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Du hast die Haare schön. Italiens ehemaliger Staatschef Silvio Berlusconi achtet bei seinen Spielern in Monza auch auf Äußerlichkeiten.

© imago/Buzzi

Neuer Besitzer des SS Monza: Silvio Berlusconi ist zurück im Fußball

Silvio Berlusconi hat sich einen Drittligisten gekauft und setzt dort vor allem auf italienische Fußballer. Das soll auch seiner Partei helfen.

Ein Monster aus Beton ragt aus der Ebene rings um Monza. Es ist das Stadio Brianteo, errichtet 1988 für 18.568 Zuschauer. Damals hatte der lokale Fußballverein den Traum von der Serie A, der höchsten Spielklasse Italiens. Angekommen ist der Klub nach vielen Jahren in Liga zwei dort aber nie. Nach sportlichen und finanziellen Krisen und dem Abstieg in die vierte Liga spielt der SS Monza derzeit in der dritten Liga. Auf der Tribüne war zuletzt dennoch zahlreiche Prominenz zu sehen, darunter der ehemalige Real-Madrid-Trainer Fabio Capello und der frühere Serie-A-Torschützenkönig Christian Vieri.

Zur neuen Promi-Pilgerstätte haben Silvio Berlusconi und Adriano Galliani das Stadion gemacht. Berlusconis Holding Fininvest kaufte im September den Verein für etwa 3 Millionen Euro. Ein Klacks im Vergleich zu jenen 600 Millionen, die sich die Holding im letzten Jahr aus dem Verkauf des AC Mailand gutschreiben konnte.

Vom Fußball mochte Berlusconi aber nicht lassen. Adriano Galliani ebenso wenig. Galliani, Ex-Milan-Direktor und aktueller Senator in Rom, ist jetzt Manager bei Monza. Der sympathische Aspekt dabei: Galliani arbeitete schon in den 1970ern hier. Er sagt: „Ich war immer einer von Monza. An den AC Mailand war ich nur 31 Jahre ausgeliehen. Jetzt bin ich zurück.“ Das nennt man bodenständig. Das Prädikat könnte sogar Berlusconi in Anspruch nehmen. Seine Residenz in Arcore ist keine zehn Kilometer von Monza entfernt.

"Es wird romantisch"

Diese Nähe hat etwas Betörendes, geradezu Romantisches in diesen globalistisch überspannten Zeiten. Der Fußball ist zunehmend von russischen Oligarchen, arabischen Ölprinzen, Hedgefonds aus den USA und als neuem Player chinesischen Milliardären geprägt. Berlusconi hatte anlässlich des Milan-Verkaufs resigniert bekannt: „Die Summen, die man braucht, um vorn dabei zu sein, kann eine einzelne Familie gar nicht mehr stemmen.“ Den Drittliga-Fußball vor der Haustür kriegt er aber noch finanziert.

Für seine Rückkehr prägte der pfiffige Kommunikator Berlusconi den Slogan „Sarà romantico“ – „es wird romantisch“. So ist auch die Sponsorenlogo-Tafel in den Stadionkatakomben überschrieben.

„Fußball ist wie eine Droge. Silvio Berlusconi und Adriano Galliani sind echte Fußballliebhaber. Das spürt man, wenn sie über Fußball reden“, lautet die Erklärung von Filippo Antonelli. Der Ex-Profi ist seit vier Jahren Sportdirektor bei Monza. Er legt Wert auf die Feststellung, dass der Klub von Berlusconi nicht vor dem Bankrott gerettet wurde. „Der frühere Besitzer war es, der den Klub nach einem Bankrott vor vier Jahren wieder zu einer guten Adresse gemacht hat“, sagt Antonelli dem Tagesspiegel. Den Bankrott hatte als Vorvorgänger übrigens Clarence Seedorf mitzuverantworten. Der frühere AC-Mailand-Profi scheiterte hier als Vereinschef.

Mit Berlusconi soll das nicht passieren. „Er und Galliani haben über 30 Jahre Erfahrung im Fußball. Fininvest hat auch das Kapital, die Strukturen grundlegend zu verbessern“, sagt Antonelli. Und er freut sich, dabei zu sein.

Der frühere Trainer hatte da nicht so viel Glück. Kaum war Berlusconi da, wurde mit dem Ex-Milan-Spieler Cristian Brocchi ein neuer Coach geholt. „Natürlich waren die Spieler bei Milan technisch und taktisch viel weiter. Aber ich mache auch diese Arbeit gern und versuche, die Mannschaft besser zu machen. Ich habe hier anderthalb Jahre Zeit, die erste Meisterschaft zu holen. Vor allem soll ich für Offensivspiel sorgen. Das liegt mir, das habe ich in meiner DNA“, sagt Brocchi.

Keine Tattoos und ordentliche Haare

Tatsächlich spielte die Truppe am vergangenen Sonntag munter nach vorn. Nur mit den Toren klappte es nicht. Gegner Pordenone war da cooler: Vier Chancen, zwei Tore, Endstand 2:0. Die knapp 1000 Ultras aus Monza, die 90 Minuten lang fleißig durchgesungen hatten, pfiffen nach Spielende. „Die Erwartungen sind gestiegen, seit Berlusconi und Galliani hier sind. Früher war uns der Klassenerhalt wichtig, jetzt träumen viele von der Serie A“, sagt Roberto, Fan-Urgestein mit mehr als fünf Jahrzehnten Stadionpräsenz, dieser Zeitung.

Ein paar Jahre wird er warten müssen. Brocchi bleibt Zeit bis 2020 für den Aufstieg in die Serie B. Danach ist Stabilisierung in der zweiten Liga angesagt, dann der Aufstieg nach ganz oben. Der Weg dorthin trägt auch antiglobalistisch-romantische Züge. „Wir wollen in die Serie A, natürlich. Aber wir haben Geduld. Wir wollen das mit jungen Spielern, mit Italienern vor allem, erreichen. Es ist die alte Formel von Milan: Der Kern des Teams sind Italiener, dazu drei Ausländer“, lautet Antonellis Ausblick.

Berlusconi machte bei seinem bisher einzigen Auftritt in Monza zwei weitere Vorgaben: „Unsere Spieler werden keine Tattoos haben und ordentliche Haare tragen.“ Das hält niemand von den Angestellten für realistisch. „Es geht aber darum, dass die Spieler ein professionelles Auftreten und ein gutes Benehmen haben“, erläutert Antonelli. Schwiegersohntypen also, Italiener vor allem und nur wenig Ausländer – diese Botschaft passt auch politisch.

Mit patriotischen Werten und mit Verankerung in der Provinz errang die Lega Nord in den letzten Jahren die Deutungshoheit bei der politischen Rechten. Berlusconi traf sich jüngst mit Lega-Chef Matteo Salvini zum Ausloten neuer Allianzen. Mit dem AC Mailand machte Berlusconi sich als Unternehmer und Politiker bekannt. Den Rückschlag bei den Wahlen im Frühjahr 2018 führte er selbst auf die Enttäuschung seiner Anhänger zurück. „Es wird wohl noch so kommen, dass ich Milan zurückkaufen muss. Die Meinungsforscher haben herausgefunden, dass unser schwaches Wahlergebnis auch mit dem Verkauf des Klubs zusammenhängt.“ Nun kaufte er nicht Milan, sondern Monza.

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