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Die Ringe leuchten schon mal. Thomas Härtel ist für Olympische Spiele 2036 in Berlin offen.

© Maurizio Gambarini/dpa

LSB-Präsident Thomas Härtel: „Olympia 2036 in Berlin wäre interessant“

Der neue Präsident des Landessportbundes Berlin über marode Sportstätten, fehlende ehrenamtliche Helfer, die Zukunft von Hertha BSC und mögliche Großereignisse.

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Herr Härtel, Sie sind vor wenigen Wochen zum Präsidenten des Landessportbundes Berlin gewählt worden. Warum brauchen Freizeitsportler und Athleten in Berlin Sie und den LSB?

Wir sind der Dachverband der Fachverbände des Sports. Alle Sportvereine in Berlin, das sind insgesamt 2500, sind mit ihren circa 660.000 Mitgliedern bei uns organisiert. Wir wollen für unsere Sportlerinnen und Sportler die bestmöglichen Voraussetzungen für das Sporttreiben in dieser Stadt erreichen. Wir müssen helfen, die nötige Infrastruktur zu schaffen, ehrenamtliches Personal zu gewinnen und Übungsleiter zu qualifizieren. Und wir wollen die Stimme der Berliner Sportler sein.

Da sprechen Sie ein riesiges Problem an. Die Sportinfrastruktur ist bundesweit und im Besonderen in Berlin seit vielen Jahren defizitär. Wie ist die Lage aktuell?

Konkret fehlen in Berlin etwas mehr als 100 ungedeckte Sportanlagen – also Sportplätze unter freiem Himmel. Das ist enorm. Fakt ist auch, dass immer mehr Menschen in diese Stadt ziehen, die Freiflächen sehr begrenzt und deswegen teuer sind. Wir müssen um diese Flächen kämpfen. Ein Traum von uns war und ist zum Beispiel immer noch, dass wir auch das Tempelhofer Feld nutzen können. Zumindest in der Peripherie würden wir gerne Plätze für uns nutzen. Wir müssen intelligente Lösungen finden, zum Beispiel auf den Dächern von Berlin, auf Baumärkten et cetera, auf denen Sport getrieben werden kann. Aber natürlich stößt man auch da irgendwann an Grenzen. Ein Lichtblick ist die Schulbauoffensive. In diesem Zusammenhang werden rund 350 neue Hallenteile geschaffen.

Mangelnder Platz ist das eine, das andere sind kaputte Sportanlagen.

Wir haben in Berlin einen sehr großen Sanierungsbedarf. Ich lebe in Steglitz. Wenn ich allein an diesen Bezirk denke: Da sind 16 von 62 Hallen derzeit wegen unterschiedlicher Mängel geschlossen. Nun ist zwar das Sanierungsprogramm für die Sportstätten vom Senat mit 18 Millionen Euro verdoppelt worden. Das hat uns gefreut. Aber es ist immer noch nicht ausreichend. Zudem hat uns die Unterbringung von Flüchtlingen viele Probleme bereitet.

Ist diese aus Ihrer Sicht damals falsch abgelaufen?

Wir sind uns unserer sozialen Verantwortung bewusst und tragen diese auch gerne mit vielen Programmen gerade für geflüchtete Menschen. Aber natürlich haben wir uns damals gefragt, warum in den ersten Wochen und Monaten nicht andere Räume abseits des Sports in Betracht gezogen worden sind. Hinzu kam, dass das mitunter unvermittelt stattgefunden hat. Ohne Ankündigung stand das Lageso vor den Hallen, die Kommunikation war eine Katastrophe. Und dass uns dann auch noch eine unserer zentralen Leistungssportstätten, das Horst-Korber-Zentrum, genommen wurde, war besonders bitter.

Der LSB will dem Berliner Sport eine Stimme geben. Ist der Umgang mit den Flüchtlingen ein Beispiel dafür, dass er nicht gehört wird?

Er wird gehört, aber der LSB und der Sport müssen noch stärker wahrgenommen werden. Es gibt viele Beispiele, wo es Verbesserungsbedarf gibt. So sind wir etwa in die Planungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung oft viel zu wenig eingebunden. Das geht nicht. Der Sport muss seine Expertise einbringen, wie Stadtquartiere auch für den Sport zugänglicher gemacht werden können. Der Sport ist ein ressortübergreifendes Thema. Das müssen wir allen Senatsverwaltungen begreiflich machen. Das haben wir vielleicht in der Vergangenheit versäumt. Wenn ich daran denke, dass der Sport zunächst nicht einmal auf Bundesebene im Präventionsgesetz oder dem Bundesteilhabegesetz, das für Menschen mit Behinderungen Verbesserungen vorsieht, einbezogen worden ist, dann ist das ein Wahnsinn. Und den Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Feldern wie der Kultur will ich gar nicht bemühen. Die haben ungleich üppigere Mittel als wir, gerade in Berlin.

