehen kann, wollen die Berliner gut vorbereitet in den Schlussspurt gehen und nichts dem Zufall überlassen. Sofern man das in diesen Zeiten so sagen kann. Hertha steckt schließlich weiterhin im Abstiegskampf und ist noch längst nicht aus dem Schneider.

Am Mittwoch, so berichtet Labbadia, hat sich Berlins Bundesligist aus Westend vor allem mit einer Sache eingehender beschäftigt, der manche Trainer keine besondere Bedeutung beimessen: Standard-Situationen. Wobei die Einheit im Wortsinn alles andere als Standard war. Abwehrspieler waren aufgrund der strengen Vorgaben zum Kleingruppentraining von maximal acht Spieler pro Platz nämlich nicht vorgesehen.

Es gab also nur zwei Arten von Spielern: jene, die Flanken in den Strafraum schlagen – und jene, die die Flanken verwerten. Abwehrspieler? Nicht zugelassen! Torhüter? Ebensowenig zugelassen! Für Herthas Angreifer muss sich das wie Trockenschwimmen angefühlt haben. „Wir haben alle verdammt große Lust, mal wieder elf gegen elf zu spielen – oder wenigstens vier gegen vier“, sagt Labbadia, „aber das geht aktuell halt nicht.“

Labbadia schaut sich intensiv beim Nachwuchs um

Was dagegen weiterhin geht, sind Übungen zur körperlichen Ertüchtigung. Labbadia eilt bekanntlich der Ruf voraus, sehr laufintensiven, physisch anspruchsvollen Fußball praktizieren zu lassen. „Ohne richtige Zweikämpfe und den ganz normalen Wettkampf im Training ist das allerdings schwer umzusetzen“, sagt der 54-Jährige, der mit Blick auf die kommenden Wochen großen Wert auf eine Feststellung legt: „Alle wollen gern morgen wieder spielen – und trotzdem werden wir eine gewisse Vorlaufzeit benötigen.“

Andernfalls steige die Verletzungsgefahr der gewissermaßen eingestaubten Profis um ein Vielfaches. „Außerdem wollen wir ja auch guten Fußball zeigen.“ Bislang sind – immerhin – alle Profis bei Hertha BSC von Verletzungen verschont geblieben.

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Zudem ist die Gruppe der Trainingsteilnehmer unter Bruno Labbadia, der seit Ostern im Amt ist, wieder größer geworden, weil er ausdrücklich den Kontakt zu den U-Jahrgängen des Vereins und ihren Trainern gesucht hat. „Hertha macht sehr gute Nachwuchsarbeit, das ist mir natürlich bewusst“, sagt Labbadia. „Die Tür steht für jeden jungen Spieler offen“, ergänzt er, „aber sie müssen halt allein durchgehen, diese Aufgabe kann niemand für sie übernehmen.“

Zuletzt hat sich Labbadia eine Stunde mit potenziellen Kandidaten – von Palko Dardai bis Muhammed Kiprit – zusammengesetzt, um gemeinsam mit ihnen die sportlichen Perspektiven im Profiteam zu besprechen.

Um Perspektiven in der Coronaviruskrise wird es auch am Donnerstag gehen, wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Länderchefs trifft. Unter anderem soll dann über das weitere Vorgehen und die mögliche Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der Fußball-Bundesliga diskutiert werden, das entsprechende DFL-Konzept liegt vor. „Für mich ist es schlüssig und umsetzbar“, sagt Labbadia. Gleichwohl betont er: „Ich erwarte erst mal gar nichts von diesem Treffen. Denn einen Fehler darf der Fußball auf gar keinen Fall machen – und das wäre, sich über die Gesellschaft zu stellen.“ Selbst wenn das Konzept auf dem Papier noch so verheißungsvoll aussieht.

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