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 Sven Michel bekam kurz vor Schluss noch die rote Karte.

© imago images / Behrendt

Nicht viel Zeit zum Analysieren: Der 1. FC Union zeigt alte Schwächen in der Europa League

Union Berlin agierte gegen Saint-Gilloise oft zu passiv und ideenlos. Das muss sich schnell ändern, um gegen Köln in der Bundesliga wieder erfolgreich zu sein.

Es wurde gesungen, gehüpft, geflucht und schließlich wieder gefeiert. Nur auf den Rasen wollte sich die Euphorie von den Rängen nicht wirklich übertragen. Bei der 0:1-Niederlage gegen den belgischen Erstligisten Royale Union Saint-Gilloise zum Auftakt der Europa League wurde der 1. FC Union letztlich mit seinen eigenen Mitteln geschlagen. Die Fans der Köpenicker wollten trotz der schwachen Leistung gar nicht aufhören, ihre Mannschaft zu feiern, selbst dann nicht, als das Spiel schon lange abgepfiffen war. „Die Atmosphäre war Wahnsinn, auch am Schluss. Man kann nur den Hut vor den Fans ziehen, das ist wirklich einzigartig bei uns, aber mit der Leistung sind wir natürlich nicht zufrieden“, sagte Kapitän Christopher Trimmel.

In den vergangenen Wochen ist die Mannschaft von Urs Fischer viel gelobt worden. Für ihr schnelles Umschaltspiel, ihre Effektivität und vor allem für ein hartes, doch meist faires Zweikampfverhalten. Eigenschaften, die Union am Donnerstag nahezu über die gesamte Spielzeit vermissen ließ. Es fehlte an Entschlossenheit, Intensität in den direkten Duellen und Mut in der Offensive. All das, womit die Berliner gegen die Bayern noch begeistert hatten, setzten am Donnerstag vielmehr die Gegner in die Tat um.

Der belgische Vizemeister griff erst spät an, war in den entscheidenden Situationen dann aber präsent und insgesamt deutlich zielstrebiger als Union. Bereits vor dem Spiel hatten Trainer Fischer und Kapitän Trimmel die zu Union ähnliche Spielweise erkannt. Trotzdem fand das Team dann im Spiel keine Lösungen. „Der Gegner hat es uns sehr schwer gemacht. Ein ähnliches System wie wir, sehr tief gestanden, sehr kompakt“, sagte Trimmel. „Sie haben uns letztlich mit unseren Waffen geschlagen.“

Im Angriffsspiel war Union zu kreativlos

Union hatte im Spielverlauf oft den Ball und wusste nur selten etwas damit anzufangen. Die Berliner mussten Ideen finden, kreativ sein und scheiterten daran. Außer langen Bälle auf Kevin Behrens in der Spitze oder Flanken aus dem Halbfeld von Trimmel und Niko Giesselmann fiel der Mannschaft von Fischer nicht viel ein an diesem Abend. Chancen waren Mangelware, und auch Stürmer Sheraldo Becker blieb ungewohnt unauffällig. „Uns fehlte in gewissen Situationen, mal nach vorne aufzudrehen, mal auf die Kette zu laufen, etwas zu provozieren, ein Eins-gegen-eins zu überspielen“, kritisierte Fischer.

Gleichzeitig präsentierte sich Union ungewohnt konteranfällig, wodurch auch der Gegentreffer zustande kam. In der zweiten Hälfte wurde zumindest das besser. Saint-Gilloise kam kaum mehr aus der eigenen Hälfte heraus. Trotzdem erinnerte die Leistung Unions an die Auftritte der vorigen Saison in der Conference League. Während man in der Bundesliga überzeugte, ließ man auf europäischer Ebene die nötige Reife und Cleverness vermissen. „Natürlich war der Start nicht optimal, wir haben uns das anders vorgestellt, aber es bleiben ja noch fünf Spiele“, sagte Fischer.

Was in Köpenick auch Hoffnung gibt für die kommenden Aufgaben in der Europa League und im Aufeinandertreffen in der Bundesliga mit dem 1. FC Köln am Sonntag (15.30 Uhr/Dazn) ist der große und qualitativ gut besetzte Kader Unions. Mit András Schäfer, Julian Ryerson und Sven Michel kam gegen Saint-Gilloise endlich etwas Schwung ins Spiel. Vor allem Michel war auffällig und das nicht wegen seiner Roten Karte kurz vor Schluss.

Union ist endgültig in den englischen Wochen angekommen und muss nun das Kunststück vollbringen, sich im Drei-Tage-Rhythmus zwischen Europa und Bundesliga zu regenerieren, Fehler zu analysieren und möglichst schnell abzustellen, um seine Ziele, in der Europa League zu überwintern und in der Liga beständig zu punkten, zu erreichen. Gegner Köln muss die gleiche Aufgabe bewältigen, könnte den Köpenickern aber besser liegen als Saint-Gilloise. Die Mannschaft von Steffen Baumgart ist dafür bekannt, lieber zu agieren als zu reagieren.

So könnte Union auf alte Tugenden zurückgreifen, die es in den vergangenen Wochen so erfolgreich gemacht hat. Dabei kann Fischer womöglich wieder auf den angeschlagenen Diogo Leite in der Verteidigung zurückgreifen: „Was ich sagen kann, ist, dass er Teile des Mannschaftstrainings mitgemacht hat, das sieht gut aus.“ Für Angreifer Jordan Siebatcheu hingegen kommt ein Einsatz wahrscheinlich noch zu früh.

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