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Barfuß im Sand. Ein Bild von der German Beach Trophy, bei der die Nationalmannschaften jeweils in zwei Teams aufgeteilt wurden.

© Imago/Beautiful Sports

Spagat zwischen Sand und Halle: Beachhandball und die Hoffnung auf Olympia

Beachhandball wird immer mehr zu einem anspruchsvollen Sport – trotzdem verdienen Spielerinnen und Spieler ihr Geld immer noch im klassischen Handball.

Emotionsreicher hätte dieser Sommer kaum sein können. Ein Siegestaumel jagte den nächsten, ein Freudentanz schloss sich an den anderer an. Erst feierten die deutschen Beachhandballerinnen Ende Juni im Sand von Kreta den WM-Titel, nur zwei Wochen später konnten in der Hitze von Birmingham in den USA die World Games gewonnen werden. „So langsam konnte das alles ein bisschen sacken. Aber der Begriff Weltmeister ist noch immer etwas surreal und nicht ganz zu greifen“, beschreibt Lena Klingler ihre Gefühlslage.

Die 21-jährige Klingler gehörte zu den besten Scorern der Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DGB), begeisterte über die linke Außenposition immer wieder mit ihren Wurfvariationen. Als „Meilenstein“ bezeichnete DHB-Präsident Andreas Michelmann den Erfolg der Frauen, die zusammen mit der Europameisterschaft im vergangenen Jahr nun die drei größten Turniere ihres Sports innerhalb von zwölf Monaten triumphieren konnten. „Das ist einfach krass und war so überhaupt nicht zu erwarten“, sagt Klingler.

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Ganz von ungefähr kommt der Erfolg der Frauen allerdings nicht. Seit gut drei Jahren arbeitet der Deutsche Handballbund mit Trainer Alexander Novakovic kontinuierlich daran, feste Strukturen und personelle Kontinuität aufzubauen. Die Lehrgänge wurden – auch im Winter – verstärkt, sodass die Spielerinnen mehr Zeit haben, beachhandballspezifisch zu trainieren und eine Einheit zu bilden. Genauso wurde die taktische Vorbereitung vor und während der Turniere ausgebaut. Resultat sind aktuell 25 Siege der Deutschen in Serie und die Etablierung in der Weltspitze.

Damit einher geht aktuell eine gesteigerte Aufmerksamkeit und Wertschätzung in und außerhalb der Handballszene, wobei der Besuch von IOC-Präsident Thomas Bach erneut die Hoffnung verstärkte, dass der Sport nach bisher gescheiterten Versuchen zukünftig in den olympischen Katalog aufgenommen wird. Der Beachhandball kann so langsam seinen Ruf abschütteln, die Spaßversion der Hallenvariante zu sein. „Jede Sportart hat sowohl eine Spaßversion als auch eine Leistungssportversion. Es gibt ja auch die Drittligakicker, die sich am Sonntag auf ein Bier treffen und die absoluten Fußballprofis. Genauso ist es beim Beachhandball“, sagt Klingler. Alles habe seinen Platz. Einmal ganz davon abgesehen, dass die Herausforderungen im Sand gerne unterschätzt werden. Der schwer zu bearbeitende Untergrund ist das eine, die wetterbedingte Abhängigkeit und teils schweißtreibende Temperaturen das andere.

Gleichzeitig wirkt der Sport durch seine Schnelligkeit attraktiv, bietet den Zuschauern durch Kempatricks und Spinwürfe immer wieder spektakuläre Unterhaltung. Darauf darf sich ebenso bei der nun stattfindenden Deutschen Meisterschaft vom 5. bis 7. August (Spontent überträgt das Finalturnier via Twitch) gefreut werden. Nach mehreren Jahren in Berlin kehrte das Event über einen kurzen Abstecher in Düsseldorf zurück nach Cuxhaven, wo das Turnier im Stadion am Meer 1997 – wenngleich in etwas anderer Form – zum ersten Mal ausgetragen worden war und bis 2011 residierte.

Bei den Männern sind mit den BHC Sand Devils, Beach & Da Gang, der SG Schurwald und den Nordlichtern die Gewinner der letzten Jahre vertreten, bei den Frauen werden die Gebrüder Ismaning, Strandgeflüster Minden und die Minga Turtles als Favoriten gehandelt. Klingler, die im vergangenen Jahr mit den Turtles den Titel holte und zur wertvollsten Spielerin des Turniers gewählt worden war, warnt aber auch vor den Beach Unicorns aus Hannover bei denen Nationalmannschaftskollegin Liv Süchting die Defensive zusammenhält. Und auch sonst dürften einige bekannte Gesichter zu erwarten sein, wenngleich sich der Terminplan in diesem Jahr durch die zwei Großturniere etwas verschoben hat und die Vorbereitung bei vielen Handballvereinen bereits begonnen hat.

Zeit zur Regeneration bleibt wenig und die Umstellung von Halle auf Sand ist nicht zu unterschätzen

Das ist auch der Grund, warum Klingler in diesem Jahr nicht teilnehmen kann, sondern mit dem Erstliga-Aufsteiger VfL Waiblingen Tigers die ersten Testspiele bestreitet. „Manchmal geht die Halle eben vor“, sagt Klingler. In Deutschland sind die Verhältnisse eben nicht so, dass sich die Sportlerinnen gänzlich auf den Sand konzentrieren können, so wie es beispielsweise bei den Spanierinnen zunehmend der Fall ist. „Das geben die Gegebenheiten in Deutschland bisher noch nicht so her“, sagt Klingler, die sich aber gleichermaßen glücklich schätzt, dass sie für die Lehrgänge des DHB von ihrem Verein freigestellt wird. Ein Zugeständnis, das nicht jeder Klub macht.

Bleibt also der Spagat zwischen Halle und Sand – und der kann manchmal durchaus etwas heikel sein. Zeit zur Regeneration bleibt ohnehin wenig und die Umstellung ist nicht zu unterschätzen. Körperlich, weil Muskeln und Sehnen anders beansprucht werden und der Kontakt abseits des Strands stärker forciert wird. Genauso aber mental, weil die Spielanlage mit zwei Akteuren mehr und einem größeren Feld sowie zusätzlichen Auslösehandlungen auf dem Parkett taktisch divergiert.

„Es ist durchaus schon passiert, dass ich einen Wurf beidbeinig eingesprungen habe, so wie es beim Beachhandball üblich ist, und dann gemerkt habe, dass das ja gerade gar nicht nötig ist“, berichtet Klingler. Nach ein zwei Trainingseinheiten sei der Kopf dann aber wieder angekommen. Pirouetten in der Halle bleiben die Ausnahme.

An diesem Wochenende wird Lena Klingler mit den Gedanken indes wohl trotz des Hallenturniers immer mal wieder mit dem Kopf beim Beachhandball sein und ihren dortigen Teamkolleginnen vorm Telefonbildschirm die Daumen drücken. Eventueller Freudentanz inklusive.

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