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Dänischer Nationalspieler, der als Deutscher spielt. Mads Christensen (l.) von RB München jubelt über sein Tor zum 4:1 im siebten Finalspiel der vergangenen Saison gegen die Eisbären Berlin – die Bayern gewannen in diesem Spiel den Titel.

© Sven Hoppe/dpa

Saisonstart in der DEL: Die Liga und die Lüge

Seit dem Olympiasilber steigt die Zahl der Nachwuchsspieler im deutschen Eishockey. Doch in vielen Klubs versperren ihnen eingedeutsche Profis den Weg.

Es fällt in diesem Jahr nicht schwer, sich vieles schönzureden im deutschen Eishockey. Nach außen funktioniert es ja. Die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) hat seit nun zweieinhalb Jahrzehnten – klar hinter dem Fußball – am zweitmeisten Zuschauer im Land. International ist die Anerkennung für das deutsche Eishockey nach dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen so hoch wie nie. Die Nationalmannschaft hat sich ins öffentliche Bewusstsein gespielt. Auch steigt in einer Zeit, in der die Jugend den Sportvereinen den Rücken kehrt, die Zahl der Nachwuchsspieler an. Seit dem Silber von Südkorea hätten 3000 Kinder mehr den Weg in die Klubs gefunden, meldet der Deutsche Eishockey-Bund.

Die Frage, wo die Jugendlichen einmal als Profi spielen können, ist aber nicht so einfach zu beantworten. Im Regelfall ist es so, dass Eltern und Klub Zeit und Geld investieren, damit der Sohn dann mit 18 Jahren aufhört oder ins Hobbyeishockey wechselt. Denn der Weg nach oben ist verbaut, in der DEL sind zum großen Teil Spieler unterwegs, die nicht in Deutschland ausgebildet wurden. Die von der Liga manifestierte Selbstbeschränkung, nach der nur elf ausländische Profis im Kader und neun im Spiel sein dürfen, wird von fast allen Klubs torpediert. Das Verhältnis liege bei fast zwei Dritteln einheimischer Spieler und einem Drittel ausländischer Profis heißt es; doch der Anteil deutscher Spieler ist weit kleiner, weil viele ausländische Spieler mit deutschem Pass spielen und zum großen Teil nicht für Deutschland eingesetzt werden können. Das ist schlecht für das Nationalteam und vor allem schlecht für den Nachwuchs, dem der Weg nach oben verbaut wird: Weil die Liga ihre Lüge kultiviert.

Überall Kanadier

Die Düsseldorfer EG halt als einziger Klub in der DEL keinen eingedeutschten Spieler im Team. Mit den Eisbären und Meister RB München sind die Rheinländer eine der drei Mannschaften, in deren Kader der Anteil deutscher Spieler deutlich höher ist als der ausländischer Spieler. In sechs Kadern ist es andersherum. In Ingolstadt, Nürnberg, Augsburg, Krefeld, Iserlohn und Bremerhaven sind mehr Spieler im Team, die nicht in Deutschland das Eishockeyspielen erlernt haben als Spieler aus dem hiesigen Nachwuchs. Unangefochtener Meister in dieser Kategorie sind die Fischtown Pinguins: In Bremerhaven sind gerade mal zwei deutsche Spieler im Kader, dafür ein Norweger, zwei Slowenen, drei Tschechen, fünf US-Amerikaner und zehn Kanadier. Kein Wunder, dass Bundestrainer Marco Sturm unlängst äußerte, nach Bremerhaven oder Iserlohn müsse er nicht fahren, um sich Spieler anzuschauen. Bei den Roosters sind aber inzwischen sogar acht deutsche im Kader – wobei natürlich unsicher ist, ob jeder sogenannte Förderlizenzspieler auch den Sprung in die DEL schafft. Nur ein deutscher U-23-Spieler muss ab dieser Saison pro Spiel aufgestellt werden. Aber das ist Augenwischerei.

