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Niemeyer erzielte im September 2010 den ersten Pflichtspieltreffer in einem Derby zwischen Hertha und Union.

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Peter Niemeyer über Duelle gegen den 1. FC Union: „Vielleicht kommt das Derby für Hertha zur rechten Zeit“

Peter Niemeyer hat vier Derbys zwischen Hertha und Union mitgemacht. Im Interview erinnert er sich an besondere Momente und die Stimmung in der Stadt.

Peter Niemeyer, 38, stand von 2010 bis 2015 bei Hertha BSC unter Vertrag, war zwischenzeitlich auch Kapitän. 2018 beendete er seine Karriere, inzwischen arbeitet Niemeyer als Sportdirektor beim Regionalligisten Preußen Münster.

Herr Niemeyer, dass Ihr Name in Berlin als möglicher Nachfolger von Herthas Sportdirektor Arne Friedrich gehandelt worden ist, das haben Sie vermutlich mitbekommen.
Ja, das ist mir nicht entgangen (lacht).

Das Gerücht ist vermutlich in Fankreisen entstanden, weil Sie unter Herthas Anhang immer noch einen guten Ruf genießen.
Das ist schön zu hören. Und es macht mich auch stolz, dass ich nicht nur zur Vordertür bei Hertha reingegangen, sondern auch zur Vordertür wieder rausgegangen bin. Ich hatte eine wunderschöne Zeit. Daran denke ich immer noch gerne zurück.

Sie haben mal gesagt, dass Sie zum Fan dieses Vereins geworden sind. Gilt das immer noch?
Hertha ist immer noch in meinem Herzen, definitiv. Ich verfolge auch, was da passiert und wünsche dem Verein nur das Beste.

An diesem Samstag steht das Derby gegen den 1. FC Union an (18.30 Uhr/Sky). Haben Sie eine Chance, das Spiel zu sehen?
Das Spiel werde ich mir natürlich im Fernsehen anschauen. Im Januar, beim Pokalspiel, war ich sogar im Stadion.

Wie sind Sie aus diesem Spiel rausgegangen?
Wie die meisten Herthaner wahrscheinlich. Das Auftreten hat mich schon ein bisschen erschreckt – weil Hertha da gefühlt nicht auf Augenhöhe war. Man muss leider konstatieren, dass Union die stärkere Mannschaft war und überhaupt eine stabilere Saison spielt. Was mich enttäuscht hat: Niemand hat sich aufgebäumt. Aber ich hoffe, dass Hertha die Kehrtwende schafft und noch irgendwie aus dem Schlamassel herauskommt.

Sie haben 2009 die legendäre Nordderby-Serie zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV – Stichwort: Papierkugel – miterlebt. Trotzdem haben Sie mal gesagt: „Die Berliner Derbys sind für mich wesentlich emotionaler.“ Sehen Sie das heute auch noch so?

Auf jeden Fall.

Warum?
Hertha gegen Union, das ist ein Derby in einer Stadt. Außerdem waren die Größenverhältnisse, zumindest zu meiner Zeit, noch klarer. Hertha gegen Union, das war groß gegen klein. Dadurch waren mehr Emotionen und auch mehr Brisanz im Spiel.

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Welche Erinnerungen haben Sie noch an die Stimmung in der Stadt?
Derbys sind besonders für die Fans relevant. Das Spiel war schon eine Woche vorher präsent und danach eigentlich auch noch. Das ist ja immer noch so. Es gibt das Vorgeplänkel und das Nachgeplänkel. In meinem ersten Jahr bei Hertha sind wir souverän wieder aufgestiegen, aber leider hatten wir zu Hause gegen Union verloren. Mir haben tatsächlich Fans gesagt, für einen Sieg gegen Union hätten sie sogar auf den Aufstieg verzichtet.

Haben Sie das verstanden?
Nein, in diesem Punkt habe ich das nicht verstanden, obwohl mir die Brisanz natürlich bewusst ist und ich den Wunsch der Fans, das Derby zu gewinnen, auch nachvollziehen kann. Aber als Profi willst du den maximalen sportlichen Erfolg und nicht nur den Sieg im Derby.

Sie haben mit Hertha in der Zweiten Liga vier Mal gegen Union gespielt. Haben Sie noch an jedes dieser Derbys konkrete Erinnerungen?
Ich glaube, eins fehlt mir.

Welches?
Das letzte. Das ist mir ein bisschen abhandengekommen. Oder war nie da. Jedenfalls weiß ich nur noch wenig von diesem Spiel. Ich weiß nur noch, dass ich schon früh bei einem Duell einen Schlag gegen den Kopf bekommen habe.

Aber Sie haben weitergespielt?
Ich glaube schon (lacht).

Heute würde man das vermutlich anders handhaben.
Möglich. Aber wenn ich auf dem Platz stand, war ich ein anderer Mensch. Da habe ich nicht nach links und rechts geschaut.

Das Spiel ist übrigens 2:2 ausgegangen, nachdem Union schon 2:0 geführt hatte.
Das weiß ich natürlich …

Das erste Spiel war im September 2010 in der Alten Försterei, und das erste Pflichtspieltor in einem Berliner Derby hat Peter Niemeyer erzielt.
Ja, zweite Minute: Kopfballtor vor der Union-Kurve. Das ist natürlich noch präsent. Santi Kolk hat später das 1:1 für Union erzielt. Dabei ist es geblieben. Punktuell sind die Erinnerungen noch da. Auch an die Container, in denen wir uns umgezogen haben.

War das ein Kulturschock für Sie?
Ein bisschen schon. Wir waren zum ersten Mal in die Zweite Liga abgestiegen. So was wie an der Alten Försterei, die damals umgebaut wurde, hatten wir tatsächlich noch nicht gesehen. Das war ja noch ganz früh in der Saison.

