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Sport: Schwere Schritte

Anni Friesinger wird auf ihrer Lieblingsstrecke über 1000 Meter Dritte

Nicht einmal eine Stunde war nach dem Ende des olympischen 1000-Meter-Rennens vergangen, da hatte Anni Friesinger schon einen Weg gefunden, mit ihrem dritten Platz zufrieden zu sein. „Ich habe Bronze gewonnen und nicht Gold oder Silber verloren“, verkündete die Eisschnellläuferin aus Inzell. Das Lächeln kam ihr trotzdem ein wenig gequält über die Lippen. Friesinger war zuvor in dieser Saison unbesiegt gewesen über die 1000 Meter, kurz vor den Spielen hatte sie gar einen inoffiziellen Freiluftweltrekord aufgestellt. Und nun das: Im „Oval Lingotto“ bei den Winterspielen im Turin, im wichtigsten 1000-Meter-Rennen des Winters, belegte sie nur Rang drei hinter Goldmedaillengewinnerin Marianne Timmer aus Holland und der Kanadierin Cindy Klassen, die Silber holte – Läuferinnen, die auf dieser Strecke in den vergangenen Monaten kaum in Erscheinung getreten waren.

„Ich habe mein Bestes gegeben, es war sehr eng“, sagte Friesinger. Wirklich sehr eng: Nur sechs Hundertstelsekunden lag die 29-Jährige mit ihrer Zeit von 1:16:11 Minuten hinter Timmer, und nur zwei Hundertstel hinter Klassen. Es herrschte dank der vielen tausend Holländer unter den 8000 Zuschauern wieder einmal fantastische Stimmung in der Turiner Eisschnelllauf-Halle. Friesingers Konkurrentinnen mussten am Sonntagnachmittag vorlegen, die Deutsche ging zusammen mit Sabine Völker aus Erfurt, die nur 21. wurde, im letzten Paar aufs Eis. Friesinger startete dynamisch, auf den letzten Metern jedoch, das konnte man unschwer erkennen, fehlte ihr Kraft, ihre Schritte wurden schwer.

Die Erklärung dafür liegt auf der Hand. Friesinger hatte am Mittwoch und Donnerstag insgesamt drei Läufe mit je sechs Runden im Teamwettbewerb absolviert, in dem sie zusammen mit Claudia Pechstein und Daniela Anschütz-Thoms Gold gewonnen hatte. Timmer war gar nicht in der Mannschaft angetreten, Klassen hatte nur zwei Läufe bewältigen müssen. „Das war mit dem Trainer so abgesprochen, da mein Terminplan hier so voll ist“, berichtete die Kanadierin, die wie Friesinger in Turin noch über die 1500 Meter am Mittwoch und die 5000 Meter am Samstag in Angriff nehmen will.

Hat sich Friesinger zu viel zugemutet, ihre Kräfte überschätzt? „Der Teamwettbewerb war bestimmt nicht die beste Vorbereitung auf die 1000 Meter, aber sie musste dreimal laufen, damit wir gewinnen“, befand ihr Trainer Markus Eicher. Marianne Timmer, die blonde Holländerin, hatte dagegen vor dem 1000-m-Rennen einen Energieüberschuss verspürt. Im olympischen 500-m-Lauf war sie wegen zweier Fehlstarts disqualifiziert worden. „Ich war voller Adrenalin. Mein Körper brauchte den Lauf“, berichtete sie. Trotzdem war die 31-Jährige selbst überrascht, ganz vorne zu liegen. „Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich dachte, Anni macht ein perfektes Rennen.“ Für Timmer ist es bereits die dritte Goldmedaille. 1998 bei den Spielen in Nagano hatte sie die 1000 und die 1500 m gewonnen.

Mit Friesinger ist Marianne Timmer seit Jahren sehr gut befreundet, und so fiel es der Inzellerin leicht, der Holländerin den Sieg zu gönnen. „Wir haben ein sehr gutes Verhältnis“, sagte Friesinger, „ich freue mich für Marianne.“ Und das kam nun von Herzen und wirkte gar nicht gequält.

Christiane Mitatselis[Turin]

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