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Maschine am Herz. Engelbrecht dürfte ohne Defibrilator nicht mehr spielen.

© imago/Eibner

Daniel Engelbrecht: Schutzengel in der Brust

Der herzkranke Fußballer Daniel Engelbrecht von den Stuttgarter Kickers spielt mit einem Defibrillator.

Daniel Engelbrecht ist ziemlich aufgedreht. Auch jetzt noch, zwei Stunden nach dem Spiel. Ans Telefon geht er beim ersten Klingeln, seine Stimme verrät Begeisterung. Engelbrecht benutzt starke Worte. „Es war ein überwältigendes Gefühl.“ Oder: „Das war einer der schönsten Tage meines Lebens.“ Wer ihm nur kurz zuhört, würde nie auf den Gedanken kommen, dass der Mann gerade mit seiner Drittligamannschaft bei einem Fünftligisten aus dem württembergischen Landespokal geflogen ist.

Für Daniel Engelbrecht, 24 Jahre alt, ging es an diesem Sonnabend um Wichtigeres als das Spiel seiner Stuttgarter Kickers beim FV Ravensburg (0:1). Als er gut eine Viertelstunde vor Schluss eingewechselt wurde, „war es wie der Schritt in ein neues Leben“.

Fußballspiele hatte er zuvor schon viele bestritten, aber noch nie mit einem Defibrillator in der Brust. Das Gerät wurde ihm vor Monaten operativ eingesetzt. „Er ist mein Schutzengel und Lebensretter. Ohne ihn dürfte ich nicht mehr spielen“, sagt Engelbrecht, laut eigener Aussage der erste Profisportler, der in Deutschland mit solch einem Gerät aufläuft. Der Defibrillator und ein Herzschrittmacher sollen sein Leben retten, falls Engelbrechts Herz mal wieder aufhört zu schlagen.

Geschehen war dies zum ersten Mal am 20. Juli 2013.

Engelbrecht spielt an diesem Tag mit den Kickers gegen Rot-Weiß Erfurt. In der 81. Minute wird ihm schwarz vor Augen, er bricht zusammen. Weil es sehr heiß ist, lautet der erste Verdacht: Kreislaufversagen. Niemand denkt sich etwas dabei. Auch Engelbrecht nicht, obwohl er heute sagt: „Ich habe in meinem Leben nie ein schlimmeres Gefühl gehabt.“ Erst als er in den folgenden Wochen immer wieder zusammenbricht, lässt er sich intensiver untersuchen. Die Diagnose lautet nun: Herzmuskelentzündung. Eine oft durch Viren ausgelöste Krankheit, für die gerade Profisportler anfällig sind. Wer täglich trainieren muss und sich im Krankheitsfall, etwa bei Erkältungen, nicht schont, läuft Gefahr, sein Herz überzustrapazieren. Eine Herzmuskelentzündung kann die Folge sein.

Im August 2008 war Ümit Özat vom 1. FC Köln im Spiel gegen den Karlsruher SC ebenfalls wegen einer Herzmuskelentzündung zusammengebrochen und musste noch auf dem Spielfeld reanimiert werden. Anschließend beendete er seine Karriere. Die Ärzte raten Engelbrecht das Gleiche. Er solle sich einen anderen Beruf suchen. Aber Engelbrecht will nicht. „Seit ich denken kann, wollte ich Fußballer werden. Wer so viel Zeit und Energie auf eine Sache verwendet hat, der gibt nicht einfach auf“, sagt er. „Ich wollte alles riskieren, um wieder spielen zu können.“ Die Frage, ob finanzielle Gründe auch eine Rolle gespielt haben, überhört er. Lieber spricht er über den Ehrgeiz, der ihn nach jeder der drei erfolgreichen Operationen gepackt hatte. „Der Heilungsprozess verlief so gut, dass ich mir irgendwann dachte: Ich will der erste Profisportler in Deutschland werden, der trotz eines Defibrillators spielt.“

Engelbrecht sagt „trotz“. Nicht mit Defibrillator. Er ist noch immer dabei, sich an das Gerät zu gewöhnen. Es sitzt zwischen Brust und Schlüsselbein. „Wenn man von der Seite schaut, sieht man, dass es raussteht“, sagt Engelbrecht. Auch die Narbe von der Operation ist sichtbar. Sie erinnert ihn stets an die Gefahr, in die er sich täglich begibt. „Ich versuche, nicht so oft daran zu denken.“

Die Stelle, an der sich der Defibrillator befindet, ist ungünstig. Als Stürmer steht Engelbrecht oft mit dem Rücken zum gegnerischen Tor und muss viele Bälle mit der Brust annehmen. Das tut weh und ist auch für das Gerät nicht gut. Deshalb trägt Engelbrecht eine Schutzvorrichtung aus Kunststoff, aber die hält meist nicht so gut, weil sie nicht zu fest angelegt werden darf. Sonst würde sie seinen Bewegungsablauf einschränken. „Wir sind da gerade noch am Tüfteln und Ausprobieren“, sagt Engelbrecht.

Anders verhält es sich mit der Psyche. An ihr lässt sich schwerer „tüfteln“. Angst habe er schon noch, wenn auch nicht mehr so stark wie am Anfang, als er das Training wieder aufnahm.

Angst hat auch seine Mutter, sie ist am Sonnabend mit ihren anderen zwei Kindern fünfeinhalb Stunden mit dem Auto von Köln nach Ravensburg gefahren, um ihren Sohn beim Comeback zu sehen. Natürlich war sie dagegen, dass er weiter Fußball spielt. Natürlich hat sie versucht, es ihm auszureden. Nur ohne Erfolg.

„Meine Familie weiß: Wenn ich mir einmal was in den Kopf gesetzt habe, ziehe ich das durch“, sagt Engelbrecht. Und wenn nun doch was passiert? Wenn er wieder zusammenbricht? Würde er dann aufhören? Daniel Engelbrecht überlegt. Er wirkt inzwischen viel ruhiger als zu Beginn des Gesprächs. „Schwierige Frage. Ich glaube, ich würde es weiter versuchen.“

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