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Warmlaufen für Peking. Im März geht es in China weiter.

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Ausblick auf die nächsten Paralympics: Schnee von morgen

Die Paralympics in Tokio sind Geschichte. Doch nach den Spielen ist vor den Spielen. Ein Ausblick auf den Winter in China und Paris 2024.

Es sind noch fünf Monate, bis die nächste paralympische Flamme entzündet wird. Nach den Sommerspielen 2008 finden die Olympischen Spiele und die Paralympics im kommenden Jahr erneut in Peking statt. Den ersten Vorgeschmack auf die Winterspiele 2022 gab es bereits. Dafür hatte sich die chinesische Regierung etwas eher Unkonventionelles überlegt.  Ein Roboter der chinesischen Raumfahrtbehörde (CNSA) hatte nach seiner Landung auf dem Mars noch Zeit für ein Selfie. Im Mai diesen Jahres erreicht die Erde das Bild des Roboters, genannt „Zhurong“. Im Hintergrund sind die Umrisse der Maskottchen für die Winterspiele 2022 zu erkennen. Zhunrong soll auf dem roten Planeten das Gebiet „Utopia Planitia“ erkunden.

Auch in Tokio standen die Athleten*innen aus China, wie gewohnt und wie erwartet, vom ersten Wettkampftag an auf dem ersten Platz des Medaillenspiegels. Seit den Paralympics 2004 in Athen steht China bei dieser Gesamtwertung bei Sommerspielen stets oben und holte mit ihrem Team die mit Abstand meisten Medaillen. Im Wintersport konnte das Land an diese Erfolge jedoch nie anknüpfen – China ist nicht für die Stärke seiner Athleten*innen im Schnee bekannt. Nach den mit einer Medaille recht erfolglosen letzten Winter-Paralympics in Südkorea verfolgt die chinesische Regierung für kommenden März nun aber auch für diese Sportarten die Trendwende. Als würde das Team ähnlich wie der Marsroboter neues utopisches Terrain betreten: Das Heimteam soll bei den Heimspielen in allen sechs Sportarten zahlreich vertreten sein und ganz vorne mitspielen. 

 Der Boom des chinesischen Para-Sports

Besonders als Gastgeberland setzen sich die Organisatoren einem gewissen Druck aus. Um später im Medaillenspiegel eine sichtbare Rolle einzunehmen, wurde die Anzahl von chinesischen Athleten*innen im Wintersport über kurze Zeit von etwa 50 auf über 1000 angehoben. Das verzeichnet die chinesische „Disabled Persons Fedaration“ (CDPF). Dafür führte die Institution ein umfassendes System in China ein, das in einem Auswahlverfahren vielversprechende Sportler*innen für das Leistungstraining rekrutiert.

Diesen Zuwachs an Athlet*innen ermöglichte die chinesische Regierung über verschiedene Förderungen, die im Zuge der ersten Paralympics in Peking 2008 bereits die Sommersportarten von Grund auf professionalisiert hatten. Eine solche Entwicklung setzt sich jetzt auch in den chinesischen Wintersportarten durch.

Für die Erfolgsgarantie wurden teilweise erfahrene Trainer*innen aus dem Ausland angeheuert, um entsprechendes Fachwissen in die Teams zu bringen. Einer von ihnen ist Dario Capelli, der schon das italienische Ski-Alpin-Team auf Turin 2006 vorbereitet hatte. 

Als der Italiener 2018 in China eintraf, sagte man zu ihm: „Das ist dein Team – und wir brauchen die Goldmedaille!“, erinnert er sich. Er traf zum Teil auf Sportler*innen mit Beeinträchtigungen, die zuvor noch nie auf Skiern gestanden hatten und die zum Teil die Höhenangst plagte. Dem Ziel der Regierung ordnen sie alles unter. „Wir bleiben das ganze Jahr zusammen – 24 Stunden, sieben Tage die Woche“, berichtet Capelli im Gespräch mit dem IPC-Verband des Para-Alpine-Ski. Zu Beginn der vergangenen Weltcup-Saison stellte sich mit 16 Medaillen der erste Erfolg ein. Diese Leistungsentwicklung über die vergangenen vier Jahre verleiht dem chinesischen Team bei der internationalen Konkurrenz Respekt.  

Mit der Förderung des Para-Sports erhoffe man sich, auch andere Menschen mit Behinderungen zum Leistungssport anzuregen, berichtet der Präsident des CDPF, Lu Yong. Doch man wolle auch Ergebnisse sehen und dafür trainiere man umso härter. Internationale Kontrahent*innen fragen sich: Was steckt hinter dieser rasanten Entwicklung chinesischer Athleten*innen? Die Global Times berichtet von militärähnlichen Zuständen in den Trainingscamps, die bis heute nur wenige zu Gesicht bekamen. 

