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Kleinster gemeinsamer Nenner. Beim Tipp-Kick verstehen sich die Konkurrenten Nico Rosberg (links) und Michael Schumacher noch blendend.

© p-a/dpa

Mercedes: Schumachers Freude am Hinterherfahren

Während Michael Schumacher schon mit den Gedanken in der nächsten Formel-1-Saison ist, zieht Teamkollege Nico Rosberg davon. Jeder Sieg von Rosberg zementiert die neue Hierarchie im Team.

Von Christian Hönicke

Michael Schumacher bewies Weitsicht. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein paar von meinen alten roten Kappen immer noch da sein werden“, sagte der siebenmalige Weltmeister der Formel 1 vor dem Großen Preis von Deutschland am Sonntag. Tatsächlich haben sich auf den Campingplätzen in und um Hockenheim noch jede Menge Träger roter Schirmmützen einquartiert. Die Kappen sind hier und da schon ein wenig ausgewaschen und verblasst – wie langsam auch die Erinnerung daran, dass ihr berühmtester Träger im Ferrari mal die Formel 1 dominiert hat. „Ich trage jetzt eine silberne Kappe“, sagt Schumacher für alle, die noch nicht mitbekommen haben, dass er jetzt für Mercedes hinterherfährt.

Was als größtes Sportcomeback aller Zeiten proklamiert worden war, hat sich längst ins Gegenteil umgekehrt. Während Schumachers Rückkehr nach drei Jahren Pause anfangs nicht nur in Hockenheim die Kartenverkäufe rasant Fahrt aufnehmen ließ, schwingt nur ein paar Monate, diverse Mittelfeldplätze und keinen einzigen Podestaufenthalt später Ernüchterung bei der Erwähnung seines Namens mit. Es wispert unüberhörbar zwischen den Zelten: Haben wir es nicht schon immer gewusst, dass Schumacher dereinst nur Glück, nie einen starken Teamkollegen und stattdessen stets das stärkste Auto hatte?

Diesen Fragen sieht sich der Mann, der sich selbst an seinen früheren Leistungen gemessen sehen will, nun ausgeliefert. „Ähm“, sagt der 41-Jährige und holt kurz Luft, um dann umständlich zu erklären: „Alles in allem bin ich natürlich nicht ganz so glücklich mit den Resultaten, die teilweise vorhanden sind.“ Auf die Frage, ob er sich sein Comeback so schwer vorgestellt habe, antwortet er mit einem vielsagenden „Jein“.

Leicht fällt es ihm immer noch nicht, wenn er „Fehler und Missverständnisse“ einräumen muss wie zuletzt bei seinem neunten Platz in Silverstone. Er verweist auf den bockigen Mercedes und das große Mysterium seiner Reifen, die offenbar ohne erkennbares Muster ihre Charakteristik ändern. Durch seine Pause und den damit verbundenen Erfahrungsrückstand könne er das nicht so einfach lösen. „Das sind jetzt komplett neue Situationen, mit denen ich mich befassen muss. Und ich habe auch keine Testfahrten außer denen im Winter gehabt, das erschwert das Ganze maßgeblich.“ So hat sich der Sieger von 91 Großen Preisen mittlerweile ans Hinterherfahren gewöhnen müssen und daran, von Sébastien Buemi oder Vitantonio Liuzzi überholt zu werden.

Einen Rücktritt vom Rücktritt nach nur einer Saison, wie etwa Formel-1-Patriarch Bernie Ecclestone es vermutet, schließt Schumacher allerdings aus. Er wolle seinen Dreijahresvertrag erfüllen, „egal, was kommt. Ich fühle mich prinzipiell sehr gut, und bin nach wie vor extrem motiviert, um das Ziel, das ich mir in den drei Jahren gesetzt habe, zu erreichen.“ Er wisse, dass der von ihm zu Saisonbeginn angepeilte achte Titelgewinn „in diesem Jahr nicht möglich ist. Aber ich bin guter Dinge, dass wir noch ein paar Achtungserfolge einfahren können und im nächsten Jahr dann mit voller Kraft vorausgehen.“

In erster Linie habe er „Spaß an der Sache. Das Fahren, das Kämpfen mit den Kollegen macht mir tierisch viel Spaß und hat auch extrem gut funktioniert.“ Wenn er sich seine Starts anschaue, sehe das extrem positiv aus, da würde er viele Plätze gutmachen. Was im Umkehrschluss auch sein größtes Problem offenbart: „Das Qualifying ist sicher ein bisschen ein Schwachpunkt gewesen“, gibt Schumacher zu, „aber daran arbeiten wir im Moment.“

Ohnehin habe er trotz der unrealistischen Erwartungen der Fans nicht angenommen, „dass ich alle in Grund und Boden fahre. Dass ich da meine Zeit brauche, war mir von vornherein klar. Wie lange das Ganze dauert, darüber habe ich mir vorher keine Gedanken gemacht und mir auch keine Limits gesetzt.“ Das tut nun ein anderer für ihn. Er heißt Nico Rosberg.

Schumachers Teamkollege schickt sich an, die Legende im Rekordtempo zu entmystifizieren.

Der 25-Jährige hat aus den Möglichkeiten des Mercedes bislang deutlich mehr herausholt und mit 90 WM-Punkten fast das Dreifache von Schumacher (36 Zähler) zusammengesammelt. Er war es auch, der in Silverstone den ersten Podestplatz für das junge Mercedes-Werksteam herausfuhr. Während der Rekordweltmeister seinen Titelkampf längst für beendet erklärt hat und stattdessen Sebastian Vettel die Daumen drückt, hat sich sein Stallrivale mit beeindruckender Konstanz und einer kaum messbaren Fehlerquote noch im Dunstkreis der Spitze halten können. „Ich habe es immer noch nicht aufgegeben“, sagt Rosberg.

Der smarte Kosmopolit ist der große Gewinner des Schumacher-Comebacks. Rosberg weiß, dass er mit jedem weiteren Erfolg in diesem Jahr seinen Vorsprung im internen Duell vergrößert und die neuen Verhältnisse ein Stück mehr zementiert. Deswegen versucht er auch alles, um die Spitze des Rennstalls davon zu überzeugen, sich nicht bereits auf die Entwicklung des Autos für das nächste Jahr zu konzentrieren. Er fordert „Vollgas für diese Saison, denn da kann man noch was erreichen“. Zumindest in Hockenheim tritt Mercedes noch einmal mit einem verbesserten Wagen an.

Schumacher hält einen Sieg beim Heimspiel dennoch für unrealistisch und drängt darauf, das Jahr abzuhaken. Vermutlich, um auch die Kräfteverhältnisse im Team noch einmal drehen zu können. Denn längst muss er der Tatsache ins Auge sehen, dass Rosberg nicht nur gleichauf fährt, sondern „derzeit der Pacemaker ist“, wie Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug es formuliert. „Nico hat gezeigt, dass er nicht nur mitschwimmen kann.“ In der Tat: Michael Schumacher muss aufpassen, dass er nicht untergeht.

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