An das Rückspiel sind die Erinnerungen vermutlich nicht ganz so positiv.
Positiv nicht, aber noch da. Klar, Freistoß Mattuschka, durch die Mauer.

Auf dem Weg zum Derbyhelden. Beim ersten Zweitligaspiel zwischen Hertha und Union im Olympiastadion erzielte Torsten Mattuschka per Freistoß den Siegtreffer für den 1. FC Union.
Auf dem Weg zum Derbyhelden. Beim ersten Zweitligaspiel zwischen Hertha und Union im Olympiastadion erzielte Torsten Mattuschka per Freistoß den Siegtreffer für den 1. FC Union.

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Torsten Mattuschka hat sich damals zum Derby-Helden geschossen, allerdings mit Unterstützung von Herthas Torhüter Maikel Aerts, der bei Unions Siegtreffer zum 2:1 nicht gut aussah und anschließend heftig kritisiert wurde. Reagiert die Mannschaft nach einer solchen Niederlage auch ein bisschen empfindlicher auf den Fehler eines Kollegen als sonst?
Gar nicht. Wir hatten ein Ziel: aus der Zweiten Liga direkt wieder hochzugehen in die Bundesliga. Das haben wir zweimal geschafft. Es hieß immer, dass das für einen Verein wie Hertha eine Selbstverständlichkeit ist. Aber wenn man sich mal den HSV anschaut, sieht man, dass es das keineswegs ist. Wir haben es nur geschafft, weil wir eine mannschaftliche und eine vereinsübergreifende Geschlossenheit hatten. Und deshalb ist da auch nie jemand an den Pranger gestellt worden. Es war eher so: Jetzt erst recht und Schulterschluss.

Die Revanche ist Hertha dann in der Saison 2012/13 in der Alten Försterei gelungen.
Ja, Ronny! Wir sind damals schwer in die Saison reingekommen. Ich weiß noch: Unser Trainer Jos Luhukay hat mich als Kapitän zur Seite genommen und mir erklärt hat, dass wir nach dem Abstieg irgendwie den Turnaround schaffen müssen. Wenn ich über besondere Spiele in dieser Saison nachdenke, dann ist das so eins. Du hast bei einem Aufstieg drei, vier Situationen, an denen sich entscheidet, ob es klappt oder nicht. Das Hinspiel bei Union war definitiv so ein Punkt. Der Sieg hat uns durch die ganze Saison getragen.

Sie haben nach dem Spiel gesagt: „Man muss nur in die Gesichter schauen, da ist ein Grauschleier verflogen.“
Das passt. Nach der miserablen Rückrunde und dem Abstieg waren wir alle echt noch schwer getroffen. Deshalb gab es nach Ronnys Tor zum 2:1 auch es kein Halten mehr. Das war einfach ein Moment, an den ich noch heute gerne zurückdenke. Danach sind wir mit der gesamten Mannschaft ins Felix gegangen und haben den Sieg gefeiert. Das war sensationell. Das war der Moment, an dem die Saison in die richtige Richtung gegangen ist.

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Wie blicken Sie als ehemaliger Herthaner auf die Entwicklung des 1. FC Union?
Bei aller Emotionalität und allem Konkurrenzdenken: Union macht es wirklich gut. Die holen aus ihren Möglichkeiten sehr viel heraus. Das muss man neidlos anerkennen. Man kann Union und Hertha nicht miteinander vergleichen. Das sind ganz andere Vereine mit anderen Strukturen. Trotzdem muss man sagen: So wie sie es bei Union machen, machen sie es gut. Ich hoffe, dass Hertha diese Stabilität, diese Ruhe auch hinbekommt.

Union hat sich von weit unten recht weit nach oben gearbeitet. Können Sie sich davon für Ihren Job bei Preußen Münster etwas abschauen?
Das ist schwer. Wenn es bei einem anderen Verein nicht läuft, wird man ja oft gefragt, woran das wohl liegt. Ich finde es vermessen, sich dazu zu äußern. Eigentlich wissen nur diese Neunmalklugen immer, wie man es hätte machen müssen. Auch im Hinblick auf Hertha. Von außen, wenn du nicht den richtigen tiefen Einblick hast, ist es sauschwer, das zu beurteilen. Ich kann auch bei Union nur das bewerten, was offensichtlich ist – zum Beispiel die Transferpolitik. Deswegen fällt es mir schwer, irgendwelche Schlüsse für meine Arbeit zu ziehen.

Zu Ihrer aktiven Zeit waren die fußballerischen Kräfteverhältnisse in Berlin noch eindeutig: Hertha war die klare Nummer eins, Union der Underdog. Wie sehen Sie jetzt die Konstellation?
Ich würde natürlich liebend gerne sagen, dass sich daran nichts verändert hat. Aber das ist leider nicht so. Union spielt wieder eine stabile Saison, während Hertha am Torkeln ist und mit dem Rücken Stück weit zur Wand steht. Ich hoffe aber, dass Hertha den Trend, der zumindest gegen Hoffenheim zu sehen war, fortschreiben kann. Das Derby am Samstag kann genau der Moment sein, um diese schwierige Saison noch zu einem positiven Ende zu bringen.

Und im Derby gewinnt sowieso nicht immer der Favorit.
So ein Derby kann noch mal etwas Besonderes aus dir hervorholen. Vielleicht kommt es zur rechten Zeit. Es wird schwer, aber ich bin davon überzeugt, dass Hertha noch mal eine zweite Luft bekommt. Unter Felix Magath geht das ja auch nicht anders.

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