zum Hauptinhalt
Irmgard Bensusan verteidigte ihren WM-Titel von 2019 über 200 Meter. Seit einem Trainingsunfall ist ihr rechtes Bein teilweise gelähmt.

© IMAGO/PanoramiC

Para-WM in der Leichtathletik: „Wir fahren glücklich und motiviert nach Hause“

Das deutsche Team feiert in Paris einen krönenden WM-Abschluss. Lediglich die Ausbeute an Startplätzen für die Paralympics 2024 sorgte etwas für Ernüchterung.

Von Benjamin Apitius

Ihr Gesichtsausdruck sagte am Montagabend eigentlich alles. Als Irmgard Bensusan im 200-Meter-Finale am Abschlusstag der Para-Weltmeisterschaften in der Leichtathletik die Ziellinie überquerte, standen der deutschen Starterin einige Fragezeichen auf die Stirn geschrieben. Gold? Ich? Jetzt wirklich?

„Dass ich jetzt Weltmeisterin bin“, sagte die 32-Jährige später ungläubig: „Davon habe ich nicht einmal geträumt.“ Ihre Ziele für die WM in Paris hatte sie bewusst klein gehalten: „Einen Slot holen für die Paralympics im kommenden Jahr.“ Und vielleicht eine Bronzemedaille, schob sie fast kleinlaut hinterher. Kleinlaut von daher, weil Irmgard Bensusan ja immerhin als Titelverteidigerin über die 200 Meter nach Frankreich angereist war.

Doch seit den vergangenen Weltmeisterschaften 2019 in Dubai war viel passiert. Die Corona-Pandemie hatte den Rhythmus in der Para-Leichtathletik gehörig durcheinandergewürfelt. Die Paralympics in Tokio waren um ein Jahr auf 2021 verschoben worden, bis zu den nächsten Sommerspielen im kommenden Jahr in Paris bleiben den Sportlern also lediglich drei statt wie gewohnt vier Jahre.

12
Medaillen feierte das DBS-Team in Paris: fünf Mal Gold, zwei Mal Silber und fünf Mal Bronze.

Die am Montag zu Ende gegangene WM war zudem die erste seit vier Jahren. Die WM in Kobe – ursprünglich für 2021 angesetzt – wurde erst auf 2022 verschoben und dann auf 2024. Sie findet nun in weniger als einem Jahr noch vor den nächsten Sommerspielen statt.

Und auch bei Bensusan wurden einige Entschlüsse verschoben. Über ihr Karriereende hatte sie sich reiflich Gedanken gemacht. Nun geht sie in die letzte vorparalympische Saison ihrer Karriere und arbeitet mittlerweile 30 Stunden in der Woche als Wirtschaftsprüferin. Mit dementsprechend gedämpften Erwartungen ging sie in diese WM und wurde über 100 Meter Sechste. Ihr Goldlauf über die 200 Meter von Paris muss ihr dann vorgekommen sein wie ein wahres Wirtschaftsprüferinnenwunder. Genauso schaute sie.

Auf fünfmal Gold, zweimal Silber und fünfmal Bronze konnte das 29-köpfige Aufgebot des Deutschen Behindertensportverbands (DBS) am Ende dieser Weltmeisterschaften verweisen – womit sich Bundestrainerin Marion Peters zufrieden zeigte: „Wir fahren glücklich und motiviert nach Hause.“ Vor allem hob sie die Goldmedaillen der drei Leistungsträger Johannes Floors, Markus Rehm und Leon Schäfer hervor: „Das sind Stützen für eine Mannschaft, die man braucht. Nur wenn das funktioniert, kann man auch den Jungen eine Chance geben.“

Gleich elf deutsche Akteure feierten in Paris ihr WM-Debüt, fünf Teilnehmerinnen waren 18 Jahre alt oder jünger. Für Peters geht dieser Generationenwechsel bislang voll auf: „Die jungen Athletinnen und Athleten haben sich wirklich sehr, sehr gut präsentiert, das ist erfrischend und schön.“ Mit Yannis Fischer (Gold) und Nele Moos (Bronze) landeten zwei 21-Jährige – durchaus überraschend – sogar auf dem Podest.

Insgesamt wurden in Paris bereits 652 Startplätze für die kommenden Sommerspiele in der Leichtathletik vergeben. Jeweils die vier Erstplatzierten eines Wettkampfes erhielten einen solchen Slot, wobei jeder Athlet und jede Athletin maximal einen Slot sichern konnte. Die lediglich zwölf Slots, mit denen das deutsche Team abreiste, trugen dabei etwas zur Ernüchterung bei.

Die 21 Jahre alte Nele Moos holte in der Klasse der teilweise gelähmten Weitspringerinnen mit 4,65 Metern völlig überraschend Bronze.

© IMAGO/Beautiful Sports

Allen voran der Verlust des eigentlich sicheren Slots von der sehbeeinträchtigten Katrin Müller-Rottgardt mit Guide Noel Fiener wog dabei schwer. Im Finale traten lediglich vier Duos an – doch weil Müller-Rottgardt und Fiener das Band, das beide beim Sprinten verbindet, bereits knapp vor der Ziellinie losgelassen hatten, wurden sie disqualifiziert.

Um 326 weitere Slots geht nun es bei der Para-Leichtathletik-WM 2024 in Kobe, die lediglich drei Monate vor den Paralympics in Paris stattfinden – doch dort erhalten statt der vier Besten nur die Erst- und Zweitplatzierten einen Slot. Die restlichen Startplätze werden über die Saisonbestleistungen vergeben. Darüber hinaus kann das Internationale Paralympische Komitee noch Wildcards vergeben.

Irmgard Bensusan muss darauf nicht mehr hoffen. Nach dem Goldlauf steht ihrer dritten Teilnahme an Paralympics nichts mehr im Weg. „Ich will im nächsten Jahr in Paris einen schönen Abschluss erleben“, sagte die wirtschaftsprüfende Sprinterin. Und schob als sprintende Wirtschaftsprüferin hinterher: „Egal wie die Paralympics laufen, steht für mich fest: Ich hatte eine sehr schöne Karriere und das ist das Einzige, was für mich zählt.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false