Es bleibt offen, welchen möglicherweise negativen Beigeschmack die Erfolgskurve im chinesischen Wintersport hat. Fest steht aber, dass der kleine Marsroboter mit seinem Selfie vergangenen „Utopien“ den Rücken kehrt und sportliche Grüße an die Erde sendet.

Emojis sollen den Para-Sport repräsentieren

Für Paris sind es 2024 die ersten Paralympics. In der französischen Hauptstadt fanden schon lange keine Olympischen Spiele mehr statt – 2024 ist es exakt 100 Jahre her. Die Paralympics hingegen werden erstmalig in Frankreich ausgetragen. Vom 28. August bis 8. September 2024 werden sich in Paris, drei Jahre nach den Spielen in Tokio, Athleten*innen der Weltspitze in den Paralympischen Sommersportarten messen können.

Trainieren für Paris 2024.
Trainieren für Paris 2024.

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Die Organisatoren*innen der Spiele haben mit Unterstützung des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), des französischen Komitees (CNPSF) und mit der Hilfe von mehreren französischen Athleten*innen mehr Öffentlichkeit des Para-Sports in der Digitalen Kommunikation gefordert. Am 31. August 2021 stellten die Organisatoren*innen offiziell ihr Emoji-Konzept vor. Eine Prothesenläuferin oder ein armamputierter Schwimmer sollen Teil der Emoji-Galerie werden. Mit dem Partner für 2024, „cisco-System“, ein amerikanisches Unternehmen, möchte man generell mehr für die digitale Infrastruktur tun und gleiche Möglichkeiten für alle schaffen.

U-Bahn Projekt gescheitert

Die französische Regierung nimmt die kommenden Spiele zum Anlass, um ihr Metro-Netzwerk weiter auszubauen und bis in die berüchtigten „Banlieues“ der Hauptstadt zu erweitern. So werden die äußeren Vororte von Paris bezeichnet, die für mangelnde Infrastruktur bekannt sind. Saint-Denis ist eine davon. Hier wird das Olympische Dorf mit den Unterkünften der teilnehmenden Sportler*innen errichtet. Das Projekt ist aber scheinbar bereits jetzt zum Scheitern verurteilt, nachdem der Betreiber des geplanten U-Bahn-Ausbaus von Grand-Paris-Express im Juli diesen Jahres ankündigte, dass mit einer Fertigstellung bis 2024 nicht zu rechnen sei. Die Bauarbeiten würden sich um zwei Jahre verschieben.

Das Motto der Paralympics in Paris lautet „Venez partager“ – was so viel bedeutet wie „zum Teilen gemacht.“ Die Ausrichter des CNPSF wollen vor allem soziale Spiele. Primär soll der paralympische Auftakt in Frankreich vor allem inklusiven Fortschritt verkörpern. Darum entschied man sich für ein „revolutionäres“ Logo, welches die Spiele repräsentieren soll, berichtet das österreichische Paralympische Komitee (OEPC). 2024 soll das individuelle Logo der Spiele zum ersten Mal identisch zu dem der Olympischen Spiele sein. Darauf zu erkennen ist eine Goldmedaille, die den Ehrgeiz aller Teilnehmenden widerspiegeln soll. In deren Mitte ist eine weiße Flamme zu erkennen. Diese vereint den olympischen und paralympischen Geist der Bewegung. Für die Fusion beider Symboliken hat sich die beauftragte Agentur der Royalties Ecobrandings Paris noch etwas Besonderes überlegt, um französisches Flair zu versprühen.  In Kombination verschmelzen Medaille und Flamme zu einem Abbild der Marianne. Sie ist die Nationalfigur der Französinnen und Franzosen.

Die Organisatoren der Spiele von IOC und IPC stellten das Logo 2019 vor, um 20:24 Uhr Pariser Zeit: „Diese Symbole zeigen ein Gesicht, das unseren Ehrgeiz verkörpert, die Menschen in den Mittelpunkt der Spiele zu stellen“, so Chef de Mission des französischen Paralympischen Komitees, Tony Estanguet.

Dieser Text ist Teil der diesjährigen Paralympics Zeitung. Alle Texte unserer Digitalen Serie finden Sie hier. Alle aktuellen Entscheidungen und Entwicklungen lesen Sie in unserem Paralympics Blog.

Nils Wattenberg

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