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Keine Verschnaufpause. Die Potsdamerinnen um Luca Maria Graf (rechts) wollen nach vier Niederlagen unbedingt gegen Leverkusen gewinnen.

© imago images/Oryk HAIST

Probleme bei Turbine Potsdam: Es war einmal ein Topverein

Turbine Potsdam steckt nach fünf Niederlagen in den ersten sieben Bundesliga-Spielen in einer ungewohnten Krise. Aber es gibt Hoffnung.

Die beiden Halbtagsjobs von Matthias Rudolph verschmelzen derzeit mehr denn je. Der Gymnasiallehrer ist seit 2016 Trainer des Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam und kommt sich beim Training in dieser Saison oft vor, als wäre er gerade noch im Schulunterricht. „Unsere Mannschaft braucht sehr viel Anleitung, muss eine Menge lernen“, sagt er. Nach einem großen personellen Umbruch im Sommer ist das Team neu formiert, aber bei Weitem nicht auf dem Leistungslevel, wie es Rudolph aus den Vorjahren kannte. „Wir müssen erst einmal viel Basisarbeit machen und grundlegende Dinge vermitteln“, sagt er.

Der Lehrbedarf war in den ersten sieben Liga-Partien deutlich zu erkennen. Turbine spielt bislang ein außergewöhnlich schlechtes Jahr. Noch nie in seiner seit 1994 währenden Erstklassigkeit hatte der Verein zu diesem Saisonzeitpunkt bereits fünf Niederlagen kassiert. Sechs Punkte stehen zu Buche – weniger waren es nur 1998/99 mit fünf. Und zuletzt musste Potsdam zudem vier Niederlagen in Folge einstecken.

So kommt es, dass Turbine an diesem Freitag beim Heimspiel gegen den tabellarisch gleichauf liegenden Kontrahenten Leverkusen enorm unter Druck steht (19.15 Uhr/Eurosport). „Die Situation ist schwierig“, sagt Rudolph. „Aber wir müssen alle einen klaren, kühlen Kopf bewahren und dürfen nicht in Panik verfallen.“ Schließlich ist es durchaus eine kalkulierte Krise. „Uns war allen bewusst, dass es auf dem eingeschlagenen Weg auch solche Negativphasen geben kann“, betont Rudolph. Und Vereinspräsident Rolf Kutzmutz ergänzt: „Dazu müssen wir jetzt auch stehen.“

Radikale Veränderungen im Kader erlebte Turbine schon häufig. Doch die aktuellen erreichen ein neues Niveau. Gelang es in der Vergangenheit, Verluste von Leistungsträgerinnen durch bereits gereifte Zugänge aufzufangen, wurden diesmal ausschließlich Spielerinnen verpflichtet, denen zunächst nur gutes Entwicklungspotenzial attestiert wird. Aus der Nachwuchsabteilung rückten Talente hoch, hinzu kamen weitere junge Spielerinnen aus Deutschland, Slowenien und Polen. Potsdam gehört schlichtweg nicht mehr zu den großen Adressen in der Szene, die starke Spielerinnen anlocken. Jene ziehen innerhalb der Bundesliga eher Wolfsburg und Bayern München oder England, Frankreich und Spanien.

Turbine plagt eine Verletzungsmisere

„Unser Plan“, erläutert Rudolph, „ist eine Art Neustart.“ Man wolle eine Mannschaft über mehrere Jahre kontinuierlich aufbauen, um dann möglichst wieder oben mitzuspielen. Leistungsschwankungen seien daher programmiert gewesen, sagt Rudolph. Gewonnen hat seine Elf bisher nur deutlich gegen den Tabellenletzten Jena und sehr mühsam gegen den Vorletzten 1. FC Köln.

„In den anderen Spielen haben wir uns mehrfach durch zu einfache Fehler, teilweise in kürzester Zeit, um ein besseres Ergebnis gebracht“, sagt er. Auch das ist ein Zeichen mangelnder Erfahrung. Zudem kassierte der sechsfache Deutsche Meister bereits 19 Gegentore – mehr als früher in einer ganzen Saison. „Aber das Gute an unserem Team ist, dass es Moral zeigt, sich nicht aufgibt“, betont der Trainer und verweist beispielhaft auf das Duell mit dem SC Freiburg. Nach 0:3- und 2:4-Rückstand schaffte Potsdam noch das 4:4 – fing sich dann aber in der Nachspielzeit doch das 4:5.

Zusätzlich erschwerend bei der ohnehin schon komplizierten Lage ist eine Verletzungsmisere. Für gewöhnlich möchte Rudolph Ausfälle nie groß thematisieren. Dann hätten eben andere die Chance sich zu beweisen, sagt er gern: „Aber momentan muss selbst ich eingestehen, dass es gravierend ist.“ Adrijana Mori, Dina Orschmann und Rahel Kiwic haben sich Kreuzbandrisse zugezogen. Viktoria Schwalm einen Schlüsselbeinbruch. Zuletzt fielen auch noch Johanna Elsig (Achillessehne), Nina Ehegötz (Knie) und Anna Gasper (Sprunggelenk) aus – der Einsatz der Drei ist ebenfalls gegen Leverkusen offen. Alles Ausfälle, die insofern problematisch sind, weil diese recht gestandenen Spielerinnen eigentlich das junge Team stützen sollen.

Die Situation bereite Sorgen, gibt Klubchef Kutzmutz zu. Zumal er angesichts der schon seit 2013 ausbleibenden großen Triumphe weiß, „dass es bei weniger sportlichem Erfolg auch wirtschaftlich immer schwieriger wird“. Allerdings möchte er auch nicht stets wieder hören, Turbine sei unattraktiv geworden: „Wir spielen hier nicht im Mittelalter. Wir haben gute Bedingungen und geben intensiv alles für noch bessere.“ Er sei optimistisch, dass Turbine zukunftsfähig ist.

Und auch Rudolph strahlt eine positive Einstellung aus. Warum seine Mannschaft schon bald die Kurve kriege? „Weil sie sehr lernwillig ist.“ Eine optimale Voraussetzung in seinen beiden Jobs.

Tobias Gutsche

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