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Stefan Ustorf war eins Kapitän in Berlin, heute ist er Sportdirektor der Nürnberg Ice Tigers.

© imago images/Andreas Gora

Quarantänen, Spielausfälle und drohender Abstieg: Stefan Ustorf steht mit Nürnberg vor besonderen Herausforderungen

Stefan Ustorf gastiert mit den Nürnberg Ice Tigers bei seinem alten Klub in Berlin. Die Eisbären sind für ihn immer noch eine Herzenssache.

Bei Stefan Ustorf hat sich das Stresslevel in den vergangenen Tagen massiv erhöht. Was zum einen mit den wechselnden Leistungen seiner Mannschaft zu tun hat. Nach der 2:3-Heimniederlage im Penaltyschießen gegen die Schwenninger Wild Wings am Freitagabend reisen die Nürnberg Ice Tigers als Neunter der Tabelle zum Auswärtsspiel zu den Eisbären an diesem Sonntag (19 Uhr/Arena am Ostbahnhof).

„Die Bilanz dieser Saison ist bislang trotzdem in Ordnung“, sagt Ustorf, der seit dem 15. März die Franken als Sportdirektor anführt.

Viel mehr beunruhigt den einstigen Berliner Kapitän und sechsfachen Deutschen Meister, dass die vierte Coronawelle nicht nur ganz Deutschland mit aller Wucht trifft. Quarantänen und Spielausfälle wirbeln seit nun einigen Wochen die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) immer wieder durcheinander. Vergangene Woche schreckten vier Fälle den Verein auf. Für eine Mannschaft, die nur zwei Punkte von der neuen Abstiegszone ab Platz 14 entfernt liegt, birgt das natürlich erhöhtes Risikopotenzial.

Ustorf steht der neuen Regelung, die ab dieser Saison greift, ohnehin kritisch gegenüber. Bei einem Instagram-Livestream mit dem Fachportal Hockeyweb sagte der 47-Jährige: „Der Abstieg bringt das deutsche Eishockey keinen Furz nach vorne.“ Das Gefühl der Ohnmacht angesichts der Coronaentwicklung steigert das Unwohlsein noch. „Wenn du in eine heikle Situation gerätst durch Dinge, für die du nichts kannst, ist es schon stressig“, sagt er. „Wenn du Pech hast und plötzlich sechs Wochen lang mit einer extrem kurzen Bank spielen musst, wird es unkalkulierbar.“

Eine Wettbewerbsverzerrung lässt sich entsprechend nicht von der Hand weisen. Nürnbergs Geschäftsführer Wolfgang Gastner dachte neulich bereits laut darüber nach, den Abstieg wie schon in der vergangenen Saison auszusetzen.

Die großen Drei sind für den Rest nicht einzuholen

Ustorf möchte allerdings nicht zu viel Energie aufwenden für unkontrollierbare Dinge. Vielmehr geht es darum, das Eishockey am Standort Nürnberg trotz schwieriger Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln. Nicht nur die Pandemie fordert die Ice Tigers heraus. Nach der vorzeitig abgebrochenen Saison 2019/2020 zog sich Schmuck-Unternehmer Thomas Sabo wie zuvor angekündigt als Hauptsponsor zurück. „Wir reden hier inzwischen von einem anderen Budget“, sagt Ustorf, ohne ins Detail zu gehen, „aber wir können trotzdem sehr vernünftig arbeiten“.

Man müsse ohnehin akzeptieren, dass die großen Drei – die Eisbären, die Adler Mannheim und RB München – uneinholbar für den Rest davongezogen sind. Auch wenn sich die Berliner beim 5:4 nach Penaltyschießen in Bietigheim am Freitag mehr mühten, als das zu erwarten war.

Die Eisbären, bei denen er einst spielte, sind für Ustorf immer noch eine Herzenssache.
Die Eisbären, bei denen er einst spielte, sind für Ustorf immer noch eine Herzenssache.

© Bild ohne Text

Ob die Fans in Nürnberg akzeptieren, dass sie nach grandiosen Spielzeiten zum Mittelmaß gehören, lässt sich für Ustorf schwer messen. Seit dem Neustart spielen die Nürnberger unter Coronabedingungen und entsprechend reduzierten Zuschauerkapazitäten. Aktuell sind 2150 Besucher zugelassen, das ist ein Viertel der sonst möglichen Kapazität.

Auch bei den Eisbären gibt es ab diesem Sonntag eine Obergrenze. 9600 Fans, die geimpft und genesen sein müssen, sind zugelassen. Am Platz herrscht Maskenpflicht, was als eigene Variante von 2G+ gilt. Bei Kindern und Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren reicht ein negativer Test aus.

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Auch wenn die Trennung zwischen den Eisbären und Ustorf im vergangenen Jahr kommunikativ eher unglücklich verlaufen war, empfindet er keinen Groll gegenüber den Berliner Verantwortlichen. „Ich telefoniere immer noch regelmäßig mit Peter John Lee“, sagt Ustorf, der ja bekanntlich inzwischen in den Aufsichtsrat der Eisbären gewechselt ist. Eng sei auch immer noch die Bande zu den ehemaligen Weggefährten. „Mit Frank Hördler und André Rankel habe ich regelmäßigen Kontakt“, erzählt er.

Eine besondere Zeit, die Ustorf geprägt hat

Zu seinem engeren Bekanntenkreis zählen zudem die Braun-Brüder Constantin und Laurin, die mittlerweile in Bietigheim beziehungsweise in Krefeld spielen sowie Alexander Weiß (ebenfalls Krefeld). Und auch zu anderen Helden früherer Jahre besteht noch eine Verbindung: Steve Walker, Denis Pederson, Mark Beaufait. „Das war eine besondere Zeit, die hat einen natürlich geprägt“, sagt Ustorf.

Das gilt auch für Florian Busch, mit dem er regelmäßig telefoniert. Beide eint ja das sportliche Schicksal, dass sie nach einem Schädel-Hirn-Trauma ihre Profikarrieren beenden mussten. Ob dieses Thema eine Rolle im gemeinsamen Austausch spielt, darüber möchte Ustorf keine Auskunft geben. „Ich kann nur für mich sprechen und kann sagen: Ich komme ganz gut klar“, erklärt er.

Bei allen Kontakten in die Hauptstadt möchte Ustorf nicht zu sehr in Erinnerungen schwelgen. Für den „Hooligan“, wie die Berliner Fans Ustorf stets riefen, zählt nur noch der Job in Nürnberg. Denn nach dem Aus in Berlin, wo er zuletzt laut Bezeichnung für die Nachwuchsentwicklung und das Scouting zuständig war, konnte er zunächst mal nicht davon ausgehen, in der DEL wieder in führender Rolle unterzukommen.

„Als Profi kannst du mehr kontrollieren, weil es an dir liegt, wie hart du trainierst“, sagt er. „Einen Job wie meinen gibt es nur 15 Mal in der DEL.“

Er bezeichnet es als Glücksfall, auch wenn das gerade in diesen Tagen ein erhöhtes Stresslevel bedeutet.

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