In der Realität sieht es im Schnitt im laufenden Ligabetrieb so aus, dass zwölf Ausländer und neun Deutsche dann auf dem Eis stehen. Keines der 14 Teams in der Liga kommt ohne Kanadier aus, beim Meister sind zehn Spieler aus der Zentrale des Welteishockeys unter Vertrag – wobei RB München die einzige Mannschaft in der DEL ist, die ohne US-Amerikaner auskommt. Dafür sind beim Meister die Trainer und Co-Trainer aus den USA. Die Amerikaner sind in der Liga immer präsenter, in drei Klubs stellen sie das höchste Kontingent an Ausländern, in zehn Klubs sind das Kanadier und in einem Spieler aus Finnland (Schwenningen).

Viele Talente gehen früh nach Amerika

Angesichts der Übermacht der in die DEL drängenden Spieler aus Übersee sind auch die europäischen Profis hinter deutschen Pässen her, um einen gut bezahlten Job in der Liga zu ergattern. Der dänische Nationalspieler Mads Christensen etwa spielt in München als Deutscher. Das machen auch vier Italiener in der DEL, sie sind Nationalspieler in der Heimat und sogar zwei Niederländer haben ein deutsches Ausweispapier.

Weil der Weg nach oben eng ist, sucht die deutsche Jugend schon länger nach Auswegen. Sich lieber mit 16 Jahren in einer kanadischen Juniorenliga internationalen Scouts präsentieren, als daheim vergeblich darauf warten, dass sich der Trainer vom DEL-Team für einen interessiert. „Wobei in Nordamerika die Ausbildung dann auch nicht besser sein muss als hier“, sagt Eisbären Co-Trainer Steffen Ziesche.

Doch den Umweg Amerika auf dem Weg zum Eishockeyprofi haben in den jüngsten Jahren immer mehr deutsche Nachwuchsspieler gewählt. Leon Draisaitl ist das prominenteste Beispiel, inzwischen ist er ein Star bei den Edmonton Oilers in der National Hockey-League (NHL). In der DEL hat er nie gespielt. Es eint ihn mit seinem deutschen Teamkameraden bei den Oilers: Tobias Rieder wechselte einst mit 17 Jahren von Zweitligist Landshut aus nach Nordamerika.

Fünf Nationalspieler in die NHL

Das Silber von Südkorea könne die DEL beflügeln, sagte ihr Geschäftsführer Gernot Tripcke unlängst – was Sponsoren und Aufmerksamkeit angeht. „Es öffnet Türen.“ Und: Es sei erfreulich, dass deutsche Spieler nun aus der DEL den Sprung in die NHL schaffen könnten, fünf aktuelle Nationalspieler sind ja zur neuen Saison nach Übersee gewechselt. Tatsächlich läuft womöglich bald die halbe Nationalmannschaft in der besten Eishockeyliga der Welt auf. Wer also gute deutsche Spieler sehen will, der muss nach Nordamerika schauen. Wer zweitklassige Nordamerikaner sehen möchte, der muss in Deutschland zuschauen? Ganz so weit ist es nicht. Noch spielen in Nürnberg, Mannheim, Köln, Düsseldorf, Berlin oder München auch gute deutsche Profis: beim Meister sogar die besten. Aber es wird nicht besser, wenn zu wenig nachkommt.

Die Not der verschmähten Jugend sucht sich mitunter eben ihre, auch guten Wege: Dominik Bokk, 18 Jahre, spielt seit gut einem Jahr in der ersten schwedischen Liga. In Deutschland hatte sich vor zwei Jahren kein Klub groß für das Talent interessiert. Jüngst sicherten sich die St. Louis Blues aus der NHL die Rechte an dem Angreifer aus Schweinfurt. In der DEL wird Bokk womöglich frühestens spielen, wenn er 35 ist. Wenn überhaupt.

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