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Sport: Schlechte Zeiten, noch schlechtere Zeiten

Neururer, Gutendorf und viele andere: Für Trainer war es nie leicht in Berlin, weil Anspruch und Wirklichkeit oft auseinander klafften

Berlin - Helmut Kronsbein hat einmal gesagt: „Für Hertha arbeiten, heißt vorzeitig altern.“ Diese Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Vereins. Trainer hatten es in Berlin nie einfach. Fast immer waren die Mittel knapp und die Ansprüche hoch.

Schon die Lizenz für die 1963 eingeführte Bundesliga bekam der Klub nur, weil er dem Deutschen Fußball-Bund Schuldenfreiheit vortäuschte. Bei der Rekrutierung einer konkurrenzfähigen Mannschaft arbeitete man mit hohen Handgeldern, was nicht nur verboten war, sondern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überstrapazierte. Es reichte dennoch nur zu hinteren Plätzen, was Manager Wolfgang Holst Trainer Jupp Schneider anlastete. Ende 1964 träumte Hertha davon, Fritz Walter als Trainer zu verpflichten. Kurz darauf gab es eine Betriebsprüfung in der Geschäftsstelle, und das Lügengebäude brach zusammen. Hertha wurde in die Regionalliga zurückversetzt, und Fritz Walter war froh, dass er das Berliner Angebot abgelehnt hatte.

1974 bereicherte Hertha die Kuriositäten-Sammlung mit dem kürzesten Trainer-Engagement in der Bundesliga. Am 9. Juli leitete Dettmar Cramer vormittags das Training und löste nachmittags seinen Vertrag auf. Später deutete Cramer vage an, er habe Vereinsinterna erfahren, die ihm einen Rückzug nahe gelegt hätten. Der für ihn verpflichtete Georg Keßler führte Hertha auf Platz zwei – die beste Platzierung in der Bundesliga-Geschichte.

1978 reichte es unter Kuno Klötzer noch einmal zu Platz drei, danach ging es abwärts. Als Hertha 1979 in Richtung Zweite Liga taumelte, wurde Klötzer entlassen und Kronsbein reaktiviert, der gerade das Rentenalter erreicht hatte. Hertha stieg dennoch ab, und Kronsbein ging endgültig in Pension. Lustig wurde es in der Zweitligasaison 1985/86, als Rudi Gutendorf den glücklosen Uwe Kliemann ersetzte. Gutendorf hatte zuvor in Japan gearbeitet und stimmte seine Mannschaft mit Samurai-Schlachtrufen ein. Den sportlichen Verfall erklärte er damit, dass bei schlechtem Wetter nicht im Olympiastadion trainiert werden durfte. Kurz vor Saisonende musste Gutendorf gehen, sein Nachfolger Jürgen Sundermann wickelte den Abstieg in die Oberliga ab.

Am turbulentesten ging es nach dem Wiederaufstieg in die Bundesliga im Vereinigungsjahr 1990 zu. Erst wurde Aufstiegsheld Werner Fuchs entlassen, dann Pal Csernai, dann Peter Neururer, der mit zwei Unentschieden und neun Niederlagen aus elf Spielen die schlechteste Bilanz der Vereinsgeschichte zu verantworten hatte. Nach einer 3:7-Niederlage bei Bayern München sagte Neururer: „So hoch habe ich zuletzt vor 20 Jahren gegen meinen Bruder im Tipp-Kick verloren.“ Nach seiner Entlassung betreute Karsten Heine als vierter Trainer den Absteiger.

Die dramatischste Erfahrung auf der Berliner Trainerbank machte Jürgen Röber, nachdem er Hertha 1997 zurück in die Bundesliga geführt hatte. Nach elf Spieltagen war Hertha Letzter, der Vorstand wollte Röber entlassen, gegen den Willen von Manager Dieter Hoeneß. Röber bekam eine Gnadenfrist von einem Spiel gegen den Karlsruher SC, bei einer Niederlage wäre er sofort durch Friedel Rausch ersetzt worden. Hertha siegte 3:1, Röber blieb und führte die Mannschaft ein Jahr später in die Champions League.

Die bislang letzte Trainerkrise liegt zwei Jahre zurück. Im Herbst 2003 ging es um den Job des Holländers Huub Stevens, unter dem Hertha in Abstiegsgefahr geraten war. Der Klub knüpfte Stevens’ Verbleib an die Bedingung, die Mannschaft müsse die nächsten beiden Spiele gewinnen. Das gelang, aber ein paar Wochen später musste Stevens doch gehen, nach einer 1:6-Niederlage in Bremen, wo Hertha am Samstag anzutreten hat. Stevens’ Nachfolger damals hieß … Falko Götz. gol

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