zum Hauptinhalt

Uefa: Platini will die Revolution

Die neuen finanziellen Standards der Uefa könnten den Fußball so verändern wie das Bosman-Urteil. Wer künftig in Champions und Europa League mitspielen will, darf nur noch so viel ausgeben, wie er auch einnimmt.

Berlin - Am Dienstag bestreiten der FC Valencia und der FC Schalke 04 die erste Begegnung des Champions-League-Achtelfinales. Unter anderen Umständen hätte es dieses Spiel gar nicht geben dürfen. Uefa-Präsident Michel Platini verriet neulich, dass nach den künftigen Finanz-Standards seines Fußball-Verbandes elf Klubs in dieser Saison gar keine Zulassung zur Champions League erhalten hätten. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass Schalke (Schuldenstand etwa 250 Millionen Euro) und Valencia (490 Millionen) zu den elf gehören könnten.

Mit den künftigen Standards ist das „Financial Fair Play“ gemeint, das im vergangen Mai verabschiedet wurde und ab kommender Saison schrittweise eingeführt wird. Nicht weniger als eine neue Finanzarchitektur ist es, die Platini Fußball-Europa mit seinem Projekt verschreiben will. Der als Reformator angetretene Franzose verwirklicht seine erste große Umbaumaßnahme und eine im Grunde einleuchtende Idee. Wer künftig in Champions und Europa League mitspielen will, darf nur noch so viel ausgeben, wie er auch einnimmt. Diese „Break-Even-Regel“ ist das Herzstück der neuen Vorschriften, die eine ähnlich einschneidende Wirkung haben könnte wie das Bosman-Urteil 1995, nach dem Spielergehälter und Vereinsausgaben explodierten. Diesmal geht die Revolution in die andere Richtung. Die neuen Finanzregeln sollen den Wettbewerb fairer gestalten und schützen, sprich: die Klubs vor ihrem eigenen Transferwahnsinn retten. „Es gibt kein Zurück“, sagt Platini.

2009 haben die europäischen Vereine 1,2 Milliarden Verlust gemacht, fast eine Verdoppelung zum Vorjahr. Selbst die Bundesliga musste im Verbund mit der Zweiten Liga für die Spielzeit 2009/10 ein Minus von 100 Millionen verkraften. Bei dieser Diagnose ist eine Therapie schwierig. Auch wegen Widerständen aus den Klubs wurde die Einführung des Fairplays von 2012 auf eine schrittweise Einführung verschoben. Ab 1. Juni werden alle Transferaktivitäten von der Uefa überwacht, ab der Saison 2012/13 dürfen die Vereine jährlich nur noch 45 Millionen Euro Schulden machen, von 2015/16 bis 2017/18 noch 30 Millionen, danach keine mehr, theoretisch zumindest. Abweichungen von fünf Millionen Euro sind erlaubt. Einnahmen müssen aus dem eigentlichen Fußballbetrieb stammen, nicht aus Immobiliengeschäften oder aus Finanzspritzen von Investoren. Statt einer oft geforderten Gehaltsobergrenze, einem „Salary Cap“ nach US-Vorbild, wird die Zahl der Spieler pro Verein auf maximal 25 festgesetzt.

Schon der 59-Millionen-Euro-Transfer von Fernando Torres zum FC Chelsea und der 35-Millionen-Euro-Wechsel von Edin Dzeko zu Manchester City sind Produkte der neuen Schuldenbremse. Im Sommer wären beide Transfers bereits in die überwachten Bilanzen gefallen, dieser Winter war die letzte Gelegenheit für einen großen Transfer.

Sollten die vergleichsweise brav wirtschaftenden deutschen Klubs etwa bald Europapokal um Europapokal abräumen, wenn die Konkurrenz aus England, Italien und Spanien keine Transfers mehr über Schulden finanzieren kann? „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich die Chancen unserer Klubs im Europapokal erhöhen,“ sagt Holger Hieronymus, Vorstand in der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Doch die Umsätze von Spitzenvereinen wie Manchester United, Real Madrid oder FC Barcelona bleiben weiterhin deutlich höher als die der meisten Bundesligisten. Laut einer Studie des Bilanzprofessors Karlheinz Küting wirtschaften Vereine wie Real oder Olympique Lyon weitaus erfolgreicher als Bayern München. Wer viel verdient, darf auch weiter viel ausgeben.

Der Wettbewerb könne sogar unfairer werden, kritisierte der englische Wirtschaftsrechtler Stephen Hornsby „damit werden die etablierten Klubs bevorzugt“, ein Verein wie Manchester City könne den Rückstand auf United dann nicht mehr dank eines Investors aufholen.

„Die Uefa will Investoren sicherlich nicht gänzlich abschrecken“, sagt Stephan Schröder von der Agentur Sport+Markt, alleine das schnelle „Rein und Raus“ des Kapitals solle verhindert werden, ebenso das Überschreiben horrender Schulden aufs Klubkonto. Es könnte sich aber auch „herumsprechen, dass im Fußball einfach nicht viel Geld zu verdienen ist, dann zieht auch das Kapital weiter“. Dieses Manko sieht auch Hannovers Präsident Martin Kind, der seit Jahren versucht, die „50+1“-Regel in Deutschland zu kippen und so Investoren zu locken: „Objektiv ist das Financial Fair Play zu begrüßen, aber es darf nicht jegliche Kreativität abtöten.“

Joachim Gassen, Professor für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung an der HU in Berlin, glaubt dagegen: „Es könnte Versuche geben, durch überhöhte Werbepreise oder das Sponsoring Mannschaften trotzdem Geld zuzuspielen.“ Ob also das Zeitalter der investierenden Scheichs und Mogule vorbei ist, bleibt abzuwarten. Mäzene wie Hoffenheims Dietmar Hopp dürfen ganz ohne Tricks Trainingsanlagen und Jugendinternate bauen, diese Ausgaben werden nicht eingerechnet. Da für die jeweilige Lizenz die letzten drei Spielzeiten gelten, bleibt außerdem die Möglichkeit, ein Jahr fulminant zu investieren und anschließend zwei Jahre finanziell zu fasten.

In einer Hinsicht aber ist das Fair Play der Uefa eine  Revolution, gerade für die deutschen Vereine: Die Klubs, die im Europapokal mitspielen wollen, müssen komplette Konzernbilanzen vorlegen. Um eine Lizenz für Bundesliga oder die Zweite Liga zu erhalten, reicht der DFL dagegen eine Bilanz der eigentlichen Fußball-Gesellschaft. Viele Klubs nutzen dieses Schlupfloch, um Schulden in Tochtergesellschaften zu verstecken, die nicht aufgeführt werden müssen. Beim neuen ClubMonitoring der Uefa geht dies nicht mehr. Ein Verein wie Hertha BSC, der Vermarktungs- und Verwertungsrechte im Wert von 38 Millionen Euro in eine eigens gegründete Tochtergesellschaft ausgegliedert hat, dürfte es, einen Aufstieg und eine sportliche Qualifikation für den Europapokal vorausgesetzt, nach derzeitigem Stand schwer haben, eine Lizenz für diesen Wettbewerb zu bekommen. Von Schalke und Valencia ganz zu schweigen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false