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Taiwo Awoniyi (rechts) und Sheraldo Becker sind zwar nicht so kreativ wie Max Kruse, dafür aber unheimlich schnell.

© Picture Point LE/Imago

Erstes Spiel ohne Max Kruse: Tempo statt Genialität beim 1. FC Union

Gegen den FC Augsburg müssen die Berliner erstmals ohne ihren zuvor besten Fußballer auskommen. Unions Spiel wird sich zwangsläufig verändern.

Urs Fischer war natürlich darauf vorbereitet, dass in der Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel beim FC Augsburg am Samstag (15.30 Uhr, Sky) vor allem nach einem Spieler gefragt werden würde, der gar nicht mehr im Kader des 1. FC Union steht: Max Kruse. Also sprach der Schweizer Trainer gelassen wie üblich über den nach Wolfsburg gewechselten Stürmer, zeigte Verständnis für dessen Entscheidung und gab sich betont zuversichtlich, dass die Berliner auch ohne ihren besten Fußballer weiter erfolgreich sein werden.

Nach ein paar Minuten wurde es Fischer dann aber doch zu bunt. Kruse hier, Kruse da, Kruse überall – das gefiel dem Trainer, der nur ungern über Personalien und viel lieber über das nächste Spiel spricht, gar nicht. „Das ist das letzte Mal, dass ich mich über Max äußere“, sagte Fischer höflich, aber bestimmt. „Max war ein Führungsspieler, eine Persönlichkeit, ein Unterschiedsspieler. Aber ich glaube, dass wir trotzdem Qualität im Kader haben.“ Er schaue jetzt nach vorne, denn es bringe nichts, sich mit Dingen zu beschäftigen, die er nicht mehr ändern könne. „So ist Fußball“, sagte Fischer lapidar.

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Natürlich hätte der Schweizer Kruse gerne behalten; fast 40 Jahre als Spieler und Trainer im Profigeschäft haben ihn aber zu einem Meister des Pragmatismus werden lassen. In seinen mittlerweile dreieinhalb Jahren bei Union stellte sich schon häufig die Frage, ob die Mannschaft Abgänge von Leistungsträgern würde kompensieren können?

Als Sebastian Andersson, der als Zielspieler für die vielen langen Bälle wesentlich zum Aufstieg in die Bundesliga und zum Klassenerhalt beigetragen hatte, im Sommer 2020 nach Köln wechselte, verordnete Fischer seiner Mannschaft einen neuen Stil. Als zu dieser Saison Christopher Lenz nach Frankfurt ging, blühte sein vorheriger Ersatz Niko Gießelmann auf, und Robert Andrichs Abgang fingen die Berliner mit der Verpflichtung von Rani Khedira sowie der Entwicklung Grischa Prömels auf. Selbst der Transfer von Abwehrchef Marvin Friedrich scheint keine allzu große Lücke zu hinterlassen.

Der letzte Jubel in Rot. Gegen Gladbach schoss Max Kruse (links) Union zum Sieg, es war sein letztes Spiel für die Berliner.
Der letzte Jubel in Rot. Gegen Gladbach schoss Max Kruse (links) Union zum Sieg, es war sein letztes Spiel für die Berliner.

© Bernd Thissen/dpa

Die großen Fragen dieser Tage lauten daher: Kann Union Max Kruse ebenso gut ersetzen? Und wie wird sich der Fußball des Tabellenvierten verändern?

Mit Kruse verlieren die Berliner nicht nur ihren zweitbesten Torschützen, sondern vor allem viel Kreativität und Unberechenbarkeit. Der frühere Nationalspieler ließ sich oft weit zurückfallen, verlagerte das Spiel, hatte ein unnachahmliches Gefühl für den Raum und fütterte Mittelstürmer Taiwo Awoniyi mit punktgenauen Pässen. Diese Qualitäten sind in der Bundesliga sehr rar und ansonsten nur bei Spielern zu finden, die Unions Budget weit übersteigen.

Daher legte Fischer großen Wert auf die Feststellung, dass man Kruse nicht eins zu eins ersetzen könne. „Ich hoffe, dass Sven Michel nicht versucht, Max Kruse zu sein. Sven Michel soll Sven Michel sein“, sagte der Trainer über den Neuzugang aus Paderborn. Der 31-Jährige übernimmt zwar die Nummer zehn von Kruse, vereint ebenfalls die Qualitäten als Torschütze sowie Vorbereiter und hat einen starken linken Fuß, ist ansonsten aber ein gänzlich anderer Spielertyp. Eine Option für die Startelf ist er nach wenigen Trainingstagen noch nicht.

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Die knappe Zeit ist ohnehin eines der größten Probleme Fischers. Dem Trainer bleibt keine lange Vorbereitung, um mit der Mannschaft neue Automatismen einzuüben oder das Spiel ohne Kruse grundlegend umzustellen. Diese Notwendigkeit sieht Fischer allerdings gar nicht. „Es war nicht so, dass unser Spiel auf Max ausgerichtet war“, sagte er. Kruses geniale Momente werden Union im Kampf um die Europapokalqualifikation definitiv fehlen, doch Fischer ist „zuversichtlich, dass wir die Lücke füllen können“.

Ein Ansatz könnte ein größerer Fokus auf Geschwindigkeit und Wucht sein. Mit Awoniyi, Michel, Sheraldo Becker und Andreas Voglsammer haben die Berliner einige Offensivspieler in ihren Reihen, die ganz klare Stärken im Umschaltspiel haben. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang auch eine Umstellung auf ein 3-4-3 mit zwei Flügelstürmern. „Wir kennen dieses System“, sagte Fischer.

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