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Bahn frei. Der BSV hat Maßnahmen zur Wiederaufnahme des Trainingbetriebs entwickelt.

© imago images / Panthermedia

Wie sollen Kinder Schwimmen lernen?: Sehnsucht nach Seepferdchen

Die Schwimmbecken in Berlin sind geschlossen. Vor allem Kinder und Jugendliche entwöhnen sich vom Wasser – das könnte gefährliche Folgen haben.

Es sieht angesichts der aktuellen Temperaturen zwar noch nicht danach aus. Aber die Sommermonate rücken näher und damit auch die Badesaison. Bisher ist noch unklar, ob und wann die Berliner Freibäder öffnen dürfen, aber der ein oder andere Mutige wird wohl schon bald zumindest in einen See hüpfen.

Normalerweise wäre jetzt auch der Zeitpunkt, rechtzeitig das Seepferdchen-Abzeichen zu absolvieren oder die eigenen Schwimmkenntnisse aufzufrischen. Doch die Hallenbäder, in denen normalerweise Kindergartengruppen durchs Wasser planschen, sind aufgrund der Pandemie geschlossen. Nur Profisportler*innen dürfen regelmäßig trainieren. Das hat gravierende Folgen für die Berliner Schwimmvereine.

So sind die Ausbildungszahlen im Bereich Schwimmen im Landesverband Berlin der Deutschen Lebens-Rettungsgesellschaft im vergangenen Jahr pandemiebedingt um mehr als 70 Prozent zurückgegangen. Ähnlich sieht es bei den Wassergewöhnungs- und Schwimmkursen der Vereine des Berliner Schwimm-Verbandes (BSV) aus. „Unsere Gesamtmitgliederzahl ist seit Januar 2020 um mehr als 13 Prozent zurückgegangen“, berichtet BSV-Geschäftsführer Manuel Kopitz, „das ist insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ein großes Problem.“ Während der Verband vor der Pandemie fast 29.000 Mitglieder zu verzeichnen hatte, sind es mittlerweile nur noch 25.000. Vor allem der Anteil von Kindern und Jugendlichen ist gesunken.

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Und es gibt noch ein weiteres Problem: Die Pandemie hat die Nichtschwimmer-Problematik nachhaltig verschärft. Denn seit vergangenem Jahr können Kinder kaum beziehungsweise gar nicht mehr schwimmen lernen. „Es ist eine bedrohliche Lage“, sagt Kopitz, „da wächst eine ganze Generation von Nichtschwimmern heran. Im Sommer wird die Zahl der Ertrinkungstoten voraussichtlich steigen.“

Um das zu verhindern hat der BSV nun einige Maßnahmen formuliert, die den Wiedereinstieg in den Trainings-und Ausbildungsbetrieb ermöglichen sollen. „Die Jüngeren beziehungsweise diejenigen, die nicht schwimmen können, stehen dabei im Vordergrund“, betont Kopitz. Im Rahmen der „Schwimmlern-Offensive“ sollen Schulen und Vereinssport zusätzliche Wasserzeiten zur Ausbildung von Nichtschwimmer*innen zur Verfügung gestellt werden. „Hier bieten sich Wochenenden, Ferien und Nachmittage an“, sagt Kopitz, „besonders die Zeit zwischen 14 und 16 Uhr ist wichtig, denn Schulkinder und Kindergartenkinder gehen zeitig zu Bett und können nicht erst um 18 Uhr zum Schwimmtraining kommen.“

„Schwimmen ist lebenswichtig und sollte gerade für Kinder unbedingt weitergehen“

Möglichst viele Berliner Hallenbäder sollten zusätzliche Wasserzeiten bereitstellen, findet Kopitz. Dazu gehöre beispielsweise auch, die Freibäder für den Vereinssport zur Verfügung zu stellen, sobald diese wieder öffnen dürfen. Im vergangenen Jahr wurden die Freibäder nämlich für Familien geöffnet, aber zunächst nicht für die Berliner Schwimmvereine.

Auch Tillman Wormuth, Schulsportreferent des Landes Berlin und Leiter des Bereichs „Schulsport und Bewegungserziehung“ befürchtet eine Zunahme von Kindern, die nicht schwimmen können: „Wir haben zwar noch keine offiziellen Zahlen, wie sich die Quote der Nichtschwimmer und Nichtschwimmerinnen entwickelt hat, aber die Pandemie macht alles deutlich schwieriger.“ Bereits vor 2020 habe das Land Berlin sich damit auseinandergesetzt, wie mit der Ausbildung von Schüler*innen im Bereich Schwimmen umgegangen werden soll. In diesem Zusammenhang wurden einige Maßnahmen ergriffen, zum Beispiel der Aufbau des Schulschwimmzentrums Kombibad Seestraße.

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Während der Pandemie dürfe man sich aber nicht darauf verlassen, dass stattdessen die Eltern ihren Kindern das Schwimmen beibringen würden, sagt Wormuth. „Schwimmen ist lebenswichtig und sollte gerade für Kinder unbedingt weitergehen.“ Aus diesem Grund sollen die Intensivschwimmkurse, die normalerweise in der dritten Klasse stattfinden, aber aufgrund der Pandemie abgesagt werden mussten, nun auf die kommenden drei Jahre gestreckt und „sukzessive abgebaut werden“, beispielsweise in den Herbst- und Osterferien. „Wasserfläche ist insgesamt knapp, deshalb wird das nicht leicht. Zumal wir nächstes Jahr auch die Kinder, die dann in der dritten Klasse sind, unterrichten müssen“, sagt Wormuth, „aber überall, wo es möglich ist, Wasserfläche zu bekommen, soll Schwimmen in der vierten Jahrgangsstufe unterrichtet werden.“

Auch die Wassergewöhnungsprojekte sollen weitergeführt werden. Dafür müssten aber Haushaltsmittel bereitgestellt werden. Inwieweit das gelingt, wird sich wohl in den kommenden Wochen entscheiden. Dann dürfte auch feststehen, ob und wann die Berliner Freibäder wieder öffnen dürfen.

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