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Der Trainerwechsel hat nichts gebracht. Thomas Tuchels Bilanz beim FC Bayern ist mehr als enttäuschend.

© dpa/Sven Hoppe

Update

Nach Niederlage gegen Leipzig : Bayern München am Rande der Ohnmacht

Die Mannschaft ist ratlos, der Trainer redet sich in Rage und der Vorstand steht weiter in der Kritik. Kann das für den FC Bayern tatsächlich noch zum Titel reichen?

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Thomas Tuchel wischte sich mit der Hand über das Gesicht, so als müsse er sich erst einmal sammeln, sich selbst kontrollieren, bevor er loslegt. Das war dem Trainer des FC Bayern davor im Interview beim übertragenden Fernsehsender nämlich nicht gelungen.

Es war kurz nach Ende der Bundesliga-Partie gegen RB Leipzig und der 1:3-Niederlage, mit der die Münchner den einen Tag später siegreichen Dortmundern zur Tabellenführung verhalfen, als Tuchel seine Mannschaft, ja, man muss es so bezeichnen, auseinandernahm. „Wenn man so weit unter dem eigenen Level spielt und das Level konstant sinkt, dann ist es schwer, Spiele zu gewinnen“, sagte er aufgebracht

Er redete sich fast in Rage am Mikrofon, führte Fehler auf, und davon gab es reichlich an diesem Samstag beim letzten Münchner Heimspiel der Saison, sprach auch von mangelnder Fähigkeit, sich an Situationen anzupassen. Man gehe doch in New York doch auch ganz anders über die Straße als im ruhigen München-Bogenhausen, sagte er.

„Wenn du ohne zu gucken gehst, wirst du halt überfahren“, so wie der FC Bayern gegen keineswegs überragende Leipziger. Dabei hatte Tuchel das Gefühl, dass seine Mannschaft in den vergangenen Wochen wieder gelernt hat, die Gefahren richtig einzuschätzen. Es seien „zwar kleine Schritte“ gewesen, „aber in die richtige Richtung“.

Auf der Pressekonferenz wirkte Tuchel nach seiner Hand-über-das-Gesicht-Geste etwas gefasster, wiederholte aber sinngemäß seine Kritik, und aus seinen Worten sprach das, was ein Trainer eigentlich nicht versprühen sollte, weil es meist der Anfang vom Ende des Arbeitsverhältnisses bedeutet: Ohnmacht. „Man weiß gar nicht“, sagte Tuchel, „wo man anfangen soll“, wo er mit seiner Arbeit anfangen soll.

Gegen Leipzig gaben die Bayern das Spiel sukzessive aus der Hand

Nun fällt so ein Zustand einer Mannschaft ja immer auch auf den Trainer zurück, das blieb Tuchel bisher erspart, weil „es uns“, stellte Joshua Kimmich fest, „in der Saison ja viel zu oft passiert ist“, dass die Kontrolle über ein Spiel nach gutem oder zumindest solidem Beginn verloren wurde. Acht Mal haben die Bayern in der Bundesliga nach einer Führung nicht gewonnen, insgesamt 19 Punkte vergeben. Fünf davon fielen in die Ära von Tuchels Vorgänger Julian Nagelsmann, und sie waren auch einer der Gründe für seine Entlassung Ende März.

Am Samstag hat der Rekordmeister das Spiel nach dem 1:0 durch Serge Gnabry sukzessive aus der Hand gegeben, in der zweiten Halbzeit, sagte Tuchel, „sind wir komplett schlampig geworden“ und „wenn wir aufhören, nach unseren Prinzipien zu spielen, dann wird es ein Würfelspiel“, das Leipzig durch ein Kontertor von Konrad Laimer, der in der kommenden Saison wohl in München spielen wird, sowie den beiden verwandelten Elfmetern von Christopher Nkunku und Dominik Szoboszlai für sich entschied. Für Kimmich ist der Spielverlauf „kein Zufall“, sondern hat angesichts des Saisonverlaufes System.

19
Punkte haben die Bayern in dieser Saison nach Führungen noch vergeben

Die Kritik hatte in den vergangenen Wochen fast komplett die Chefetage getroffen, und da in erster Linie den Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn, aber zunehmend eben auch Sportvorstand Hasan Salihamidzic, weil vor allem er ja für die Zusammenstellung des Kaders, dessen Tauglichkeit für höchste Ansprüche in Zweifel gezogen wird, zuständig ist. Egal, ob die Bayern am nächsten Wochenende doch Meister werden, weil Dortmund gegen Mainz nicht gewinnt, und sie selbst Köln besiegen, wird bei der Aufsichtsratssitzung am 30. Mai einiges zu besprechen und entscheiden geben.

Aber mit ein paar Korrekturen in der Führungsebene und im Kader ist es sicher nicht getan, denn die Probleme, musste nun auch Salihamidzic zugeben, säßen tief. „Es sind auf jeden Fall ein paar Themen da“, weiß er. Ob die noch mit ihm angegangen werden, ist fraglich. Und an Tuchel geht dieses Bayern-Schlamassel auch nicht ganz spurlos vorüber. Der Rucksack war aufgrund der Altlasten von Nagelsmann schon groß, und er wurde noch voluminöser mit den hohen Erwartungen.

Wer zwei, vielleicht drei Titel innerhalb von knapp zwei Monaten verspielt, ist angeschlagen für einen Neustart im Sommer. Salihamidzic lässt zwar keine Gelegenheit aus, Tuchel zu loben, aber gestand am Samstag auch ein, dass der Trainerwechsel „nichts gebracht“ habe. Ein schlechteres Zeugnis kann man sich selbst kaum ausstellen.

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