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Julian Nagelsmann redete sich schon im Spiel gegen Gladbach in Rage. Nach dem Schlusspfiff legte er noch gewaltig nach.

© IMAGO/Team 2

Strittige Entscheidungen, mangelnde Souveränität: Der FC Bayern wirkt zunehmend nervöser

Trainer Julian Nagelsmann tobt nach der Niederlage des FC Bayern München bei Borussia Mönchengladbach. Das liegt vermutlich nicht nur am Schiedsrichter.

Thomas Müller schien gesteigerten Redebedarf zu haben. Ohne dass er gefragt worden war, blieb er in der Interviewzone stehen und fing an zu reden. „Scheiß Spiel. Verloren“, sagte der Stürmer des FC Bayern München. Dann drehte er sich um und verschwand.

Im Grunde hatte er damit alles Relevante zu der Begegnung gesagt, die für den Rekordmeister mit einer 2:3-Niederlage zu Ende gegangen war. Gegen Borussia Mönchengladbach halt, den erklärten Angstgegner der Bayern.

1965 sind beide Klubs gemeinsam in die Fußball-Bundesliga aufgestiegen, die Niederlage am Samstag war die 29. der Bayern. Und auch wenn die Gladbacher längst kein Gegner mehr auf Augenhöhe sind wie in den goldenen Siebzigern: Gegen keinen anderen Verein haben sie so oft verloren.

Man könnte also von einem gewissen Determinismus sprechen: Ist halt so. Oder, wie die Fans der Borussia sagen: Pflichtsieg eben. Selbst wenn die Gladbacher aus den beiden Spielen zuvor gegen den Tabellenletzten Schalke und den Vorletzten Hertha BSC nur einen Punkt holen: Ein Erfolg gegen die Bayern ist kein Wunder, sondern, nun ja, schon fast normal.

29
Mal haben die Bayern seit 1965 gegen Borussia Mönchengladbach verloren

Und doch sagte Jonas Hofmann, der an allen drei Toren (ein Treffer, zwei Assists) seiner Mannschaft beteiligt gewesen war: „Es ist klar, dass dann die Fragen kommen.“ Die Fragen, wie das denn sein könne, dass die Gladbacher in den Highlightspielen glänzen, während sie im grauen Alltag gegen Schalke, Hertha oder Augsburg hilf-, lust- und ambitionslos wirken.

Für Julian Nagelsmann, den Trainer der Bayern, war diese Frage zumindest im konkreten Fall recht leicht zu beantworten. Er verwies mit Vehemenz auf die Szene aus der achten Minute des Spiels: als Alassane Plea nach einem langen Ball von Rami Bensebaini aus der eigenen Hälfte startete, vor dem bekanntermaßen äußerst flinken Dayot Upamecano einscherte und kurz vor dem Münchner Strafraum zu Fall kam. Schiedsrichter Tobias Welz wertete die Kollision als Foul des Verteidigers und zeigte ihm die Rote Karte.

Will der mich verarschen, oder was?

Julian Nagelsmann, Trainer Bayern, über den Schiedsrichter

Vier Minuten dauerte es, bis das Spiel anschließend mit dem Freistoß für die Gladbacher fortgesetzt wurde – was ein Indiz dafür war, dass die strittige Szene in der Bewertung durch den Videoassistenten als nicht so eindeutig wahrgenommen wurde, wie es Nagelsmann tat. „Da kann mir keiner erzählen, dass das eine Rote Karte ist“, sagte er im Interview beim Fernsehsender Sky. „Upa zieht nur kurz, Pleas Schulter bewegt sich keinen Millimeter.“

Unmittelbar zuvor war er schimpfend durch die Mixed-Zone marschiert. „Will der mich verarschen, oder was?“, rief Nagelsmann, als er auf dem Weg in die Kabine des Schiedsrichterteams war. Das klärende Gespräch mit Welz erbrachte aus seiner Sicht offenbar nicht das gewünschte Resultat, denn als Nagelsmann kurz darauf zurückkam, maulte er: „Mein Gott! Mein Gott! Weichgespültes Pack.“

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Es ist keine neue Erkenntnis, dass der 35-Jährige keine besondere Freude am Verlieren empfindet. Das verbindet ihn mit seinem Arbeitgeber, dem Dauersieger aus München. Für den Klub wie für den Trainer kommen Niederlagen persönlichen Beleidigungen gleich. Und im Zweifel sind sie sowieso ungerecht. Bis zum Platzverweis, so führte Nagelsmann am Samstag aus, hätte seine Mannschaft schon 2:0 führen müssen, wahlweise auch 3:0 oder 4:0. Tatsächlich hatten die Münchner bis dahin zwei, drei Halbchancen gehabt.

Dass Nagelsmann mit seiner Tirade gegen den Schiedsrichter das für ihn bisher ohnehin recht großzügige Maß überschritten hatte, war ihm selbst schnell bewusst geworden – oder jemandem aus dem PR-Stab seines Arbeitgebers. Schon in der Pressekonferenz bat er um Nachsicht. In der Emotion nach einem solchen Spiel sei „nicht alles richtig, was ich da sage oder von mir gebe“.

Auf seinen Social-Media-Accounts schrieb Nagelsmann später: „Emotionen gehören zum Sport dazu. Und angesichts der Roten Karte musste ich mir nach dem Spiel Luft machen. Allerdings muss ich mich für die Wortwahl gegenüber dem Team rund um Tobias Welz entschuldigen. Da bin ich leider eindeutig zu weit gegangen.“ Und dennoch: Eine Strafe durch den Deutschen Fußball-Bund wird seine tätige Reue wohl kaum verhindern.

Die Bayern fühlen sich benachteiligt

Sportdirektor Hasan Salihamidzic verteidigte seinen Trainer. Wenn man so ungerecht behandelt werde wie die Bayern am Samstag in Mönchengladbach, dann sei es nun mal schwer, die Emotionen zu zügeln. „Es war in den letzten Wochen schon so, dass wir etwas benachteiligt wurden“, sagte Salihamidzic. „Heute, das war dann die Krönung.“

Aber vermutlich sind es nicht nur die strittigen Schiedsrichterentscheidungen, die zuletzt auch mal zuungunsten der Bayern ausgefallen sind; es ist auch die Gesamtsituation, die an den Nervensträngen der Verantwortungsträger zieht und zerrt.

Obwohl die Mannschaft bis zum Samstag von 30 Pflichtspielen in dieser Saison nur ein einziges verloren hatte, fehlt den Bayern erkennbar die Souveränität und Selbstverständlichkeit der Vorjahre. Beim 4:2-Sieg in Wolfsburg vor zwei Wochen war der VfL die bessere Mannschaft, und nach dem 3:0 im jüngsten Heimspiel gegen Bochum klagte Nagelsmann, so reiche es nicht.

Noch dazu ist die Konkurrenz in diesem Jahr nicht so handzahm, wie sie es in den vergangenen Spielzeiten war. Im Gegenteil: Sie lässt sich einfach nicht abschütteln. Das sind die Bayern ebenso wenig gewohnt wie eine Benachteiligung durch den Schiedsrichter.

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