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Nicht jedermanns Liebling, aber halt doch einer der besten Fußballer der Welt: Cristiano Ronaldo von Real Madrid.

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Champions League: Real Madrid gegen Atletico Madrid: Spanien ist die dominierende Fußballnation unserer Zeit

Das rein Madrider Finale zeigt, wie Spanien den Fußball beherrscht. Diese Überlegenheit hat Gründe. Ein Essay.

Geht es darum, die beste Fußballliga der Welt zu benennen, kann die Antwort nur Spaniens Primera Division lauten. Englands Premier League mag die finanzkräftigste sein, die Bundesliga die am besten organisierte mit den meisten Zuschauern, aber unter sportlichen, fußballerischen Gesichtspunkten liegt die Primera Division vorn. Deutlich sogar. Zahlen, wie die der Fünfjahreswertung des europäischen Verbandes Uefa belegen das. In den vergangenen drei Jahren haben nur noch Klubs aus Spanien die Champions League und die Europa League gewonnen. Am Samstagabend, wenn das Finale von Mailand beendet ist, werden spanische Klubs 16 von 32 möglichen Europapokaltiteln in diesem Jahrtausend geholt haben. In Anbetracht dessen, dass die Uefa 55 Mitglieder umfasst und die zweiterfolgreichste Liga die englische Premier League mit nur fünf Titeln in diesem Zeitraum ist, erscheint die spanische Dominanz noch erdrückender. Bevor die deutsche Nationalmannschaft 2014 in Rio Weltmeister wurde, gingen die drei großen Turniere davor alle an die Selección. Spanien ist die dominierende Fußballnation unserer Zeit.

Ein Grund für den Erfolg der Gegenwart ist die triste Vergangenheit. Weil die Nationalmannschaft, abgesehen von der Europameisterschaft 1964 nie etwas gewann und die Klubs ab Mitte der sechziger Jahre bis in die Neunziger hinein nur vereinzelt Titel sammelten, machte sich ein Minderwertigkeitskomplex im spanischen Fußball breit. Die Großen, das waren immer die anderen. Die Deutschen und die Italiener, die Engländer und die Holländer.

España? Nada! Nichts.Diese Geisteshaltung führte dazu, dass man offen war für neue Ideen und Einflüsse. Ausländische Trainer strömten über Jahrzehnte ins Land und brachten ihre Vorstellungen mit. Persönlichkeiten von Renommee und Ansehen, Johan Cruyff, John Toshack, Louis van Gaal, Fabio Capello oder Jupp Heynckes. Es war die Zeit des großen Brainstormings, viel wurde ausprobiert, einiges mit Erfolg, anderes mit weniger Erfolg und es dauerte etliche Jahre, bis sich aus allen Einflüssen so etwas wie ein spanischer Stil destillierte, der heute die Mannschaften der Primera Division charakterisiert. Wichtigstes Merkmal dabei ist das Streben nach Ballbesitz, das allen Teams, abgesehen von Atlético Madrid, eigen ist.

Prägend für das Zutrauen in diese Art, Fußball zu spielen, war die Epoche von Pep Guardiola als Trainer des FC Barcelona. Guardiola hatte die kleingewachsenen spanischen Spieler Andres Iniesta und Xavi zu Fixpunkten im Spiel seiner Mannschaft gemacht und auf eine extrem hohe Ballzirkulation gesetzt. War der internationale Fußball kurz zuvor noch von Kraftprotzen wie Patrick Viera oder robusten Typen wie Michael Ballack oder Steven Gerrard beherrscht worden, galt Ballbesitz plötzlich als das höchste Gut. Weil Barcelona nicht beizukommen war. Da das technische Niveau in Spanien extrem hoch ist, kommt die Idealisierung des Ballbesitzes den Spielern auf eine natürliche Weise entgegen. Der frühere deutsche Nationalspieler Andreas Hinkel, der zwei Jahre für den FC Sevilla spielte, berichtete von Trainingseinheiten, in denen er minutenlang nicht an den Ball kam.

Keiner kann so gut Probleme lösen wie die Spanier

Trainer orientierten sich an Guardiola, ließen aber unterschiedliche Stilmittel mit einfließen, weil sie über andere Spielertypen in ihren Mannschaften verfügten als der Kollege damals in Barcelona. Neben dem Versuch, das Spiel durch Ballbesitz zu kontrollieren, ist eine hohe taktische Flexibilität eine andere herausragende Eigenschaft des spanischen Stils. Zu beobachten war das jüngst beim Endspiel der Europa League zwischen Liverpool und Sevilla, bei dem Sevillas Trainer Unai Emery seinen Gegenüber Jürgen Klopp auscoachte. Die erste Halbzeit gehörte Liverpool, Sevilla fand kaum ins Spiel. Emery stellte dann um, schob die Abwehr trotz der schnellen englischen Angreifer weiter nach vorne, um das Mittelfeld zu verengen, beorderte seine Außenverteidiger tiefer in die gegnerische Hälfte und wies seine Flügelstürmer an, häufiger die Seiten zu wechseln. Liverpool brach komplett zusammen, Sevilla schoss in 45 Minuten drei Tore und sicherte sich den dritten Europa-League-Titel infolge. Geht es darum, im Spiel auftretende Probleme zu lösen, sind spanische Mannschaften darin momentan Meister. Das beginnt schon bei der Trainingsgestaltung. Viele Trainer lassen unter der Woche praxisnah trainieren, indem sie immer wieder Spielsituationen simulieren und komplexe Aufgaben stellen. Eine Art des Trainings, wie sie hierzulande Thomas Tuchel pflegt.

Erfolgreiche Veränderungen während des Spiels können nur von gut ausgebildeten Trainern vorgenommen werden. Davon gibt es in Spanien inzwischen mindestens genauso viele wie in Deutschland. Jedes Jahr drängen junge Talente aus den Abschlussklassen, hoch motiviert nach einjähriger Ausbildung, sich in der Primera Division zu beweisen. Die Zeiten, in denen ehemalige Spieler eine Anstellung als Trainer zugemauschelt bekamen, sind vorbei. Schwer ist es auch für ausländische Trainer geworden. In der gerade abgelaufenen Spielzeit wurden 15 von 20 Klubs der Primera Division am Ende von Spaniern trainiert. Die fünf anderen haben als Spieler alle in Spaniens erster Liga gespielt. Die einzigen zwei, die von außerhalb kamen, die Engländer David Moyes (San Sebastian) und Gary Neville (Valencia), wurden nach wenigen Monaten wegen Erfolgslosigkeit entlassen. Spaniens Fußball ist dabei, sich entgegen seiner jüngeren Geschichte immer mehr zu schließen. Teure ausländische Spieler können nur noch in Barcelona oder in Madrid landen, die anderen Vereine sind gezwungen, Schulden abzubauen und besser zu wirtschaften. Talente bekommen viel Spielzeit, in Villarreal, Las Palmas oder Eibar spielen hauptsächlich Spieler aus den eigenen Nachwuchsakademien, in Bilbao, wo seit jeher nur Basken spielen, sowieso. Alles hervorragend ausgebildete Fußballer mit großen technischen und taktischen Fertigkeiten. Technische Klasse und taktische Überlegenheit sind die Eckpfeiler des spanischen Stils. Europas Fußball hat gegen diese Kombination noch kein Mittel gefunden.

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