Den Sportvereinen brechen die ehrenamtlichen Mitarbeiter weg. Im letzten Sportentwicklungsbericht gaben 34 Prozent der Vereine an, dass sie sich dadurch in ihrer Existenz bedroht sehen. Wie wollen Sie dem Schwund entgegenwirken?

Es wird zunehmend schwierig, Menschen für das Ehrenamt zu gewinnen. Das hängt mit den hohen Anforderungen zusammen. So ein Ehrenamt kann ein enormer bürokratischer Akt sein. Ich nehme mal den Rehabilitationssport als Beispiel. Da gibt es allein in Berlin über 32.000 Sportgruppen. Das ist eine Leistung für die Krankenkassen, die viel Aufwand nach sich zieht wie Überweisungen durch die Ärzte, Bestätigungen und Kostenübernahme der Kassen und so weiter. Der anbietende Verein muss umfangreiche Listen führen, weil er die Abrechnungen machen muss. Das ist zwar selbstverständlich, aber so eine Arbeit bringt nicht nur Freude. Doch es gibt Lichtblicke wie die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer bei Großveranstaltungen. Wir müssen es schaffen, noch mehr von ihnen für eine dauerhafte Arbeit im Verein zu gewinnen.

Gerade in Berlin gibt es aber viele Sportler, die den unorganisierten Sport, der meist frei ist von Verpflichtungen, dem organisierten in einem Verein vorziehen. Sind die vereinslosen Sportler und Sportanbieter ein Problem für Sie?

Wir freuen uns über jeden, der sich bewegt. Natürlich soll Sport nicht nur im Verein möglich sein und wir setzen uns auch dafür ein, dass der ungebundene, vereinslose Sport an vielen Orten der Stadt möglich sein soll. Wir sagen aber auch, dass der Verein ein besonderer Ort für das soziale Miteinander und für Integration ist. In diesen Punkten ist er dem unorganisierten Sport um Längen voraus. Außerdem möchte ich hier für unsere gut ausgebildeten Übungsleiter und unser großes Sportangebot werben.

Dennoch: Wer zum Beispiel in Berlin Yoga betreiben will, geht meist zu einem kommerziellen Sportanbieter.

Auch unsere Vereine bieten das an, im Übrigen wesentlich günstiger. Aber natürlich nicht in dem Umfang und ich gebe gerne zu, dass viele Vereine in der Organisation bestimmter Angebote Schwierigkeiten haben. Aber da wollen wir sie weiter unterstützen.

"Ich kann Herthas Wunsch nach einem reinen Fußballstadion verstehen"

Thomas Härtel, 67, war als Staatssekretär in der Senatsverwaltung zunächst für Bildung, Jugend und Sport zuständig, von 2007 bis 2011 für Inneres und Sport. Härtel ist Mitglied von Hertha BSC.

© Thilo Rückeis/Tsp

Sie sind auch ein Unterstützer einer potenziellen Olympiabewerbung Berlins. Dabei stoßen die Spiele seit vielen Jahren zumindest in westlichen Demokratien auf große Ablehnung in der Bevölkerung. Zudem hat Berlin mit den Propagandaspielen 1936 und der gescheiterten Bewerbung für 2000 auch noch besonders negative Erfahrungen damit gemacht. Woher also kommt Ihre Begeisterung dafür?

Zunächst einmal: Es stimmt, ich habe die Hoffnung, Olympische Spiele nach Berlin zu holen. Und es stimmt auch: Wir haben eine besondere und leidvolle Geschichte damit und die Voraussetzungen dafür müssen stimmen. Momentan tun sie das nicht. Wir wollen faire, dopingfreie und nachhaltige wie völkerverbindende Spiele. Nehmen wir das Beispiel 1972 in München, das waren nachhaltige Spiele. Und selbst die Bewerbung Berlins für 2000 hat dieser Stadt, was die Sportinfrastruktur mit Velodrom oder Max-Schmeling-Halle angeht, auf ein neues Niveau gebracht. Das sollte man nicht verkennen. Aber die entscheidende Frage ist, wie begeistert man die Menschen im Vorfeld dafür?

Und?

