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Martina Voss-Tecklenburg, 50, spielte 125 Mal für die deutsche Auswahl und wurde Europameisterin. Beim DFB wird sie Nachfolgerin von Interimstrainer Horst Hrubesch.

© Salvatore Di Nolfi/dpa

Neue Fußball-Bundestrainerin: Voss-Tecklenburg: „Meine Spielerinnen sollen mutig sein“

Vor ihrem Amtsantritt bei der Frauen-Nationalmannschaft spricht Martina Voss-Tecklenburg über die neue Konkurrenz im Weltfußball und ihren Ansatz als Trainerin.

Martina Voss-Tecklenburg, Sie sind noch beim Schweizer Fußball-Verband angestellt, haben aber beim DFB schon als neue Bundestrainerin unterschrieben. Hand aufs Herz: Sind Sie noch bei der Sache oder schon bei der neuen Herausforderung?

Ich habe mich schon einmal dabei ertappt, wie ich die Aufstellung gemacht habe und dachte: Wie machst du das dann eigentlich mit dem neuen Personal? Aber mir steht hier in der Schweiz nach sechs Jahren noch ein emotionaler Abschied bevor und es gibt noch ein klares Ziel: die direkte WM-Qualifikation. Das möchten wir unbedingt noch erreichen.

Die Schweiz steht in ihrer Gruppe mit sechs Siegen aus sechs Spielen kurz vor der WM-Teilnahme. Die deutsche Mannschaft muss in ihrer Gruppe die beiden abschließenden Partien am Samstag gegen Tabellenführer Island und am darauffolgenden Dienstag gegen Faröer gewinnen.

Ich bin überzeugt, dass beide den Weg nach Frankreich 2019 schaffen.

Deutschland ist vielfacher Weltmeister, Europameister, Olympiasieger. Helfen Ihnen die Erfahrungen aus der kleinen Schweiz dafür überhaupt?

In der Schweiz haben wir mit vergleichsweise geringen Mitteln jetzt zweimal die WM-Qualifikation geschafft. Hier war mehr Entwicklung gefragt und es war ein Prozess – und um den geht es im Fußball. In Deutschland werde ich positiv nach vorne schauen. Zurückgeschaut haben alle lang genug.

Ihr letztes Engagement in der Bundesliga ist sechs Jahre her. Wie hat sich seitdem der deutsche Fußball verändert?

Er hat sich nicht so stark verändert. Verändert haben sich die anderen.

Können Sie das erläutern?

Schauen Sie sich Europa an. Die Niederlande sind Europameister, Lyon hat die Champions League gewonnen. Andere Nationen haben finanziell investiert, sind professioneller geworden und qualitativ besser. Sie haben klare Spielstrategien. Gleichzeitig ist die Anzahl der Frauen und Mädchen, die Fußball spielen, gewachsen. Das ist die größte Wertschätzung, die der Frauenfußball erfahren kann.

Aber?

Kein Aber. Das bedeutet: Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass man als als große Nation gewinnt. Das war zu meiner Zeit als Spielerin noch anders. Da ist man als Deutschland angetreten und hat Titel gewonnen, wenn man einen normalen Tag erwischt hat. Und genauso an schlechten.

Bei der EM 2017 ist Deutschland schon im Viertelfinale ausgeschieden. Sie sollen nun den Neuaufbau schaffen. Wie kann das gelingen?

Indem man erst einmal für Werte einsteht. Indem man die Menschen hinter der Funktion sieht: die Spielerin, aber auch die Trainerin. Ich möchte die Mädchen unterstützen, ob sie nun 16 Jahre alt oder schon gestandene Nationalspielerin sind. Dafür muss man im Umgang bei der Wahrheit bleiben, seine Überzeugungen vertreten – auch wenn sie unbequem sind.

Beim FF USV Jena haben Sie immer den „Mut zum Scheitern“ proklamiert und explizit junge Spielerinnen auch vom Sportgymnasium gefördert. Kann man sich diese Einstellung leisten, wenn Titel der Anspruch sind?

Man muss sie sich sogar leisten. Den Spielerinnen Mut zu geben, ist doch die wichtigste Aufgabe einer Trainerin. Das ist meine Auffassung und von der werde ich auch nicht abweichen. In allem anderen wäre ich nicht authentisch. Ich möchte meinen Spielerinnen das Vertrauen vermitteln: Wenn eine Aktion neunmal nicht klappt, dann klappt sie beim zehnten Mal. Sie müssen nur mutig sein – dann dürfen sie bei mir auch scheitern.

Sie haben auch mal gesagt, Respekt sei keine Frage der Anrede. Dürfen Ihre Spielerinnen Sie duzen?

Die meisten tun das schon. Auch in der Schweiz war das jetzt selbstverständlich. Bei den ganz jungen Spielerinnen muss man natürlich aufpassen, dass der Zeitpunkt für sie auch passt. Dann ist es völlig in Ordnung, wenn die sagen: Trainerin, ich möchte das noch nicht. Aber Kommunikation und nahbar zu sein, sind mir einfach wichtig.

Dzsenifer Marozsan spielt schon in Lyon, Tabea Kemme wechselt zu Arsenal – immer mehr Ihrer Nationalspielerinnen sind im Ausland aktiv. Was heißt das für Ihre zukünftige Arbeit?

Der Job ist sicher internationaler geworden. Auch das ist eine Entwicklung. Immer mehr Vereine nutzen sehr gut die Synergien zum Männerfußball. Olympique Lyon, Arsenal London und Barcelona sind nur einige Beispiele. Das bringt den Sport voran. Aber man darf sich nichts vormachen: Es wird auch natürliche Grenzen geben.

Ihren ersten Arbeitstag beim DFB kennen Sie ja noch nicht. Aber haben Sie am 24. September schon etwas vor?

(Lacht) Mir ist schon klar, worauf Sie hinaus wollen.

In London findet dann die Auszeichnung des Welttrainers des Jahres statt. Sie sind unter den Nominierten.

Ich zähle nicht zu den Favoriten. Es gibt andere Trainer, die Titel gewonnen haben – und Titel sagen immer etwas über die Leistung eines Trainers aus. Aber ich bin sehr stolz, überhaupt nominiert zu sein. Das allein ist schon eine großartige Anerkennung für das, was wir hier in der Schweiz erreicht haben.

Das Gespräch führte Anne Armbrecht.

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