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Sport: Ohne Zukunft

Schon bei der Premiere der Nachwuchsmannschaft Team 2006 offenbart sich deren ganze Fragwürdigkeit

Von Stefan Hermanns

Mönchengladbach. Große Ereignisse erfordern große Worte, und nicht so große Ereignisse erfordern manchmal noch größere Worte. Als die beiden Mannschaften und das Polizeiorchester auf dem Rasen des Bökelbergs bereitstehen, erklärt der Stadionsprecher den Zuschauern, was sie jetzt Tolles erwartet: „Die Nationalhymnen – immer wieder eine spannende Sache.“ Vielleicht hat der Stadionsprecher gedacht, er müsse das Publikum ein wenig durch das Programm geleiten. Schließlich kennt Mönchengladbach so was nicht: ein Fußball-Länderspiel auf dem Bökelberg. Na ja, es ist kein richtiges Länderspiel. Es sind gewissermaßen die zweiten Mannschaften Deutschlands und der Türkei, die an diesem Abend aufeinander treffen. Aber weil sich zweite Mannschaft ein wenig anhört wie zweite Wahl, heißt die deutsche Mannschaft „Team 2006“. Das klingt irgendwie moderner.

Das Team 2006 ist so etwas wie die fußballerische Entsprechung der einstigen „Task Force“ des Deutschen Fußball-Bundes (DFB): eine Kopfgeburt, erdacht von praxisfernen Funktionärshirnen in Zeiten größter Not. Sein Vater heißt Gerhard Mayer-Vorfelder, seine Mutter Aktionismus. Aber weil das Team 2006 nicht nur die Erfindung, sondern auch das Lieblingsprojekt des DFB-Präsidenten ist, wird ihm wohl eine längere Lebensdauer beschieden sein, als notwendig und wünschenswert wäre. Schon bei seiner Premiere am Freitagabend in Mönchengladbach, bei der 1:2-Niederlage gegen die A2 der Türkei, hat das Projekt seine ganze Fragwürdigkeit offenbart.

Die Idee war ursprünglich, dass sich die Mannschaft, die im Sommer 2006 in Deutschland die Weltmeisterschaft gewinnt, zeitig einspielen soll. Da hätten dann Michael Ballack und Sebastian Deisler an der Seite von 18-jährigen Talenten gestanden, doch solche Spielereien lässt der internationale Rahmenterminplan einfach nicht zu. Das Team 2006 ist daher zu einer B-Nationalmannschaft mit Altersbeschränkung geworden oder zu einer verkappten U 25 für Spieler, die es mit 23, 24 oder 25 Jahren immer noch nicht zu Stammkräften in der Bundesliga gebracht haben. Deshalb dürfen dann Bernd Korzynietz und Markus Kreuz für Deutschland auflaufen, Enrico Kern und Andreas Voss, und wer nicht zu den treuen Zuschauern der DSF-Übertragungen aus der Zweiten Liga gehört, der wird mit diesen n wenig anzufangen wissen.

Dass diese Spieler im Nationaltrikot die Wettkampfpraxis bekommen sollen, die ihnen in ihren Vereinen versagt bleibt, ist eine bedenkliche Entwicklung. „Das ist die Spitze der Nachwuchsförderung“, sagt Ulli Stielike, der Trainer des Teams 2006. Aber irgendwann muss der Nachwuchs auch mal erwachsen werden, und das scheint in Deutschland immer später zu passieren. Vielleicht richtet der DFB in ein paar Jahren eine U 29 ein – für 28-Jährige, die auf dem Sprung sind, Stammspieler in der Zweiten Liga zu werden. Was hat eigentlich der Berliner Jung-Nationalspieler Arne Friedrich verbrochen, dass er in dieser Mannschaft mitkicken musste, statt mit der richtigen Nationalmannschaft nach Litauen zu reisen?

Das aktuelle Team 2006 ist die Mannschaft einer verlorenen Fußballer-Generation. Die Spieler waren schon zu alt, als der Deutsche Fußball-Bund vor zwei Jahren endlich die eklatanten Mängel in seiner Nachwuchsförderung festgestellt hat. Zu alt, als dass sie von den schönen neuen Konzepten des Verbandes noch hätten profitieren können. Die Spieler des Teams 2006 sind gewissermaßen Deutschlands letzte Rumpelfüßler. „In absehbarer Zeit werden wir es mit spielerisch besseren Jungs zu tun haben“, sagt Ulli Stielike.

Bis dahin darf sich das Team 2006 noch für die Zukunft halten. Für Trainer Stielike „wäre es fatal, diese Mannschaft zu verdammen“. Doch er selbst sprach nach der Niederlage gegen die Türken von einer „katastrophalen Auftaktphase“ und von „mangelnden technischen Voraussetzungen“. Allein die Kontrolle des rollenden Balles stellt diese Spieler manchmal vor unlösbare Probleme.

Stielike hatte all das nach dem Spiel öffentlich ausgesprochen. „Das ist keine harsche Kritik“, sagte er. „Ich erkläre nur das, was ich sehe.“ Seine Erkenntnisse widersprachen jedoch ganz offenkundig dem von Rudi Völler formulierten Anforderungsprofil.

Das Team 2006 soll laut Teamchef Rudi Völler Spielern eine Chance geben, „die in naher Zeit den Sprung in die Nationalmannschaft schaffen können“. Ulli Stielike sagt: „Ich glaube nicht, dass sich einer in den Vordergrund gespielt hat.“ Dabei geht es gerade darum. „Das Problem ist, dass die Öffentlichkeit die Spieler doch gar nicht kennt“, sagt Stielike.

Dieses Problem immerhin wäre jetzt gelöst.

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