Zunächst einmal müssen bestimmte Hindernisse ausgeräumt werden. Es darf im Vorfeld keinen nationalen Bewerberstreit geben. Das kostet viele Millionen Euro und ist unnötig. Der DOSB sollte sich – unterstützt von der Bundesregierung – auf eine Bewerbung festlegen. Und schließlich darf nicht erst kurz vor einer Abstimmung der BürgerInnen – wie zuletzt in Hamburg der Fall – über die Frage der Finanzierung der Sportinfrastruktur gestritten werden. Alles muss vorher auf den Tisch. Und natürlich kann es nicht sein, dass sich Berlin für eine solche Großveranstaltung bewirbt und die eigenen Sportvereine kämpfen mit maroden oder nicht vorhandenen Sportstätten. Dann fehlt die Unterstützung von der Basis des Sports.

Mal angenommen, all das würde erfüllt: Wann könnten Sie sich eine Bewerbung vorstellen?

Das erste Fenster wären ja die Sommerspiele 2032. Aber das scheint mir sehr knapp zu sein. Dafür müsste man 2021 schon ein fast fertiges Konzept haben. Vier Jahre später werden die Sommerspiele vergeben. Von daher wäre auch 2036 interessant. Eine Bewerbung Berlins 100 Jahre nach den Propagandaspielen wäre natürlich eine sehr sensible Herausforderung. Aber warum nicht? Warum nicht der Welt zeigen, was aus Deutschland 100 Jahre später für ein weltoffenes und demokratisches Land geworden ist? Wenn man das in angemessener Weise vermitteln kann, sollten wir den Mut haben, den Wunsch einer Bewerbung für 2036 an den Bürger heranzutragen.

Zentrum wäre dann sicher auch das Olympiastadion. Wie stehen Sie zu dem Wunsch von Hertha BSC, das Stadion als Heimspielstätte zu verlassen?

Für mich ist wichtig, dass das Olympiastadion als Fußball- und als Leichtathletikstadion erhalten bleibt, unabhängig davon, ob Hertha ein neues Stadion baut. Ich kann nur sagen, dass ich Herthas Zeitplan, bis 2025 ein neues Stadion zu haben, für ambitioniert halte. Außerdem habe ich schon viele Fußballspiele im Olympiastadion erlebt, die überaus stimmungsvoll waren. Aber ich bin da hin- und hergerissen. Ein reines Fußballstadion ist natürlich auch wirtschaftlich interessant für Hertha, von daher kann ich den Wunsch verstehen. Vielleicht sollte sich der Vermieter des Olympiastadions, also die Stadt, auch fragen, wie man die vertraglichen Voraussetzungen für den Mieter Hertha attraktiver gestalten kann.

Hertha hat von dieser Partnerschaft aber auch mehrfach profitiert. Als der Verein klamm war, wurden von der Stadt schon einmal die Mietschulden gestundet.

Das ist richtig, auch in schwierigen Zeiten hat die Stadt dem Verein geholfen. Hertha war und ist nun einmal der Hauptmieter und der Senat ist da immer auch ein wenig abhängig. Ich kenne das ja noch aus meiner Zeit als Sportstaatssekretär in dieser Stadt. Da hieß es vonseiten Herthas schon einmal, wenn wir bestimmte Rechte nicht bekommen, dann gucken wir, wo wir hingehen.

Dabei ist das Olympiastadion nur ein Teil des Problems. Es geht perspektivisch ja auch um eine Neugestaltung des Olympiaparks.

Richtig. Wir müssen den Olympiapark als Ganzes im Blick haben. Das ist ein sehr wertvolles Gelände, das wir einer noch breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stellen wollen. Ein paar Dinge müssen hinterfragt werden. Ich denke zum Beispiel, dass wir kein Reiterstadion brauchen. Das nimmt enorm viel Platz weg. Ein weiterer Punkt ist das Olympiabad mit seinen Bestimmungen für den Denkmalschutz. Es ist sanierungsbedürftig und derzeit würde uns allein eine neue Tribüne nach den Richtlinien des Denkmalschutzes 28 Millionen Euro kosten, dafür können wir ein neues Stadtbad bauen. Das ist nicht mehr verhältnismäßig. Ich bin dafür, einen Teil der Tribünen abzureißen und Teile exponiert unter Glas zu stellen. Das reicht in meinen Augen. Das sind nur zwei Punkte, es gibt viele weitere.

Es steht also viel Arbeit für Sie an. Worauf freuen Sie sich denn im kommenden Jahr?

Besonders freue ich mich auf die Handball-WM im Januar und die neu geschaffenen Finals am 3. und 4. August – die deutschen Meisterschaften in mehreren Disziplinen. Die begleiten wir mit einem großen Familiensportfest auf dem Olympiaparkgelände. Das wird eine schöne Veranstaltung, die zeigen wird, wie begeisterungsfähig die Sportmetropole Berlin ist.

Das Gespräch führten Johannes Nedo und Martin Einsiedler.

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